Mit dem Medienwandel ist das so eine Sache. An dem Alten festzuhalten, ist keine Lösung, ganz ohne geht es aber trotzdem nicht. Um kurz auszuholen: Nachdem meine Lieblingsvideothek vor rund einem Jahr dicht gemacht hatte, meldete ich mich bei einer 24-Stunden-Videothek an, einem besseren DVD-Automaten. Ich lieh mir zweimal erfolgreich einen Film aus; als ich die Videothek zum dritten Mal aufsuchte, war sie von innen mit hübschen Filmpostern zugeklebt. Auch sie hatte dicht gemacht. An die Kunden ging keine Info raus, warum. Der Laden war einfach von heute auf morgen nicht mehr geöffnet.
Mir blieb keine andere Wahl als der Weg ins Netz: Lovefilm, manchmal iTunes. Ein Kompromiss, mit dem man inzwischen ganz anständig leben kann: Braucht man einen Film oder eine Serie nicht ganz so dringend, bestellt man sie sich zeitunkritisch in Lovefilms DVD-Abo. Soll es mal schnell gehen, zahlt man eben bei iTunes einen recht stattlichen Preis dafür. Aber das ist dann wohl der der Zahn der Zeit, bis irgendwann ein Angebot kommt, bei dem man jeden beliebigen Film in HD auf jedes beliebige Endgerät streamen kann, richtig? Nicht ganz. Die Veränderung hin zum datenträgerlosen Medium findet ganz sicher statt, aber eben nicht so klar, schnell und schmerzlos, wie man sich das denkt.
Wandel geht nicht von heute auf morgen
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In den USA hat sich jetzt Redbox mit dem Internetprovider Verizon zusammengetan. Während Verizon ein Video-Streaming bereitstellt, will Redbox das Angebot landesweit mit zehntausend DVD-Automaten ergänzen. Es gilt, mit einer Kombi-Lösung möglichst viele Kunden und Geschmäcker abzudecken. 100 Millionen US-Dollar hat Redbox-Eigner Coinstar für die DVD-Kioske von NCR Entertainment ausgegeben. Das sind, vereinfacht gesprochen, alte DVD-Automaten des einstigen Marktführers Blockbuster, der im September 2010 seinen Bankrott erklärte. Dish Networks kaufte die Übrigbleibsel im April 2011 – die DVD-Kioske aber gingen an NCR. Auch dort machte man damit Verlust: NCR selbst rechnet mit geschätzten 60 Millionen US-Dollar operativem Verlust im Geschäftsjahr 2011. Und jetzt soll Redbox plötzlich damit Erfolge feiern?
Coinstar muss sich zumindest irgendetwas davon versprechen. Zusammen mit dem Streaming-Angebot von Verizon will man einen Konkurrenten von Netflix ins Rennen schicken. Auf dass der Kunden alle Filme bekommen, die sie wollen, auf eben dem Medium, das gerade verfügbar ist. Der Weg, nur Streaming anzubieten, was die Kosten erheblich senkt, hat sich bei Netflix nicht durchgesetzt. Die Kunden gingen im vergangenen Jahr auf die Barrikaden, als Netflix seine DVD-Sparte in eine Tochter namens Qwikster ausgründen wollte. Zwei Gründe ließen das Unterfangen fast zu einem Desaster für Netflix werden: Zum einen war das Angebot allein als Streaming verfügbarer Filme und Serien noch zu begrenzt. Zum anderen war die Technik der Endgeräte noch nicht so weit. Im Wohnzimmer der meisten Kunden gab es ganz einfach noch keine Smart TVs oder Netflix-fähige Set-Top-Boxen.
Veränderung bedeutet Schmerzen
Bis das so weit ist, werden noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Bis dahin werden die Anbieter auf physische Datenträger nicht verzichten können. Für sie ist das ärgerlich: Sie wissen genau, dass die DVD ein Auslaufmodell und ein Verlustbringer ist, die Blu-ray nur ein Zwischenschritt. Aber man kann sich nicht einfach so von dieser Technik trennen, solange die Kunden noch immer danach verlangen.
Gestern schrieb ich über den aktuellen Kinoschlager „The Artist“ und wie wichtig es für jeden ist, sich zu verändern. Veränderung geht aber nicht von heute auf morgen. Daran sollte jeder Kritiker hin und wieder einmal denken, der über die Ewiggestrigen und ihre mangelnde Fortschrittsfähigkeit schimpft. Soll eine Tageszeitung von jetzt auf gleich ihre Druckpressen verschrotten und ihre Angebote nur noch im Web oder auf mobilen Endgeräten anbieten, obwohl ein großer Teil der Kunden noch lange nicht so weit ist? Soll der Taxiverband den Taxizentralen raten, sich ins Schwert zu stürzen, weil ihre Dienste durch die App MyTaxi überflüssig geworden sind?
Der falsche Weg: Sich gegen den Wandel auflehnen
Martin Weigert berichtet auf Netzwertig heute von der Hotelkette HRS, die gegen das Startup JustBook aktiv geworden ist. JustBook bietet seinen Kunden Last-Minute-Angebote für Hotelübernachtungen an. Martin schreibt: „Wahrscheinlich gäbe es JustBook heute gar nicht, hätte HRS einfach selbst eine eigenständige Last-Minute-App auf den Markt gebracht.“ Das stimmt wahrscheinlich, aber fragt euch selbst: Hättet ihr als Marktführer nicht auch Angst davor, dass euch Umsätze wegbrächen, wenn ihr eure eigenen Angebote plötzlich deutlich rabattiert anbietet?
Es ist ein schmaler Grat zwischen Veränderung und Verlustangst. Eins ist aber auf jeden Fall der falsche Weg: Sich gegen den Wandel stemmen oder gar dagegen aktiv werden. Dass einige Taxizentralen Taxifahrer bestrafen, die gegen MyTaxi vorgehen, hat ihnen viel Sympathie gekostet. Dass Hollywood-Studios gegen MegaUpload aktiv wurden, statt selbst etwas Besseres anzubieten, hat nur kurzfristig das drängendste Problem gelöst. Dass der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen über Schwarzfahrer-Communitys und -Apps klagt, sorgt dafür, dass viele Leute überhaupt erst auf solche Angebote aufmerksam werden. Genauso verhält es sich mit HRS und JustBook.
Es nützt nichts: Veränderung geht nicht ohne Schmerzen von Statten; sie bringt sogar vieles mit sich, was auf den ersten Blick wie eine Verschlechterung der Lage erscheint. Sich dagegen zu sperren, hat aber noch niemandem geholfen.
(Jürgen Vielmeier, Bild: Redbox)