Wo fing das alles eigentlich an und warum? Fragt man Dan Lyons, müsste Neid der Faktor gewesen sein:
Es ist hart, ein Journalist zu sein, besonders wenn du über Technik schreibst und im Silicon Valley wohnst, weil dann jeder um dich herum furchtbar reich ist, während du in einem Job festhängst, der dich niemals auf einen grünen Zweig bringen wird. Und was noch schlimmer ist: diese Leute um dich herum scheinen nicht schlauer zu sein als du, tatsächlich scheinen einige davon überhaupt nicht schlau zu sein.
Damit begann Lyons einen Rundumschlag gegen die Hofberichterstattung im Silicon Valley. Es ging vor allem gegen Techcrunch-Gründer Michael Arrington und dessen Sprachrohr MG Siegler. Lyons beklagt, die beiden hätten ein System aufgebaut, in dem sie sich mit Investoren ins Bett legen. Seit sie selbst mit Investorengeld einen Techfonds auflegten, würden sie zu wohlwollend über Startups schreiben, an denen sie selbst beteiligt sind. Was folgte, war eine Schlacht mit schmutzigen Kissen, die jeden Techblogger und Leser nachdenklich machen sollte.
Interessenkonflikt? Ach wo denn.
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Arrington war im vergangenen Jahr nach viel Geschrei aus seinem eigenen Blog Techcrunch geworfen worden, einem der meist gelesenen, wenn nicht dem meist beachteten Techblog der Welt. Der Grund war, dass er einen Fonds namens „Crunchfund“ aufgelegt hatte, mit dem er selbst in Startups investieren wollte. Auch in solche, über die er und sein Team selbst schrieben. Ein Interessenkonflikt? Iwo, man liebe einfach Technik und sei nicht bestechlich, sagte Arrington damals und schreibt er auch jetzt als Antwort auf Lyons Schimpftirade. Nachdem AOL Techcrunch und die Huffington Post übernahm, wurde Arianna Huffington die Chefin von Techcrunch. Sie sah es anders als Arrington und warf ihn raus.
Techcrunch-Gründer und Investor Michael Arrington
Dass Blogger der meist gelesenen Magazine offen ihre Meinungsverschiedenheiten austragen, ist nichts Neues. Auffällig und anders als früher ist jetzt der Versuch, den jeweils anderen der Lüge zu bezichtigen und ihn zu diskreditieren. Aktueller Zankapfel ist das Startup Path, das vergangene Woche zugeben musste, die iPhone-Kontakte seiner Nutzer auszulesen und zu speichern. Für den „New York Times“-Blogger Nick Bilton war das nur die Spitze des Eisbergs. Das System habe Methode bei vielen Startups, schrieb er in seiner Sonntagskolumne.
„Das Meiste, was in Techblogs steht, ist Mist“
Michael Arrington antwortete in seinem neuen Blog Uncrunched, Bilton habe da was falsch verstanden, als er schrieb, Path erlaube es korrupten Regierungen Daten zu kaufen. Bilton hatte versucht zu erklären, dass Path die Möglichkeit dazu hätte. MG Siegler nahm diese kleine Ungenauigkeit allerdings als Steilvorlage, Bilton Unwissenheit zu unterstellen – und dem ganzen Technikjournalismus einen Rundumschlag in epischer Länge zu verpassen. Tenor: Das meiste, was in Techblogs stehe, sei unreflektiert, viele würden nicht recherchieren oder gar nachdenken. Und am Ende fände man 25 Mal denselben Text an verschiedenen Orten, schrieb Siegler. Früher sei er ja selbst Teil des Ganzen gewesen und habe daran nichts Anstößiges gefunden. Aber nun, als Investor, habe er eine bessere Sicht auf die Dinge.
Techblogger und Investor MG Siegler – wurde vielen bekannt als der Mann, dessen obiges Profilfoto Google Plus kommentarlos löschte.
Das ließ denn nun Dan Lyons den Kragen platzen. Der Journalist, der als Fake Steve Jobs bekannt wurde, nahm sich Siegler und Arrington zur Brust. Lyons warf ihnen vor, sie hätten sich kaufen lassen und teilweise mit Falschinformationen Entscheidungen beeinflusst. Arrington-Gegnerin Kara Swisher vom rivalisierenden Techblog „All Things D“ pflichtete ihm in einem Kommentar bei. Das Niveau habe man nicht nötig, antwortete Arrington brüskiert. MG Siegler ließ sich zu einer niederträchtigeren, persönlicheren Kritik hinreißen. In Anspielung auf ein Zitat aus dem Film „Moneyball“ schrieb er: „Komplett verrückt. Dan Lyons.“
Interessenkonflikte überall
Die Geschichte offenbart vor allem eins: Dass in der Technikpresse Wahrheit und Lügen gerne vermischt werden. Dass es immer einen Interessenkonflikt gibt, wenn jemand über etwas schreibt, in dem er auf irgend eine Art involviert ist. Und dass viele Schreiber sich viel zu ernst nehmen. Transparenz sollte in diesem Jahr eine Tugend unter Journalisten werden. Reichen wird das aber noch lange nicht, solange die ganze Welt am Tropf der US-Technikpresse hängt. Hängen muss. Die wichtigsten Geldgeber, Software-Anbieter und viele Startups sitzen nun einmal dort. Und da hängt auch in Deutschland viel dran, selbst wenn sich immer mehr nach Europa verlagert.
Die Lösung des Ganzen? Schwierig. Erfolgsmeldungen und Wasserstandsnachrichten sollte man mit zumindest mit größter Vorsicht genießen, Quellen lieber dreimal prüfen. Etwas mehr nachdenken. Hat das und das Startup wirklich 10 Millionen Nutzer in einem Monat gewonnen oder sind es vielleicht viel weniger, aber 10 gäben einem Journalisten die bessere Story und dem Startup mehr Investorengeld? Profitiert von einem Gerücht vielleicht nicht nur ein Unternehmen, sondern auch der, der darüber schreibt?
Nachdem Michael Arrington Techcrunch verließ, folgten ihm in kurzem Abstand übrigens ehemalige Autoren wie Paul Carr, Sarah Lacy und eben MG Siegler. Lacy gründete PandoDaily und will es mit Hilfe ihrer ehemaligen Kollegen zu einem neuen, besseren Techcrunch ausbauen. Das Startkapital dafür lieferte Michael Arrington.