„Empört euch!“, fordert Stéphane Hessel in einer viel beachteten Streitschrift dieser Tage. Sich empören und gegen Missstände aufbegehren, zum Beispiel gegen die Überwachung durch Behörden und Unternehmen. In dieser Woche kommt man aus dem sich Empören gar nicht mehr heraus: Wikileaks hat die „Spy Files“ veröffentlicht und darin ein internationales Netzwerk von Unternehmen benannt, die Überwachungstechnik an Diktatoren verkaufen. Mit dabei: 15 deutsche Unternehmen, darunter angesehene Firmen wie Siemens, Rohde & Schwarz und Datakom.
Aber warum in Diktaturen reisen, wenn man auch Bürger einer Demokratie wunderbar mit einer Vorratsdatenspeicherung überwachen kann? Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) hat in dieser Woche ein überaus interessantes Schreiben der bayerischen Generalstaatsanwaltschaft abgefangen. In diesem als Verschlusssache gekennzeichneten Leitfaden für Ermittlungsbehörden (PDF) sieht der AK Vorrat einige klare Rechtsbrüche. Etwa wenn empfohlen wird, Telefonverbindungen aus Kostengründen für einen „einheitlichen, gesamten“ Zeitraum abzuhören, statt zu Zeitpunkten, die für das Ermittlungsverfahren relevant sind. Wobei Rechtsanwalt Udo Vetter darin auch gehaltvolle Anleitungen entnimmt, wie Terroristen die Maßnahmen der Behörden umgehen können.
Carrier IQ loggt den Datenverkehr auf Smartphones mit
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Und dann wäre da noch Carrier IQ, eine Schnüffelsoftware für Smartphones, die in dieser Woche zur traurigen Berühmtheit wurde. Der Hacker Trevor Eckhart deckte die Verbreitung der Software in mobilen Geräten mit Android, iOS, WebOS und Blackberry auf. Sie dient dazu, Netzbetreibern und Smartphone-Anbietern Daten über Smartphone-Nutzer zu liefern, etwa, wann Telefonate und E-Mails eingingen. Offiziell, um die Systeme zu verbessern.
Carrier IQ schmeckte die Veröffentlichung gar nicht, und so forderte man Eckart über einen Anwalt dazu auf (PDF), die Informationen wieder vom Netz zu nehmen. Später zog man das Schreiben zurück und bestreitete die Überwachung von Nutzern. Auf über 140 Millionen Smartphones weltweit soll die Software installiert sein. Der eingebaute Counter auf der Website von Carrier IQ (Screenshot oben) wirkt mittlerweile leicht ironisch. Eckhart legte mit einem Video nach, in dem er zeigt, was die Software auf seinem Android-Smartphone macht.
Apple erklärte „die meisten eigenen Produkte“ verwendeten Carrier IQ seit iOS 5 nicht mehr. Ein kommendes Update solle die Software komplett entfernen. Es klingt nach einer Neuauflage des Ortungsdatenskandals vom April. Damals wurde bekannt, dass Apple die Standortdaten der iPhone-Nutzer deutlich länger als notwendig protokolliert. Alles nur ein Software-Fehler, sagte Apple später beschwichtigend.
Kaum einer will die Software benutzt haben
Google (Android), RIM (Blackberry), Nokia (Symbian) und HP (WebOS) haben inzwischen lauthals dementiert, dass sie selbst Carrier IQ eingesetzt hätten. Windows Phones seien davon gar nicht erst betroffen gewesen. Wo, außer bei Apple, sind dann bloß die 140 Millionen Smartphones mit Carrier IQ zu finden? Möglicherweise auf Seite der Hardware-Hersteller und der Carrier. So haben Samsung und HTC zugegeben, die Software zumindest bei einigen Geräten einzusetzen. Die US-Netzbetreiber AT&T und Sprint haben ebenfalls zugegeben, Carrier IQ zu Qualitätsverbesserungen zu verwenden. Nutzerdaten würden da nicht angetastet. Die App Voodoo Carrier IQ Detector soll die Software auf Android-Handys aufspüren können.
Also, ja, empören wir uns! Gestern darüber, dass mein Smartphone ausgekundschaftet wird. Heute darüber, dass Ermittler eigentlich jeden von uns mit teils unlauteren Mitteln überwachen können, dabei aber bestimmt keine Terroristen fangen. Morgen darüber, dass ich eigentlich überhaupt nicht überwacht werden will, schon gar nicht aufgrund so einer fragwürdigen Maßnahme wie der Vorratsdatenspeicherung. Übermorgen darüber, dass sich Firmenbosse als Saubermänner und Motor der deutschen Wirtschaft hinstellen, während sie Überwachungstechnik an Diktatoren liefern. Nächste Woche dann darüber, dass…
(Jürgen Vielmeier)