Microsoft gründet eine eigene Tochtergesellschaft, die sich um die Open-Source-Aktivitäten des Softwarekonzerns kümmern soll. Die Gesellschaft wird Microsoft Open Technologies Inc. heißen und größtenteils aus dem bisherigen Interoperability Strategy Team bestehen. Chef der 50- bis 75-köpfigen Truppe wird Jean Paoli, der bisherige Chef des Interoperability Teams.
Und was mich an dieser Meldung am meisten wundert, ist, dass mich das überhaupt nicht wundert. Vor zehn Jahren wäre das eine Sensationsmeldung gewesen. Inmitten des vergangenen Jahrzehnts hat Redmond dann umgeschwenkt und unter anderem mit dem Linux-Anbieter Novell kooperiert – um sich in einer schwachen Phase des einstigen Konkurrenten vergleichsweise günstig einen ganzen Reigen von dessen Patenten zu sichern. Mittlerweile ist Microsoft ja sogar schon so weit, dass man Linux zum Geburtstag gratuliert oder sich zum Valentinstag als offener Heiratskandidat präsentiert. Jetzt muss sich noch zeigen, dass Microsoft mehr im Open-Source-Bereich erreichen will als gute Presse. Gründe dafür gibt es durchaus.
Offen für eigene Vorteile
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Wie Paoli erklärt, unterstützen das alte und das neue Team offene Webstandards wie HTML5 und HTTP 2.0, die Cloud-Standards DMTF und OASIS, das Javascript-Framework Node.js, die Datenbank MongoDB und die mobile Entwicklungsumgebung Phonegap/Cordova. Die Initiative arbeite außerdem daran, Entwicklern die Nutzung von Node.js, PHP und Java in der eigenen Azure-Plattform zu ermöglichen, statt nur der eigenen .NET-Umgebung. Für Windows Phone solle außerdem an einer Integration der Javascript-Bibliothek jQuery und anderer Bibliotheken gearbeitet werden.
Open-Technologies-Chef Jean Paoli
Wer genauer liest, wird feststellen, dass die ach-so-offene Initiative natürlich vornehmlich Microsofts eigenen Interessen dient. Phonegap/Cordova etwa erlaubt es Entwicklern, mobile Anwendungen auf Basis von HTML5, JavaScript und CSS 3 zu schreiben, statt nur auf Basis von .NET-Sprachen. So bringt man mehr Entwickler dazu, Apps für Windows Phone zu programmieren. Durch die Unterstützung offener Webstandards kann Microsoft die Zukunft des Webs mitschreiben – auch in Hinblick auf die eigene Webstrategie. Weniger offen ist Microsoft etwa, wenn es um die Bing-Such-API geht. Hier kosten Abfragen ab einem bestimmten Schwellenwert (wahrscheinlich 20.000 Aufrufe) künftig Geld. Die der Konkurrenz Amazon und Google aber auch, wie man fairerweise ergänzen muss.
Steckt mehr dahinter?
Die Hinwendung zu offenen Standards könnte auch einfach aus der Not heraus geboren sein. Als Microsoft in den späten 1990er Jahren anfing, sich für das World Wide Web zu interessieren, ging es dem Konzern hauptsächlich darum, eigene Standards zu entwickeln, die bestehenden Lösungen sehr ähnlich waren. Als Beispiel sei hier die an JavaScript angelehnte Sprache JScript genannt. Möglicherweise hat man bei Microsoft wirklich eingesehen, dass man mit Eigenentwicklungen bestehender guter Lösungen heute niemanden mehr für sich begeistern kann. Man ist nicht mehr der Star am Software-Himmel, für den vor 15 Jahren jeder nach Redmonds Fasson programmieren musste. Heute ist es anderes herum: Microsoft muss im mobilen Bereich bei Marktanteilen weit unter 10 Prozent vielmehr darum betteln, dass sich überhaupt noch Entwickler um Windows Phone kümmern, statt um Android und iOS.
Dann stellt sich aber doch die Frage, wie ernst die Idee hinter Microsoft Open Technologies gemeint ist. In einem Konzern mit 90.000 Mitarbeitern 50 bis 75 Männeken dafür abzustellen, die Weichen für die Zukunft zu stellen, wirkt wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Vielleicht ist das alles doch nicht viel mehr als ein Werbegag.
(Jürgen Vielmeier, Bilder: Microsoft)