Ich lese es nicht gerne, dieses Wort, aber dieser Tage kommt man nicht daran vorbei: das Urheberrecht. Es betrifft gleich mehrere Themen der vergangenen Tage, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun, aber doch viel gemeinsam haben: Die US-Behörden schließen MegaUpload, der Dienst Pinterest wird immer beliebter und das Reblog-Netzwerk Tumblr verzeichnet monatliche Besucherzahlen von stolzen 120 Millionen Nutzern. Der Filmindustrieverband MPAA droht Barack Obama damit, ihm im Wahlkampf die Spendengelder zu streichen, sollte er das umstrittene SOPA-Gesetz nicht unterstützen.
Was ist da eigentlich los?
Gehen wir mal einen Schritt weiter und lesen die Interpretationen dieser Meldungen. Tumblr sei deswegen so erfolgreich, eben weil es ein „Urheberrechtsverletzungsfeature“ gleich mit eingebaut habe, traut sich Marcel Weiss bei Neunetz die Wahrheit auszusprechen. Bei Pinterest ist es nicht viel anders. Hier kann man die Streams anderer Leute abonnieren, die im Wesentlich aus Bildern oder Videos bestehen, die andere aus dem Netz zusammengeklaubt haben. „Kuratieren“ nennt sich das. Das Problem ist jeweils das gleiche, und noch hat niemand eine Antwort darauf gefunden: Das existierende Urheberrecht entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Aber sehen wir es ein: So schnell wird es niemand ändern, man wird es eher noch verschärfen. Das millionenfache Teilen ist aber längst Alltag, kann und soll nicht mehr gestoppt werden. Nun geht es darum, das Beste aus diesem Gegensatz zu machen, und hier ist die Technik gefragt.
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Die Welt, wie sie früher war, bestand darin, dass man Dinge kaufte und Urheberrechte damit abgegolten waren oder vielmehr: sein sollten. Heute beklagen sich Fotografen, Filmstudios oder Autoren, wenn ihre Beiträge kopiert werden und sie dafür kaum einen Cent sehen. Aber ganz ehrlich: War das jemals anders? Auch in Zeiten, in denen das altbekannte Urheberrecht noch funktionierte, gab es Gewinner wie Verlierer. Der Streit um das „Tatort“-Intro etwa ist nur ein Beispiel dafür, dass auch damals längst nicht alles eitel Sonnenschein für Künstler gewesen ist: Komponist Klaus Doldinger etwa ist für die 1970 von ihm geschaffene Titelmelodie nicht reich geworden: Er bekommt pro Folge 50 Euro. Die Produzentin des Intros wurde mit einer Einmalzahlung abgespeist. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Künstler seit jeher wenig Geld für ihre Arbeiten gesehen haben.
Kim Schmitz gab den Leuten nur, was sie haben wollten
Heute sind es einige wenige, ich würde sagen: mutige, Künstler wie der Bestseller-Autor Paulo Coelho, die sagen: „Kopiert meine Bücher und verbreitet sie millionenfach.“ Das erhöht die Chance, dass sich mehr Menschen seine Bücher kaufen. Der hat gut reden, kann man jetzt sagen: Coelho hat den Durchbruch längst geschafft und seine Schäfchen finanziell ins Trockene gebracht. Aber wie wurde er berühmt? Indem er gute Bücher geschrieben hat, die die Menschen berührt haben. Damals waren es Verlage, die er darauf aufmerksam machen musste und ihn dann mit ihrer Marketingmaschinerie hoch gebracht haben. Heute ist die Marketingmaschinerie das Internet, und es sind soziale Kanäle wie Facebook, Google Plus oder eben Pinterest und Tumblr. Der Autor John Green hat es dank Social Media gut ein Jahr vor Verkaufsstart seines neuen Buches auf die Bestsellerlisten geschafft.
Autor Paulo Coelho: „Klaut meine Texte und verbreitet sie millionenfach.“
Sagen wir es doch so, wie es ist: In Social-Media-Kanälen werden nach heutigem Recht millionenfach Urheberrechtsverstöße begangen. Das ist Alltag, das ist eine Tatsache. Es gibt zwei Wege, wie man darauf reagieren kann: 1. Man lehnt das ab, verlangt, dass alles so bleibt, wie es gestern war, und wählt den Rechtsweg. Der am Freitag verhaftete MegaUpload-Chef Kim Schmitz hat den Leuten aber nur gegeben, was sie wollten: Das Unternehmen erwirtschaftete einen Gewinn in Höhe von 175 Millionen US-Dollar seit 2005; die Filmindustrie beziffert den Umsatzverlust auf 500 Millionen Dollar. Das ist nichts anderes als das Geld, das die Studios verloren haben, weil sie MegaUpload außerhalb der USA nicht mit einem eigenen Angebot konterten.
Einbetten als Zukunft
Also könnte es sich lohnen, 2. mit Zuspruch zu reagieren. Wie ein faires, künftiges Urheberrechtsmodell aussehen könnte, zeigen Dienste wie Tumblr. Mit ihnen lässt sich alles kuratieren, was man im Web findet: Texte, Audios, Videos, Bilder. Wenn man etwas verlinkt, wird aber stets ein Link zur Originalquelle gesetzt. Und das ist ein ganzes Stück fairer, als wenn etwa Blogs Fremdmaterial posten und dafür selbst geflattert, geliket oder geretweetet werden. Wenn alle Befürwortungen beim richtigen Empfänger ankommen, kann der sich daraus vermarkten. Die Cartoonisten The Oatmeal oder Joscha Sauer (NichtLustig) etwa verbreiten ihre Werke frei und millionenfach im Netz. Geld verdienen sie unter anderem mit Büchern, auf die die Fans durch ihre Social-Media-Maßnahmen erst aufmerksam werden.
NichtLustig.de: Jeden Tag ein kostenloser Cartoon, Einnahmen über den Online-Shop
Wie ein faires, neues Urhebermodell aussehen könnte? Das Zauberwort heißt: Einbetten, aber in einer besseren Form als bisher. Von jedem Blogger etwa mit YouTube-Videos dutzendfach durchexerziert: Man bindet ein Video auf seiner Seite ein. Die Flattrs, +1s, Likes, Retweets und vor allem Werbeeinnahmen erhält in einer idealen Welt aber der Urheber. Und der hätte plötzlich ein großes Interesse daran, dass seine Werke so viel wie möglich geteilt und weiterverwendet würden. Das wäre unbestreitbar fair, aber ich sehe noch keinen Dienst, der eine solche Möglichkeit anbietet. Pinterest und Tumblr sind hier schon am Weitesten. Auch die Share-Funktion von Google Plus oder Facebook zeigt dorthin.
Neue Modelle sind gefragt
Die Frage aller Fragen: Würde es mir schmecken, wenn jemand alle meine Texte eins zu eins kopiert und auf seine Seite packt? Wenn jeder weiß, dass die Texte von mir sind und ich damit Geld verdiene, dann sage ich ganz klar: nur zu.
„Mach deinen kostenlosen Dienst attraktiv, dann zahlen die Nutzer freiwillig“, schrieb ich an dieser Stelle vor rund einem Monat in Hinblick auf die Dienste Evernote und Instagram. Das wäre ein Modell, das die Filmstudios in den USA bereits anbieten, aber leider eben auch fast nur dort: Hulu für aktuelle Serienhighlights, Hulu Plus als Premiumangebot für ältere Serien. Gäbe es so ein Angebot weltweit, hätte ein teils kostenpflichtiger Dienst wie MegaVideo keine Chance gehabt. SOPA war darauf ausgelegt, derartige Dienste aus dem Ausland zu blocken. Wären die Studios clever, würden sie nicht weiterhin auf SOPA pochen, sondern die Verwertungskette international aufbohren. Aus Gesprächen erfuhr ich, dass Anbietern hier immer noch viele Steine in den Weg gelegt werden. Und das ist schwer zu verstehen.
Kurzfassung dieser Textwüste (tl;dr): Social Sharing ist beliebter Alltag, aber das Urheberrecht wird so schnell keiner zum Wohle der Nutzer ändern. Also ist es Aufgabe der Technik, den Widerspruch zu lösen. Das Einbetten von Content könnte eine Teillösung sein.
(Jürgen Vielmeier)