Die Telekom macht jetzt Startups. Mitten in Berlin. Das war die Topmeldung dieser NEXT, bei der gestern und vorgestern alle irgendwie auf der Suche waren. Und zwar wirklich alle. Es gab gleich zwei Panels mit der Suche nach dem nächsten großen Ding: “What’s next?” und “What is the next big thing?” Da beide Panels gleichzeitig stattfanden, hatte der Besucher nicht die Chance, alle Möglichkeiten zu sehen. Macht aber nichts, denn das nächste große Ding war nicht dabei.
Auf der NEXT wurde das nächste milliardenschwere Startup wie einst Facebook, Twitter oder Instagram in diesem Jahr nicht geboren. Das liegt nicht daran, dass es nicht genug Startups versucht hätten, etwa auf dem hauseigenen Pitch und den NEXT 100, oder dass es an neuen Ideen und Unterstützung gemangelt hätte. Was aber fehlte, war etwa Revolutionäres. Auffälliger war ein ganz anderer Trend: In Sachen Startups wird künftig nichts mehr dem Zufall überlassen. Die einstigen Vorreiter aus Medien und Telekommunikation in Deutschland wollen nicht mehr Zaungast sein, wenn das nächste Gidsy entsteht. Sie wollen auch nicht mehr nur Teil des Ganzen sein, wie die Telekom mit ihrem Investmentarm T-Venture. Das nächste große Ding soll ihnen gehören. Das wird das Ende einer schönen Zeit werden – und dabei werden Millionen versenkt werden.
Klonen deutlich besser bezahlt
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Das ist in Ordnung, das ist sogar eingeplant. Bei vielem wir man sich fragen, was das ganze soll. Und das ist auch gut so, gibt Russel Davies in einem amüsanten Beitrag auf der Konferenz zu verstehen. Titel: “Da ist ein Walross in meinem Kühlschrank und es will die Klappe nicht halten”. Davies wirbt auf ganz charamante Weise für das Internet der Dinge. Er zeigt app-fähige, hölzerne Deko-Eulen oder musizierende Spielzeugmäuse. Wichtig nur: Es muss WLAN-fähig sein. “’Das ist sinnloser Schrott, den niemand braucht‘, wird man euch sagen. Wie man es im übrigen bei jeder technischen Innovation in den vergangenen 20 Jahren gesagt hat.“ Neue Technologien und Trends wie 3D-Modelling und Collaborative Consumption würden wunderschöne Sachen hervorbringen – und wunderschöne Fehler. Polarisierendes und Verpulverung von viel Geld – ein notwendiges Übel, um die Zukunft voranzubringen?
In Deutschland ist der Vorstoß nach wie vor halbherzig. Der Sieger des Startup-Pitches auf der NEXT, Squadmail, erhielt als Hauptpreis eine ideelle Förderung in Höhe von 10.000 Euro. Was allerdings nichts macht, denn der neue Startup-Hub der Telekom – auf der NEXT pompös vorgestellt – hat den Sieger unter seine Fittiche genommen. Das nächste große Ding ist Squadmail aber mit Sicherheit nicht, denn Producteev etwa bietet etwas ganz Ähnliches an. Und finanziell sind das Peanuts im Vergleich zu einer anderen Zahl: Die Samwer-Klonfabrik Rocket Internet erhielt gestern 200 Millionen Euro frisches Kapital von Milliardär Len Blavatnik, um als einer der weltweit stärksten Gründerfonds künftig weiterhin munter Ideen zu kopieren. In beiden Fällen spielen die Geldgeber auf Nummer sicher, nur darf es bei Innovationen nicht so viel kosten.
Startups wollen nachhaltig sein
Damit kein falsche Eindruck entsteht: Das sind alles andere als Horrormeldungen. Startups in Deutschland wird so früh unter die Arme gegriffen, wie nie zuvor. Innovationen werden verfolgt. Es geht nicht nur darum, den Standort Deutschland zu stärken – was in Sachen Web jahrelang kein Thema war – sondern, Dinge zu erfinden, die mit Hilfte des Internet den Fortschritt fördern. Die deutsche AirBnB-Niederlassung weist stolz auf die Nominierung zu einem Nachhaltigkeitspreis hin. Vorhandener Wohnraum wird ausgenutzt, statt dass in Hotels zuätzlicher Raum bereitgestellt werden müsste.
Collaborative Consumption heißt das Trendthema, das auch MeineSpielzeugkiste auf dem NEXT Pitch bewirbt. Das Startup will eine Art Abomodell und Rotation von Spielsachen anbieten. Wenn die lieben Kleinen an einem Spielzeug kein Interesse mehr haben, wird es zurückgeschickt, gereinigt und anderen Familien zur Verfügung gestellt. Nicht das einzige Startup, das auf das Thema Nachhaltigkeit setzt – auch wenn einem Jury-Mitglied Zweifel an der Durchführbarkeit kommen: “Ich kenne das von meinen Kindern: Wenn die einmal loslegen, bleibt nicht viel heil.“
Eine schöne Zeit geht zu Ende
Am Ende des zweiten Tages, von den vielen Eindrücken ziemlich geschafft, hole ich mir einen Kaffee und komme mit einigen Startup-Gründern ins Gespräch. Eine Austausch-Plattform für Journalisten, eine Börse für Profisportler, ein Second-Hand-Mode-Marktplatz für die Nachbarschaft und ein IT-Projekt, das noch so geheim ist, dass mir der Gründer nicht verraten will, was es genau ist. Sie fragen, was ich davon halte, sie diskutieren, sie wollen an ihrer Idee festhalten, sich Geldgeber suchen, sie wollen etwas bewegen. Das ist die freudige Botschaft dieser Konferenz. Ein großes Thema findet man dort zwar nicht, aber es sind viele kleine Trends, die in Angriff genommen werden. Es wird viel Geld versenkt werden, es werden viele Ideen wieder verworfen werden, aber die Chancen sind jetzt deutlich gestiegen, dass in Deutschland wichtige Webprojekte angegangen werden.
Am Ausgang schließlich läuft doch noch ein hektischer Geschäftsmann an mir vorbei, das Handy ans Ohr gepresst, beim Telefonieren fahrig gestikulierend: „… und dann müssen wir das deployen und möglichst schnell distributen…“ Es kann Zufall gewesen sein, es kann aber auch andeuten, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen wird: Gute Ideen werden konzerniert und der Vermarktungsmaschinerie in die Hände fallen. Die Charme und die Coolness junger Startups dürfte dabei verloren gehen. Und damit eine künstlerische Herangehensweise an Problemlösungen, neue Wege der Arbeitsorganisation, Gründer mit Popstar-Status und Milliarden in Aktienoptionen. Oder glaubt ihr ernsthaft, dass diese neuen deutschen Inkubatoren ein hippes, künstlerisch inspiriertes Startup ohne klares Geschäftsmodell am Anfang mit viel Geld fördern werden, so wie Soundcloud eines ist? Das ist unwahrscheinlich und deswegen könnte sich diese schöne, hippe, teils anarchische Zeit der vergangenen Jahre dem Ende entgegen neigen. Das ist schade, aber im Grunde haben wir alle gewusst, dass es nicht für immer so weitergehen konnte.
(Jürgen Vielmeier)