Seit nunmehr fünf Monaten teste ich Windows Phone in der aktuellen Version 7.5 auf einem Lumia 800. Und langsam reicht’s. Ich mag das Design des Phones und mir gefiel auch der frische Ansatz von Windows Phone. Nach zwei Jahren iPhone und ziemlich viel Frust über iOS 5 wollte ich mal etwas Neues. Nach ein paar Monaten, in denen ich beide Phones parallel betrieb, aber kam irgendwann der Tag, an dem ich mir sagte: Genug experimentiert – zurück zum iPhone. Und das, obwohl mein iPhone 3GS in letzter Zeit eine Reaktionszeit hat wie eine 20-jährige Katze. Wie konnte es so weit kommen, dass ich ein langsames iPhone einem Windows Phone vorziehe?
Es war ein Bauchgefühl, und ich hab mich lange Zeit schwer getan, herauszufinden, woran das eigentlich liegt. Es ist weder das Fehlen einer Killerfunktion. Es ist der Gesamteindruck. Windows Phone 7.5 ist ein System, das sehr viel mit sich selbst beschäftigt ist, das immer noch viele Kinderkrankheiten hat und das den Nutzer Umwege laufen lässt, nur um seine Schönheit darzustellen. Das sieht auch nach fünf Monaten noch hübsch aus – und es kann einem furchtbar auf die Nerven gehen.
Die vielen Kleinigkeiten, die nerven
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Ja, es stimmt. Windows Phone 7 ist erst seit anderthalb Jahren auf dem Markt und das Mango-Update (7.5) vor einem halben Jahr hat vieles verbessert. Allerdings haben wir mittlerweile das Jahr 2012. Und als jahrelanger Nutzer von iOS oder Android hat man kein Verständnis dafür, dass man bei Windows Phone jetzt noch einmal ganz von vorne anfangen soll. Wieder mit Kinderkrankheiten. Was soll das, fragt man sich als Anwender: Lernt ihr bei Microsoft denn nicht aus den Fehlern anderer?
Es sind die vielen Kleinigkeiten, die bei Windows Phone keinen Spaß machen und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass andere Systeme ebenfalls Fehler haben. Einmal eine kleine Auswahl:
- Die winzigen, nichtssagenden Symbole etwa zum Verschicken einer Kurznachricht, bei denen man immer wieder daneben tappt und die man auch nach Wochen noch intuitiv falsch verwendet, weil man einfach nicht erkennt, was sie darstellen sollen.
- Es gibt keine Notifications wie bei Android, iOS und mittlerweile sogar Symbian (Nokia) Belle. Auf dem Sperrbildschirm wird lediglich die Zahl der eingegangenen Nachrichten und Telefonate angezeigt, aber nicht Absender oder Inhalt. Übrigens auch nicht in den viel gelobten Live-Tiles. Man muss erst die App öffnen, um sich über den Inhalt zu informieren.
- Und überhaupt: Was ist so toll an diesen Live-Tiles und was können sie, was ein Android-Widget nicht kann? Nur wenige Apps nutzen darüber hinaus die hoch gelobte Live-Tile-Funktion, mit der sie Informationen aus dem Inhalt auf den Startbildschirm holen. Sinnvolle Anwendungen der Möglichkeit findet man nur wenige. Vieles bewegt sich nur, damit sich was bewegt.
- Multitasking funktioniert so leidlich. Hält man den Zurück-Button gedrückt, lässt sich zwischen den letzten geöffneten Apps hin- und herswitchen. Nur wenige davon aber bieten die Möglichkeit, an eben den Punkt zurückzukehren, an dem die App gerade war. Ein Öffnen über das Menü startet die App jedes Mal neu und der vorherige Speicherpunkt geht verloren.
- Mit fehlt die Möglichkeit, Screenshots zu erstellen, wie das bei iOS und inzwischen auch Android per Knopfdruck möglich ist. Das ist ein sehr beliebtes, praktisches Feature, dessen Bedeutung Microsoft nicht unterschätzen sollte.
- Die hoch gelobte Kontakte-App für den Startbildschirm ist im Endeffekt nichts als ein unübersichtliches Facebook-Adressbuch, das es oft nicht schafft, Facebook- und Adressbuchkontakte zusammenzufassen. Auf dem Startbildschirm blinken bunte Bildchen der Kontakte scheinbar wahllos auf, ohne einem erkennbaren Zweck zu dienen.
- Ja, der Windows Phone Marketplace mit seinen mittlerweile mehr als 80.000 Apps hat aufgeholt. Und doch wundert man sich, wie viel mehr Masse als Klasse auch hier inzwischen vorherrscht. Barcode-Scanner, Diagnose-Tools und Lite-Versionen irgendwelcher absurder Spiele gibt es mehr als die Welt benutzen kann.
- Dass Microsoft die Auflösung auf 800x480px festgeschrieben hat, verhindert eine unschöne Versionsfragmentierung wie bei Android. Mittlerweile wirkt das im Vergleich zu neuesten Android-Phones aber bevormundend, gerade bei einem Windows Phone wie dem HTC Titan mit dessen 4,7-Zoll-Bildschirm. Man kommt sich vor, als hätten die Entwickler bei Microsoft das System zuerst für Senioren entwickelt und würden jeden Nutzer als einen solchen betrachten.
Die angeblich tiefe Integration von Facebook in das System hält mit dem Social Network nicht mit. Fotos direkt an das Netzwerk zu schicken, funktionierte bei mir nur in zwei von drei Fällen auch trotz einer Erfolgsmeldung. Seinen Freunden kann man über den People Hub nur auf die Pinnwand schreiben, aber keine private Nachricht absetzen. Schreibt man dort eine Statusmeldung, kann man diese nicht mit einer Ortsangabe oder einem Link kombinieren. Ein Facebook Connect wie auf dem iPhone, bei dem man sich einfach mit Facebook in verschiedene Apps einloggen kann, gibt es für Windows Phone noch nicht. Und wenn man so viel anders ist als das iPhone, warum ist man dann ähnlich restriktiv, erlaubt etwa einen Zugriff auf die eigenen Dateien nur mittels eine Synchronisation (Zune, Windows Phone Connector)?
Zu sehr mit sich selbst beschäftigt
Ein Besuch im Marketplace zeigt das ganze Dilemma komprimiert: Die App öffnet spektakulär animiert und zeigt ein interessantes Hintergrundbild. Will ich mich nach neuen Apps umsehen, muss ich aber zunächst ein Untermenü öffnen, dort die omnipräsente „MeineStadt“-App zur Seite schieben und dann erst eine der Kategorien aufrufen, die eine schier unsortierte und endlose Zahl von Apps anzeigen. Man fühlt sich hier im Stich gelassen, nur damit das System seine Schönheit offenbaren kann.
Und ja, das nimmt man den Entwicklern irgendwann übel. Windows Phone ist anders, es hat die Möglichkeit, iOS und Android in Sachen Benutzerfreundlichkeit den Rang abzulaufen. Aber bisher ist es zu verspielt und einfach noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Beliebte Anwendungen wie WhatsApp hängen den Versionen von Android und iOS um einige Versionsnummern hinterher. Etwas weniger Spielplatz, etwas weniger Schnickschnack, etwas ernsthaftere Anwendungen und man könnte noch einmal die Kurve kriegen. Ich halte Windows Phone nicht für gescheitert, aber es hat ein massives Update nötig – dann kann man sicher noch Smartphone-Neulinge für sich begeistern. Aber erfahrene Android- oder iPhone-Nutzer von ihren Geräten weglocken? Unter den bisherigen Voraussetzungen niemals! Nicht dauerhaft.
Fünf Monate mit Windows Phone haben bei mir eine gespaltene Persönlichkeit hinterlassen. Lest deswegen unbedingt auch den anderen Teil dieser Geschichte, bevor ihr urteilt: Windows Phone – eine Liebeserklärung.
(Jürgen Vielmeier)