Das Startup-Blog Gründerszene hat am Wochenende eine Insider-Story über die deutsche Dependance des Schnäppchendiensts Groupon veröffentlicht. Die Geschichte würde einen dunklen Schatten auf das börsennotierte Unternehmen werfen, ebenso auf die Geschäftspraktiken von Oliver Samwer und auch die Startup-Szene an sich: Mobbing, 70-Stunden-Wochen, „asoziales Verhalten“ bei Kündigungen, Gehirnwäsche im Sales-Bereich, Händler, die einen psychischen Schaden davon getragen haben. All das wirft Gründerszene Groupon vor.
Allerdings kaufen einige Leser Gründerszene die Kritik nicht ab, denn das Blog gehört der Groupon-Konkurrenz. Und die befindet sich seit einigen Monaten ebenfalls in einem bizarren Krieg um Lieferplattformen. In Berlin wird derzeit zwischen einigen Startups und Finanziers scharf geschossen.
Es sind immense Vorwürfe gegen die Groupon GmbH, die deutsche Tochter der US-Schnäppchenplattform Groupon. Und es gibt zu viele gleich klingende Beschwerden, als dass man sie als Einzelfälle abtun könnte. Ein paar Beispiele:
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- Kündigungswellen mit Terminen gerne zum Ende der Probezeit. Einigen Sales-Mitarbeitern sei eine Wiederanstellung angeboten worden, wenn man bestimmte Ziele in vorgegebener Zeit erreiche.
- Eine neue Mitarbeiterin verließ nach einer Zusage bei Groupon eine langjährige Stelle in ihrem alten Unternehmen, um am darauffolgenden Montag von Groupon gekündigt zu werden.
- Ein Bewerber für eine Stelle als Online-Marketer fand seine Probetexte online wieder, ohne dafür Geld zu sehen oder vorab informiert worden zu sein.
- Eine selbständige Masseurin soll nach dem Verkauf von 907 Massagen auf Groupon heute arbeitsunfähig sein und Psychopharmaka nehmen müssen, nachdem Groupon-Geschäftsführer Thorsten Schröppe bei dem gut laufenden Angebot die Deckelung persönlich entfernt habe.
Gründerszene hat bereits im Februar über Missstände bei Groupon berichtet und Mitarbeiter gebeten, sich per Mail zu melden. Der jetzige Beitrag bezieht sich laut Chefredakteur Joel Kaczmarek auf Mails von Mitarbeitern, Kommentare unterhalb des Beitrags und Einträge über Groupon bei der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Weil der Redaktion dies für eine Recherche nicht ausgereicht habe, seien allerdings auch mit Mitarbeitern und Management Recherche-Gespräche geführt worden sein. Viele Kommentatoren halten Gründerszenes Beitrag dennoch für unglaubwürdig. An Kritik an der Redaktion wird dabei nicht gespart. Von „verweichlichten Mitarbeitern“ ist dort die Rede und von Vorwürfen, die Beschuldigungen seien aus der Luft gegriffen.
Razzia bei Lieferheld
Gründerszenes Problem ist in diesem Falle der eigene Inhaber, die von Team Europe mitfinanzierte Vertical Media GmbH. Team Europe ist ein direkter Konkurrent von Groupons Förderer Rocket Internet der Samwer-Brüder. Beschwerden über Team-Europe-Startups gebe es bei Gründerszene natürlich nicht oder nur selten, monieren einige Kommentatoren. Da seien ihm einfach kaum welche jemals zugetragen worden, antwortete Kaczmarek darauf.
Beschwerden über die von Team Europe finanzierte Essensplattform Lieferheld gibt es dafür von anderer Seite: Sie soll den kleineren Konkurrenten Lieferando mit DDoS-Angriffen lahmgelegt haben. Die Polizei führte deswegen am Mittwoch in Berlin eine Razzia bei Lieferheld durch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die vier Gründer wegen des Verdachts auf Computersabotage. Es geht Lieferando auch um Schadenersatz in Millionenhöhe. Der Anbieter trifft sich zuletzt häufiger vor Gericht im Kampf mit Delivery Hero/Lieferheld und dem Konkurrenten Pizza.de. Ein Geschmäckle dabei: Lieferando kooperiert wiederum mit Groupon. Gekämpft wird hier mit harten Bandagen. Beide Fälle offenbaren:
- Es herrscht Krieg in der Startup-Branche, und der wird häufig auch auf auf Kosten der Mitarbeiter ausgefochten. Ähnliche Berichte wie oben las man im vergangenen Dezember über Zynga. Da aber könnte Konkurrent EA die Fäden hinter der Geschichte gezogen haben.
- Schnelles Wachstum wie bei Groupon führt unweigerlich zu Problemen. Das inzwischen börsennotierte Unternehmen fiel bereits in der Vergangenheit mit Fehlern in der Bilanz auf und sorgt mit Beispielen wie oben nicht gerade für einen besseren Ruf.
- Gründerszene hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Auch wenn die Beispiele oben für mich echt erscheinen und teils aus der externen Quelle Kununu recherchiert wurden, bleibt ein leichter Beigeschmack aufgrund der Teilhabe durch Team Europe. Dass man einerseits über Startups schreibt und andererseits von einem Startup-Investor mitfinanziert wird, kann dem Blog bei kritischen Berichten immer wieder vorgeworfen werden. Aus dem gleichen Grund wurde Startup-Finanzier Michael Arrington im vergangenen Jahr durch AOL aus seinem eigenen Blog Techcrunch geworfen. Erst vor zwei Wochen war Gründerszene die einzige Quelle für angebliche Probleme beim Samwer-Klon Pinspire.
Stimmen allerdings auch nur einige der Vorwürfe gegen Groupon, gehen mir langsam die Argumente für Oliver Samwer aus. Seine vielen Startup-Klone entschuldigt er damit, dass er Arbeitsplätze im Web-2.0-Bereich schaffe. Aber was nützt den Mitarbeitern ein solcher Arbeitsplatz, wenn er nur für einige Wochen zur Verfügung steht oder dem Ruderplatz in einer Galeere gleicht? Ironie dieser ganzen Geschichte: Gründerszene hat Oliver Samwer nach der Wahl einer unabhängigen Jury im vergangenen September noch zum „Gründer des Jahrzehnts“ erklärt. Das spräche wiederum für die Unabhängigkeit des Blogs.
(Jürgen Vielmeier)