Aprilscherze sind inzwischen für jeden als solche erkennbar. Satiriker „Der Postillon“ boykottierte gestern den 1. April aus Protest und kehrte den Trend damit um. Und heute, am 2. April, liest man zahlreiche Meldungen, die doch um Himmels Willen nicht echt sein können: Kim Dotcom nimmt ein Musikalbum auf, CDU und CSU gründen CNetz, einen eigenen Netzverein. Foxconn-Mitarbeiter sind unglücklich darüber, dass sie künftig wahrscheinlich weniger arbeiten müssen.
Inzwischen schlägt die Stimmung um. Viele Leser sind von Aprilscherzen nur noch genervt. Warum? Weil wir in einem Tollhaus leben und es täglich mehr als genug Satire gibt. Die eigentlichen Helden des 1. April sind deswegen Autoren wie Markus Spath von Netzwertig und die Redaktion von tip Berlin, die am Tag vor dem 1. April schon bierernst auf ein neues Angebot im Netz hinweisen: Demonstranten mieten. Ist das echt?
Gegen Nichtraucher und Stuttgart21-Gegner
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Berechtigte Frage. Denn der 1. April ist nun vorbei, die Seite immer noch online. In der Optik des Social Networks Pinterest bieten sich auf DemonstrantenMieten.de Aktivisten für jedes Thema und jede Gelegenheit an. Jupp S. etwa demonstriert deutschlandweit gegen Autobahnmaut, Nichtraucher, Grüne und Stuttgart21-Gegner. Josh gegen ACTA, Buchpreisbindung und Tierversuche. Peter Faust, der in Bremen gegen das DSF (inzwischen Sport1) protestiert, ist mit 300 Euro Tagessatz einer der teuersten.
Satire? Aprilscherz? Wer weiß das schon sicher in einer Welt, in der junge Leute sich gleich selbst versteigern?
Der Mann hinter DemonstrantenMieten.de ist Tim Rohrer. Ihm kam die Idee dazu, als er einen Beitrag über eine Frau las, die angeblich hauptberuflich als Demonstrantin arbeitet. Am Telefon berichtete er mir gerade von bereits einigen weniger ernst gemeinten Bewerbungen für das Portal und einer, bei der er sich nicht ganz sicher war. Sollte eine ernst gemeinte Anfrage kommen, „müsste ich mal sehen, wie ich das organisiere“, so Rohrer – der seine Demonstrationskünste für 10 Euro die Stunde auch selbst anbietet.
Er reagiert damit auf einen Trend in jüngerer Zeit, in der das Mieten von Demonstranten inzwischen Tradition hat: Ende 2006 heuerten Mediziner für einen Ärztestreik Arbeitslose an. Ein Jahr später suchte eine Agentur auf der Mietplattform Erento angeblich Demonstranten für den New-York-Besuch von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Jubelperser sozusagen. Für Großveranstaltungen wie Castor-Transporte bietet DemonstrantenMieten.de Mengenrabatt an. Geld verdienen will Rohrer über die seit heute wieder anfallende Vermittlungsgebühr. Und dann hat er noch seine eigentliche Firma, die Maracuja GmbH heißt. Ist die denn nun ganz sicher echt?
Wer weiß das schon…
(Jürgen Vielmeier)