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Yahoo: Über Lebensläufe, Lügen, Fehler und Moral


Amüsant, das ist es, wie ich die Diskussion über Scott Thompsons nicht ganz korrekten Lebenslauf finde. Gefühlt die halbe Technikwelt schmeißt gerade mit Steinen auf Yahoo und seinen aktuellen Chef. Denn, hättet ihr’s für möglich gehalten? Der Mann hat gar keinen Abschluss in Buchhaltung und Informatik, sondern nur in Buchhaltung. Erworben im Jahre 1979 am Stone Hill College in Massachusetts. Den Kritikern geht es aber weniger um den Titel an sich, als um Yahoos Glaubwürdigkeit, denn Thompson ist kein Einzelfall. Auch Vorstand Patti Hart hat ihren Titel leicht korrigiert, von einem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre in einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und Marketing.

Eine simple Google-Recherche entlarvte, dass Thompson nur einen Abschluss in Buchhaltung hat. Das Stone Hill College bestätigte das und fügte hinzu, dass es erst seit 1983 einen Abschluss in Informatik anbietet. Seit zehn Jahren bereits wirbt Thompson mit diesem Abschluss. Investor Dan Loeb, der 5,8 Prozent der Yahoo-Aktien hält, deckte den Fall auf. In einem offenen Brief wandte er sich deswegen an das Yahoo-Board, wirft ihm Unehrlichkeit vor und fordert es zum Handeln auf. Die Reaktionen bei uns heute Morgen in der Reaktion rangieren zwischen „Na und?“ und „Skandal!“

Yahoos Ethikcode von höchster Stelle verletzt

Dann hat er eben seinen Lebenslauf ein bisschen aufgehübscht – macht jeder. Er hat ja einen Abschluss, nur eben keinen in Informatik. Die ganze Geschichte liegt länger zurück als manch ein Technikreporter alt ist. Was man im Studium gelernt hat, kann man danach im Berufsleben sowieso nicht mehr brauchen, so eine ironische Faustregel. Was gestern war, war gestern. Sogar ein ehemaliger Alkoholiker kann es wenig später zu zwei Amtszeiten als US-Präsident bringen. Und 30 Jahre Erfahrung als Führungsperson sind das, was wirklich zählt.

Aber eben das ist das Problem. Wer glaubt Thompson denn jetzt noch, dass er nicht auch irgendwo anders in seinem Lebenslauf geschummelt hat? War er als CIO bei Barcleys Global Investors wirklich in der Technik aktiv oder mehr mit Finanzen beschäftigt? Und wo kommen wir eigentlich dahin, dass jeder Manager, der Millionen im Jahr verdient, nach Lust und Laune seinen Lebenslauf aufhübschen darf, nur um besser auszusehen? Während dessen muss jeder kleine Yahoo-Angestellte brav seine beglaubigten Abschlusszeugnisse vorlegen und sich an einen Ethikcode halten (PDF), wenn er nicht gerade gefeuert wird. Es geht um mehr als nur einen simplen, unbeabsichtigten Fehler. Es geht auch um „Die da oben, wir hier unten“.

Loeb wollte Fehler finden und fand welche

In Thompsons Kurzbiografie auf der Yahoo-Website ist die Information über den Studienaufenthalt inzwischen verschwunden. Yahoo bestätigt die Fehlinformation und nennt sie „einen unabsichtlichen Fehler“. Jetzt steht dort nur noch, Thompson habe langjährige Erfahrung mit der Führung von Technologie- und Internetunternehmen, zuletzt als Präsident von PayPal. Die ganze Geschichte hat allerdings noch ein anderes Geschmäckle, denn Loeb geht schon seit einiger Zeit hart mit der aktuellen Yahoo-Führung ins Gericht. Er will selbst in den Yahoo-Vorstand einziehen. Man kennt es aus dem US-Wahlkampf: Wer bei seinen Gegner Fehler finden will, und seien es nur Kleinigkeiten, der findet natürlich auch welche.

Aktuell sucht Yahoo übrigens neue Mitarbeiter, etwa als Senior Software Engineer. Mindestanforderung: ein Abschluss in Informatik.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Yodel Anecdotal (CC BY 2.0))

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

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