Gibt es ein Zentrum des Social Web? Eine Seite, die jeder kennt, die hunderte Millionen Menschen täglich aufsuchen, eine Seite, die wie keine andere für den Austausch von Informationen und Alltäglichkeiten oder als simpler Treffpunkt steht? Mir fällt dabei nur Facebook ein. Am häufigsten genannt, beschrieben, geliebt, beschrieen, geliket, verfilmt, gehasst. Man muss Mark Zuckerberg und seine Ansichten zur Privatsphäre nicht mögen, man muss dort auch nicht aktiv sein. Aber ob man es mag oder nicht: Facebook ist der Mittelpunkt des Social Web.
An diesem sozialen Nabel der Welt hängt mittlerweile eine ganze Menge. Apps wie BranchOut, die Spielehersteller Zynga und Wooga oder der Musikstreaming-Dienst Spotify, um nur einige zu nennen, würden in ihrer aktuellen Form ohne Facebook nicht existieren. Zahlreiche Marken, Medien, Persönlichkeiten profitieren von Facebook und seinem Schatz von 900 Millionen katalogisierten Webnutzern. Sie alle würden ohne die Seite finanzielle Einbußen hinnehmen. Deswegen herrscht derzeit so etwas wie eine gespenstische Ruhe vor dem Sturm. Denn wenn das Social Network voraussichtlich am Freitag an die Börse geht, sind zehntausende Arbeitsplätze und etliche Geschäftsmodelle davon betroffen. Von dem Börsengang wird abhängen, wie es mit dem zweifelhaften Konstrukt aus Startups, Investoren und Millionenbeträgen weitergeht. Vieles deutet darauf hin, dass die goldenen Zeiten vorbei sind.
Investoren und Journalisten kochen Hypes
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Man liest viel jeden Tag. Seit einigen Monaten aber fällt mir eine Art Ritual verstärkt auf: Techblogs stellen Startups vor, spekulieren, wie diese alles bisher Dagewesene verändern können, Investoren springen darauf an und investieren Millionen in windige Geschäftsmodelle. Techblogs schreiben auch darüber, die Nutzer strömen herbei und probieren aus. Die Tagespresse schreibt Insider-Berichte, die Social-Media-Marketer kommen und raten ihren Kunden, dort ein Profil anzulegen, die ersten Promis melden sich an und verhelfen dem jeweiligen Projekt zu einem enormen Anfangsruhm.
Und ebenso schnell wie der Hype kommt, geht er in letzter Zeit auch wieder vorbei. Die Besucher, die sich das nur einmal anschauen wollten, kommen nicht wieder, der harte Kern ist deutlich kleiner und die Startups stellen fest, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Das Geld ist aber längst investiert, der Druck, dem gerecht zu werden ist da, ein Geschäftsmodell aber nicht in Sicht. So erging es vielen Projekten in letzter Zeit. Als Beispiele seien hier Quora, Amen, Pinterest oder Color genannt. Und aktuell: Socialcam und Viddy.
Video-Apps ohne Geschäftsmodell, aber mit zweifelhaften Methoden
Viddy ist ein Videotool für das Smartphone, auf dem man sich wahlweise via Facebook anmelden kann. Videos lassen sich hier mit bunten Filtern versehen – eine Idee, mit der Instagram sich auch ohne Geschäftsmodell für 1 Milliarde US-Dollar von Facebook kaufen ließ. Viddy sammelte 30 Millionen Dollar ein, soll 26 Millionen Nutzer haben. Einnahmequelle? Fehlanzeige. Viddy war eine Zeitlang ganz oben in Apples iTunes Store zu finden und stürzte wenig später auf Platz 48 ab, fand Om Malik heraus. Er schreibt ebenso darüber, wie Facebook die Apps nach eigenem Willen unterstützt, indem es die Apps etwa prominent bewirbt.
Socialcam weist eine ähnlich prominente Finanzierungsrunde vor, hat auf Facebook angeblich schon 50 Millionen monatliche Nutzer. Allerdings fehlt auch hier ein Geschäftsmodell und kürzlich wurde bekannt, dass Socialcam wie Viddy zweifelhafte Methoden angewendet hat, um die App in besserem Licht dastehen zu lassen. Inzwischen geht es mit Socialcam wieder abwärts. Viele Nutzer haben genug gesehen.
Der Markt ist hoffnungslos überhitzt
Man muss sich fragen, wie ein Markt langfristig existieren kann, bei dem 1 Milliarde für ein Startup mit 12 Mitarbeitern und ohne Geschäftsmodell (Instagram) gezahlt wird. Bei dem Videplattformen, ebenfalls ohne Geschäftsmodell, Finanzierungsrunden in Millionenhöhe erhalten, in dem immer wieder in Märkte investiert wird, die maßlos überschätzt werden. In dem viele Startup-Gründer darauf vertrauen, entweder ein paar Krumen vor noch gar nicht so großen Werbekuchen aufzusammeln oder übernommen zu werden, damit sich ihre Sorgen auf einen Schlag in Luft auflösen.
Derzeit überschlagen sich die Meldungen, ob Facebooks Börsengang ein Erfolg wird. „Ja“, sagen die einen. „Um Himmels Willen!„, schreien die Anderen. Viel wird vom Erfolg dieses Börsengangs abhängen, wie lange dieses Spiel aus Millioneninvestitionen und kurzen Hype-Zyklen weitergehen wird. Auf lange Sicht wird damit aber so oder so Schluss sein. Eine derartige Überhitzung eines Marktes kann nicht für immer weiter gehen. Geht es um Facebooks Börsengang, könnte er ähnlich verlaufen wie der Aufstieg und Fall der oben genannten Projekte. Ein großer Hype zu Anfang, auf die weniger später die Ernüchterung folgt. Das wird hoffentlich für zwei Dinge sorgen: mehr Nachhaltigkeit – und endlich etwas Nüchternheit. Denn richtig spannend wird es erst dann: Was kommt nach dem großen Hype?
(Jürgen Vielmeier, Bild: Guillaume Paumier (CC BY 2.0))