Doo-Gründer Marc Sieberger und Frank Thelen.
Hinweis: Hier gibt es unsere Neuauflage des Interviews von 2015.
Berlin hat in diesem Jahr in die Herzen von Investoren und US-Medien erobert. Die heißesten Startups der Welt schießen gerade an der Spree wie Pilze aus dem Boden. Die Doo-Gründer Frank Thelen, Marc Sieberger und Alex Koch haben als Standort trotzdem die alte Hauptstadt Bonn gewählt – und vor zwei Wochen 5 Millionen Euro Kapital von drei Investoren eingesammelt. Der Unbehelligte reibt sich die Augen: Dort, im ruhigen Bad Godesberg, nur einen Steinwurf von einem Cineplex entfernt, soll derzeit eines der heißesten Tools der Welt entstehen? Doo könnte das nächste Evernote werden: ein Dienst, der alle Dokumente an einer Stelle sammelt und über die Cloud synchronisiert, damit man nie wieder die Übersicht verliert. Thelen erklärte mir im Interview, wie eigener Leidensdruck ihn praktisch dazu zwang, die Idee umzusetzen und warum das ein potenzieller Milliardenmarkt ist.
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Die drei Gründer kennen sich noch aus ihrem früheren Unternehmen IP Labs, das sie vor knapp vier Jahren an Fujifilm verkauften. Sie blieben dennoch vorerst im Management tätig. Thelen und Sieberger gründeten dann Anfang 2010 den Startup-Investor E42, der sich unter anderem an MyTaxi, KaufDa und den 6Wunderkindern beteiligte. Bislang ist Doo noch nicht offiziell gestartet. Ende Januar soll die Closed-Beta-Phase beginnen. Da ich mich als Bonner über das rare Webgeschehen vor Ort immer sehr freue, stattete ich Doo vergangene Woche einen Hausbesuch ab. Dort stand mir Thelen Rede und Antwort, stellte mir das kommende Produkt vor und erklärte, warum der Standort Deutschland ihm mit seinen Datenschutzgesetzen in diesem Falle einen wunderbaren Vorteil bietet.
Basic Thinking: „Frank, du hast bereits einige Unternehmen gegründet und wieder verkauft. Wird auch bei Doo euer Exit jetzt relativ schnell kommen?“
Frank Thelen: „Um es mit Worten von Steve Jobs zu sagen: ‚Man baut keine Unternehmen auf, um Geld zu verdienen‘. Das ist machmal die Konsequenz, sollte jedoch niemals die Motivation sein, um ein Unternehmen zu gründen. Wir denken nicht über einen möglichen Exit nach. Doo ist eine lange und herausfordernde Mission und wir werden unser ganzes Herzblut da hinein stecken. Wir wollen das Papier töten. Aber wir wissen auch: das wird ein langer, harter, schmerzhafter Weg. Und ich sag ganz offen: Das Ding geht pleite oder es wird ein Milliardengeschäft.“
BT: „Wann wird es so weit sein, dass ihr das Papier getötet habt?“
Thelen: „Wann haben wir unsere Mission erfüllt… Ich spreche mal von den 80 Prozent, dem Pareto-Prinzip. Und da würde ich schätzen, (überlegt eine Weile) … in drei Jahren.“
BT: „Du sagst, Doo sei rechtssicher. Wo? In Deutschland, Europa oder weltweit?“
Thelen: „Wir denken und handeln mit der Vision, Doo weltweit anzubieten. Wir werden gleich von Anfang an in mehr als 40 Ländern starten. Die rechtlichen Rahmenparameter in Europa sind sehr strikt, so dass wir bezüglich der rechtlichen Anforderungen auf hohem Niveau starten. Es ist wie in der Automobil- oder Solarindustrie: Deutschland hat extrem hohe rechtliche Standards in diesen Bereichen. Wenn man diesem rechtlichen Standard gerecht wird, ist man für den internationalen Wettbewerb sehr gut aufgestellt.“
BT: „Bisher war noch recht wenig davon zu erfahren, wie Doo aussehen wird. Ihr kommt aus dem Foto-Bereich. Wird es darum gehen, Bilder einzuscannen wie bei Reposito und ähnlichen Apps?“
Thelen: „Nein, mit Bildern haben wir nichts zu tun. Am Anfang werden wir jedoch Brücken in die analoge Welt bauen müssen. Was Reposito und andere machen, ist: Daten abfotografieren und ein PDF draus machen. Das wird Doo auch anbieten müssen, aber das ist nicht unsere Philosophie. Unser Ziel ist, einen Datenbus aufzubauen, wo wir sagen: Wir holen die Daten dort ab, wo sie entstehen. Heute schickt man sich Dokumente per E-Mail und wir wollen hier der Ersatz für die E-Mail sein. Genauso wie E-Mail kein gutes Task-Management-Tool ist – auch wenn viele es dafür verwenden – so ist auch E-Mail kein gutes Tool, um Dokumente zu verwalten.“
Thelen und ein Notebook im Doo-Look.
BT: „Gefühlt die ganze Welt gründet Startups in Berlin, ihr im beschaulichen Bonn. Warum gerade hier?“
Thelen (lacht): „Wir lieben Berlin, sind oft da und registrieren natürlich, was in Sachen Startups dort passiert. Aber der eigentliche Grund ist ganz einfach: weil wir Bonner sind. Wir sind hier geboren. Ich habe in Bonn in meinem Leben ungefähr 250 Leute eingestellt und dadurch habe ich natürlich ein großes Netzwerk. Also weiß ich, welche Entwickler und Designer hier sind und wer wo sitzt. Hier kann ich unser Netzwerk gut aktivieren. Und in Berlin ist natürlich ein gewisser Kampf, ein War for Talent. Hier in Bonn und im Kölner Raum sind wir eines der wenigen großen Startups und stehen eher im Wettbewerb mit den Corporates um die großen Talente – und da haben wir im Vergleich viel zu bieten.“
BT: „Wie kamst du überhaupt auf die Idee zum papierlosen Büro?“
Thelen: „Eigener Schmerz! Krach mit der Ehefrau, weil dritte Mahnungen rein kamen und so weiter. Ich bin mit der physikalischen Welt nicht kompatibel. Ich hab keinen Schlüssel zum Briefkasten und ich will die Post auch nicht sehen. Meine Frau legt mir die Briefe hin, ich schiebe sie beiseite, weil sie mich beim Arbeiten stören. Dann liegen sie da zwei Monate und ich bekomme Mahnungen. Es ist einfach ein Schmerzpunkt. Und ich hätte auch lieber gehabt, wenn jemand anders das Problem gelöst hätte. Aber irgendwann wurde mir klar: Das wird keiner zu meiner Lebenszeit sauber lösen, also mache ich es selber.“
BT: „Wie willst du die Leute davon überzeugen, Doo zu benutzen?“
Thelen: „Das Feedback war bisher bei jedem, dem ich davon erzählte: ‚Frank, schick mir eine Alpha, ich brauche das Tool!‘ Jeder hat das Problem, jeder hat den gleichen Schmerz. Und so wollen wir die Leute überzeugen. Wir haben das Produkt und zusätzlich achten wir sehr genau auf Design und Usability.“
BT: „Noch besser wäre natürlich noch, wenn das Tool meine Rechnungen nicht nur sammelt, sondern auch analysiert und direkt bezahlt…“
Thelen: „Da möchten wir mittelfristig hin – ist aber ein langer Weg. Im ersten Schritt wollen wir das Papier töten. Die Dokumente aus allen Quellen einziehen und vorne ein perfektes Interface haben, um alles schnell zu finden. Und der nächste Schritt ist dann, die Intelligenz weiter aufzubauen um die Informationen automatisiert zu bearbeiten. Aber das wirklich intelligente Tagging und Sortierung nach Relevanz ist eine Raketenwissenschaft, die Zeit benötigt. Im Moment ist der Fokus: Alle Dokumente, an einem Ort, richtig schön, sicher und zuverlässig.“
BT: „Wird es eines Tages möglich sein, dass ein Tool ohne mein Zutun meine ganze Steuererklärung macht?“
Thelen: „Ich glaube sogar, dass das kommt, weil die User uns helfen werden. Wir wollen mit Doo 100 Prozent offen und transparent sein. Das heißt: Wir bauen Schnittstellen und jeder Entwickler kann dann sofort auf Doo zugreifen und etwa eine Finanzlösung bauen. Und vielleicht baut auch jemand eine viel intelligentere Scanner-App, als wir sie haben. Natürlich brauchen wir dafür erstmal einen Tipping-Point, also einen Punkt, an dem wir ein ausreichend großes ‚Ökosystem‘ sind, dass Entwickler Software für die Doo-Plattform bauen.”
BT: “Da schließt sich die Frage an, wie ihr mit doo eigentlich Geld verdienen wollt.”
Thelen: „Geld? (lacht) Spass beiseite: wir haben ein klares Freemium-Geschäftsmodell mit verschiedenen Umsatzquellen. Beispielsweise werden Power-User vermutlich mehr Speicherplatz benötigen, den sie für eine monatliche Gebühr mieten können. Phil Libin von Evernote etwa geht sehr offen mit diesen Zahlen um, und da hat sich interessanterweise gezeigt: Die Grenzkosten eines weiteren Kunden auf der Plattform gehen gegen null. Das heißt: Wenn die Conversion auf zahlende Kunden bei sinnvollem Pricing hoch genug ist, kannst Du damit ein großes Unternehmen stabil finanzieren. Das ist auch unsere Philosophie. Die Masse zu erreichen, ist unser Hauptziel. Wir wollen ein Ökosystem für digitale Dokumente werden.“
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Ein Team von 100 Mitarbeitern soll entstehen
Doo will Anfang 2012 von Bad Godesberg in die Nähe des Bonner Hauptbahnhofs umziehen, um von Köln aus leichter erreichbar zu sein. Das Team soll mittelfristig von derzeit 20 auf rund 100 (!) Mitarbeiter aufgestockt werden. Dafür sucht man derzeit vor allem Entwickler.
Einen Bedarf an Rechnungs- und Dokumentenarchiven sehe ich durchaus. Doo hat hier natürlich Konkurrenz: In Hannover versucht sich das Team von Doctape an einer ähnlichen Lösung. Erst im November allerdings verabschiedete sich Pactas vom Markt. Die Herausforderung, Rechnungen rechtssicher zu aggregieren, ist hoch.
Die Möglichkeiten sind es allerdings auch. Als ich am Wochenende einem Freund von Doo erzähle, flachst der: „Wäre klasse, wenn so ein Tool im übernächsten Schritt dann auch noch einen Weg findet, um meine Rechnungen zu bezahlen.“ – „Du meinst technisch?“ – „Nein, ich meine finanziell.“
(Jürgen Vielmeier)