Yahoos neuer Chef Scott Thompson hat gestern in einem internen Rundschreiben eine neue Strategie angekündigt, die so revolutionär ist, dass sie mir fast die Latschen auszieht: Künftig soll der Kunde im Fokus stehen. Thompson schreibt, man dürfe sich nicht mehr so sehr um sich selbst drehen:
Wenn wir mit Yahoo in unserem Kerngeschäft gewinnen wollen, muss für jeden einzelnen von uns der Kunde an erster Stelle stehen.
Um das noch einmal zu unterstreichen, wird es künftig drei neue Unternehmssparten geben: Endkunden, Regionalportale und Technologie. Umsätze will Yahoo über seine drei Regionalangebote Amerika, Europa/Naher Osten und Asien-Pazifik generieren. Die wichtigsten Kunden seien dabei Werbetreibende und Agenturen. Für sie müsse das Sales-Team alles tun, ihnen praktisch jeden Wunsch von den Augen ablesen. Kunden seid demnach also nicht ihr, die Nutzer, die mal freundlicherweise kurz beim Webdinosaurier vorbei schauen. Es sind die, die das Geld einbringen. Und das ist das Problem.
Besucher künftig nicht mehr so wichtig
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Denn so viel Geld kommt durch das Werbegeschäft nicht mehr herein. Yahoos Such- und Werbegeschäft schrumpft. Die Umsätze gingen im vergangenen Quartal zurück, Thompson kündigte vergangene Woche an, 2.000 der 14.000 Mitarbeiter zu entlassen. Und das solle erst der Anfang sein. Eine Schlüsselrolle soll der neuen Untergruppe „Commerce“ zufallen, die Anzeigenkunden eine höhere Kapitalrendite verschaffen sollen: Autos, Shopping, Reisen und Jobs.
Mit anderen Worten: Es geht ums Geld. Interessant ist künftig maßgeblich, wer möglichst viel Umsatz generiert, nicht mehr, wer die Angebote nutzt. Das ist aber nicht kundenfreundlich, das geht an den wichtigsten Kunden vorbei.
Die Preisfrage lautet: Warum noch?
Nach Thompsons neuer Strategie soll Yahoo künftig ein Medienunternehmen werden. Content soll King bleiben. Man werde die Möglichkeiten vertiefen, wie man die wichtigsten Bereiche Homepage, Nachrichten, Finanzen, Sport und Unterhaltung möglichst vielen Menschen anbieten kann. Als Paradebeispiel nennt der neue Chef hier die iPad-App Livestand, die mit Apples Content-Angebot konkurriert. Andere Dienste wie Mail oder Flickr – die eigentlichen Yahoo-Highlights – fallen künftig in die weniger wichtige Unterabteilung Connections.
Thompsons Maßnahmen dienen recht eindeutig der Strategie, das Unternehmen weiter umzubauen und – möglichst blumig ausgedrückt – zu verschlanken. Die Trennung der Bereiche macht es künftig leichter, einzelne Dienste zu verkaufen oder einzustellen. Und das wird todsicher passieren. Andererseits: Warum auch nicht? Yahoo hat keine eigenständige Suche mehr. Der Fokus auf Content und die wenigen noch verbliebenen eigenen Dienste stellen das Angebot auf eine Stufe mit Nachrichtenangeboten. Reuters ist großzügig und stellt Yahoo noch auf eine Stufe mit Google und Facebook. So wie sich Yahoo zuletzt aufstellt, dürften die Konkurrenten eher „New York Times„, AOL oder in Deutschland „Spiegel Online“ sein. Und da kann Yahoo nicht gegen gewinnen. Nicht, wenn die Besucher nicht mehr im Vordergrund stehen.
Aber wozu überhaupt noch Yahoo? Welche Dienste des Interneturgesteins sind unverzichtbar? Was würde dem Web fehlen ohne Yahoo? Postet die Lösung zu unserer heutigen „Preisfrage“ unten in den Kommentaren.
(Jürgen Vielmeier, Bildmontage: BT/Yahoo)