Ich mag Ironie. Deswegen habe ich den Gastbeitrag des CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling gestern in der Online-Ausgabe des „Handelsblatt“ mehrmals gelesen. Heveling bringt damit derzeit nicht gerade wenige deutsche Internetnutzer gegen sich auf. Spiegel-Netzwelt-Ressortleiter Christian Stöcker nennt ihn deswegen einen „Hinterbänkler“ und einen „Troll“. Aber mal im Ernst. Dass Heveling schreibt, die „Netzgemeinde“ werde den Kampf verlieren, ist ja in Ordnung. Es herrscht Meinungsfreiheit. Aber einzelne Passagen wie diese, gerichtet an eben jene „Netzgemeinde“, kann er doch bitte nicht ernst meinen:
Lasst euch gesagt sein: Das Wissen und vor allem die Weisheit der Welt liegen immer noch in den Köpfen der Menschen. Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!
Welch Ironie! Ironie? Es scheint, als wäre sie Heveling abhanden gekommen.
Denn er scheint aus irgend einem Grund ernst zu meinen, was er da schreibt:
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[Die Errungenschaft des geistigen Eigentums] ist im Netz in Gefahr. Nicht weil Bits und Bytes aus sich heraus wie kleine Pacmans an den Ideen und Idealen unserer bürgerlichen Gesellschaft knabbern würden. Nein, es sind die Menschen, die hinter den Maschinen sitzen und eine andere Gesellschaft wollen. Die die totale Freiheit apostrophieren und damit letztlich nur den „digitalen Totalitarismus“, wie es Jaron Lavier genannt hat, meinen.
Es ist eine unheilige Allianz aus diesen „digitalen Maoisten“ und kapitalstarken Monopolisten, die hier am Werk ist.
Er hätte präzisieren sollen, wen genau er damit meint. Es mag sicherlich einige Menschen geben, die da draußen vor ihrem Rechner sitzen und eine Abschaffung des geistigen Eigentums wollen. Die sind dann natürlich auch Teil dieser für Heveling offenbar so homogenen Netzgemeinde. Dass die Piratenpartei etwas Derartiges verlangen würde, wäre mir allerdings neu. Und die Masse der Gegner von SOPA, PIPA und ACTA hat ebenfalls andere Ziele: dass die Netzfreiheit nicht aufgegeben wird, schon gar nicht für die Interessen der munter vor sich hin klagenden Unterhaltungsindustrie. Vielen „Bürgern“ dieser „Netzgemeinde“, mit denen ich in den letzten Monaten sprach, ging es eher um etwas anderes: um eine Reformierung der Gesetze zum Schutze des geistigen Eigentums, nicht deren Abschaffung.
Heveling allerdings, welcher Teufel ihn auch immer geritten hat, wird gar noch militärisch in seiner Rhetorik und beschwört Endzeitszenarien herauf:
Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Bürger, auf zur Wacht!
Überflüssig zu erwähnen, dass Heveling sich damit der digitalen Meute zum Fraß vorgeworfen hat. Mario Sixtus etwa nahm das zum Anlass, Hevelings Rede zu vertonen und in einem Video mit Weltkriegsbildern zu unterlegen:
Vertont wurde die Rede auch an anderer Stelle. Hevelings Website wurde gestern kurzzeitig gehackt. Auf Twitter wurde das Thema #Hevelingfacts zu einem Trending Topic. Franz Patzig sammelte gestern fast 3.000 dieser ironischen Tweets in einem Google Doc. Wenn es Heveling darum ging, der deutschen Internetszene den Spiegel vorzuhalten, dann ist es ihm gelungen. Erreicht hätte er damit allerdings nichts.
Der Mann sitzt in der „Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft“ im Bundestag, einer der schreibt, das Web 2.0 sei in kürze Geschichte. (Was übrigens stimmt, niemand außer ihm benutzt diesen Begriff noch.) Man erwartet ja beim Thema Internet nicht mehr viel von dieser Regierung. Aber dass es derart schlecht um unsere Politik bestellt ist, würde mich nach einigen Monaten relativer Ruhe zutiefst enttäuschen. Man muss also hoffen, dass Heveling nur provozieren wollte und seinen Text ironisch gemeint hat. Irgendwie. Zumindest etwas davon. Ein bisschen.
(Jürgen Vielmeier, Bild: CDU/CSU Bundestagsfraktion)