Selbst der „Spiegel“ hievte heute das Social Network mit seinen mehr als 900 Millionen Nutzern auf die Titelseite: Facebook will in zehn Tagen an die Börse gehen und dabei 12 Milliarden US-Dollar einsammeln. Es gibt dennoch immer mehr kritische Stimmen, die einen Börsengang zu diesem Zeitpunkt für gewagt halten. Das Netzwerk dürfte das Geld wert sein, aber astronomische Wertsteigerungen sind da nach zuletzt schwächerem Umsatzwachstum nicht zu erwarten. Facebook ist im Prinzip schon zu groß für einen Börsengang.
Am vergangenen Wochenende zumindest hat das Unternehmen aus Menlo Park, Kalifornien, die People-Discovery-App Glancee gekauft. Glancee ist eine Art Freundefinder, die dabei helfen soll, neue Menschen mit ähnlichen Interessen zu finden. Vielleicht sogar in der unmittelbaren Umgebung, so dass man Freundschaften auch im echten Leben schließen und auf Facebook pflegen kann. Es ist eine clevere Übernahme: Facebook erwirtschaftet den Hauptteil seines Umsatzes über Werbung, muss also künftig auf Klasse statt Masse setzen. Die Nutzer müssen mehr Zeit auf Facebook selbst verbringen, damit sie möglichst viel Werbung konsumieren können.
Baustelle Facebook
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Allerdings ist genau das das Problem: Gefühlt hat das Interesse an Facebook in meinem Freundeskreis seit dem Start der neuen Chronik nachgelassen. Zu unübersichtlich, technisch unausgereift, eigentlich nur für extrovertierte Menschen gedacht. Man spürt ein nachlassendes Interesse der Freunde, alles mit allen zu teilen und vor allem den Quatsch zu lesen, den geltungssüchtige Menschen und immer mehr langweilige Unternehmen dort veröffentlichen. Und auch vor dem Unternehmen Facebook und seine Datensammelwut schrecken die Mitglieder zusehends zurück. Deutsche Nutzer zwangen Facebook unlängst dazu, die Nutzungsänderungen erneut zu ändern.
Eine weitere Baustelle ist meines Erachtens das Thema mobile Apps. Die fielen mir zuletzt unterwegs vor allem durch ihre schier unendlichen Ladezeiten auf, was nicht gerade für die gewollte „Mobile First“-Strategie des Unternehmens wirbt. An die Unübersichtlichkeit der Website hatte man sich eigentlich schon gewöhnt, aber Facebook schafft es tatsächlich regelmäßig, sie noch weiter zu erhöhen. Immerhin der Kurznachrichten-Ticker in der rechten Seitenspalte – einst mit viel Vorschusslorbeeren eingeführt – ist inzwischen standardmäßig ausgeblendet.
Schnäppchen?
Für Mark Zuckerberg und sein Team muss es jetzt verstärkt darum gehen, die passiv gewordene Masse wieder zu aktivieren. 900 Millionen und bald 1 Milliarde Nutzer sind bemerkenswert. Man nimmt aber zu wenig Geld ein, wenn man sie nicht mehr auf die Plattform lockt, ihnen begeisternde Dienste anbietet und sie damit auch Werbung konsumieren lässt. Die Übernahme von Instagram kürzlich und jetzt Glancee zeigt da in die richtige Richtung. Clever war die Übernahme auch deswegen, weil Glancee bislang einer der weniger bekannten Freundefinder auf dem Markt ist und deswegen weniger gekostet haben dürfte. Das größte Medieninteresse haben bislang die ähnlich funktionierenden Apps Uberlife und vor allem Highlight auf sich vereidigt. Glancee selbst wird in Facebook aufgehen und wohl abgeschaltet werden. Das Team ist bereits in Facebook-Hauptquartier umgezogen und darf am 17. Mai beim Börsengang mitfiebern.
Und der wird in der Tat spannend werden. Wird Facebook die hohen Erwartungen erfüllen können oder eher an Wert verlieren, wie andere spektakuläre Börsengänge von Internetunternehmen wie Groupon und Zynga? Selbst ein Platzen der Blase wird spekuliert. Deckt euch auf jeden Fall mit Popcorn ein!
(Jürgen Vielmeier)