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Gesichtsloses Groupon: Irgendwo zwischen Reichtum, Pleite und Schönheits-OPs

Die britische Konditorin Rachel Brown hat den „schwersten unternehmerischen Fehler“ ihres Lebens begangen, als sie ihre handgemachte Törtchen als Angebot bei Groupon einstellte. Sie rechnete mit vielleicht ein paar Dutzend Bestellungen und limitierte ihr Angebot unglücklicherweise nicht. Doch der Rabatt von 75 Prozent – 6,50 statt eigentlich 26 britischer Pfund – lockte Abertausende an. Bei 8.500 Bestellungen musste sie das Angebot kappen.

Sie und ihre Mannschaft mussten 102.000 Törtchen backen und konnten nicht mehr die gleiche Qualität liefern, weil es sonst nur etwa 100 Torten im Monat sind. Weil sie für jede Bestellung draufzahlte, Überstunden bezahlen und zusätzliches Personal anheuern musste, um die Nachfrage zu decken, machte sie einen Verlust von 12.500 Pfund (14.500 Euro). Das Ereignis war ein Unfall und kommt doch nicht ganz zufällig. Groupon scheint in den Köpfen der Nutzer noch lange nicht angekommen zu sein, während die Firma gedanklich schon Königreiche verwaltet.

Schnäppchen-Network für Reiche geplant


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Dafür gab es in dieser Woche zum ersten Mal die Quitting: Gut zwei Wochen nach dem Börsenstart verlor die Aktie in drei Tagen gleich 35 Prozent an Wert. Aktuell liegt der Kurs bei 16,96 US-Dollar; zum Börsenstart waren es noch 20, zwischenzeitlich 30 Dollar. „So sehen Verlierer aus“ resümiert der „Aktionär“ und schreibt, fünf Milliarden Dollar Unternehmenswert seien in dieser Woche vernichtet worden. Seit Montag konnten frühe Anteilseigner wie Beschäftigte ihre Aktien auf den Markt werfen, weil die Haltefrist dann endete. Nach der künstlichen Verknappung des ursprünglichen Aktienpakets war die Nachfrage danach aber ganz offensichtlich nicht mehr so hoch. Anleger sorgen sich um die Zukunft des Unternehmens und fragen sich, ob ein reeller Gegenwert dahinter steht. Analyst Ed Woo sagte CNN: „Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass die Aktie überhaupt so gut lief.“

„Der Aktionär“ schreibt weiter: Wer Groupon nutzt, wolle nur Schnäppchen. Für die Rabattschlacht bekäme der Dienst jetzt die Quitting, denn eine echte Kundenbindung gebe es nicht. Und um das zu ändern, plant der Schnäppchendienst jetzt nach Informationen des „Daily Telegraph“ ein eigenes Social Network mit dem Namen Groupon Reserve. Das stünde freilich nicht allen Kunden offen, sondern solle nur die Nutzer mit den höchsten Umsätzen mit besonderen Angeboten und Kontakten belohnen. Internetworld nennt es rabattierten „Luxus für die oberen Zehntausend“.

Kaum bekannt, schon an der Börse

Rabattierter Luxus für Reiche, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Und schafft man alleine damit Kundenbindung, obwohl die größte Käuferschicht doch eher die „unteren Zehntausend“ sein dürfte, die alles möglichst billig will? Und nicht zuletzt hat man von zwei Dingen doch mittlerweile wirklich genug: von Schnäppchendiensten und von noch mehr Social Networks.

Nicht alle sehen schwarz. Trotz des Kurzsturzes sagt etwa Stock World dem Unternehmen eine rosige Zukunft voraus. Die haben entweder die Meldungen der letzten Tage nicht verfolgt und machen sich gerade lächerlich – oder werden am Ende Recht behalten. Für uns Anwender bleibt Groupon ein seltsam gesichtsloser Dienst, über dessen Ableben wohl niemand trauern würde. Ein Webangebot für die Massen, das schon an der Börse war, bevor die Massen es überhaupt kannten. Und dann doch wieder ein Dienst, der im Falle günstiger Rabatte Tausende dazu bewegt, handgemachte Kuchen zu bestellen. Oder Fettabsaugungen.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

28 Kommentare

  • Verte Anleger:
    >> Anleger sorgen sich um die Zukunft des Unternehmens und fragen sich, ob ein reeller Gegenwert dahinter steht

    Nö.

    Gruß
    cusdom

  • „fünf Milliarden Dollar Unternehmenswert seien in dieser Woche vernichtet worden.“
    Ich frage mich bei solchen Firmen immer nur, wo ist der Gegenwert?

  • Dort ist kein Gegenwert. Es handelt sich rein um die Idee und die wird mit den neuen Projekten über den Kopf geworfen. Warum sollte tatsächlich jemand, der wirklich genügend Geld hat und sich nicht um Geld sorgen muss, dieses denn mitmachen? Das ist doch jetzt schon zum Tode verurteilt.

  • @#3: Über genau diese Sonderaktion konnte ich mich gestern auch amüsieren (:
    Zum Thema: Es war doch wohl sehr naiv von der guten Konditorin zu erwarten, dass bei einem solchen Rabatt und dem breiten Publikum was Groupon bietet nur „ein paar Dutzend“ Bestellungen zu Stande kommen würden.. da kann man höchstens dem Groupon Mitarbeiter Schuld zuweisen, der im Gespräch (offenbar) nicht explizit darauf hingewiesen hat, dass es dort ohne weiteres keine Limitierung gibt..

  • Mein Meinung nach wird sich Groupon nicht durchsetzten. Ich habe demletzt mich mit einem bekannten Restaurantbesitzter unterhalter, der vor einem halben Jahr mal eine Aktion bei Groupon gestartet hat. Der musste 50% des Umsatztes an Groupon zahlen… Da man immer den halben Preis anbieten muss, bleibt da nicht mehr viel übrig. Ich kann nicht verstehen wie Anleger in ein solches Unternehmen an der Börse investieren können..

  • Ich kann nicht verstehen, wie man Groupon immer halsabschneiderische Geschäftspraktiken unterstellt. Das ist alles rein freiwillig, sowohl für die Anbieter als auch für die Käufer – Jeder weiß im Vorfeld, worauf er sich da einlässt. Wenn man dann schlecht kalkuliert oder kein Limit setzt ist man doch selber schuld.
    Für die Anbieter kann es sowieso nur eine Form der Kundengewinnung sein, denn Geld machen sie ja nicht mit Groupon – dort soll es ja eben billiger sein als sonstwo und es funktioniert auch nur dann. Wer aber ein gutes Produkt anbietet und durch so eine Aktion ein wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, hat langfristig sicher mehr gewonnen, als er während der Aktion draufzahlt.

  • Groupon halte ich für einen sehr zweifelhaften Laden. Wenn man sich mal diesen Satz der Pressesprecherin ansieht:

    Heather Dickinson, Groupon’s international communications director, said there was no limit to the number of vouchers that could be sold.
    „We approach each business with a tailored, individual approach based on the prior history of similar deals,“ she said.
    (Quelle: http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-berkshire-15791507)

    Wenn das stimmt was Frau Dickinson da sagt, dann hätte bei der Dealplanung Groupon wohl zu Take a Cake gesagt:“Ok, ihr produziert aktuell 1000 Törtchen im Monat. Wenn ihr bei vielen Bestellungen am laufenden Band produzieren könnt und Extraschichten fahrt dann schafft ihr eine Verzehnfachung der Produktion. Also begrenzen wir die Anzahl der Käufer für den Deal auf 1000 zu je 10 Törtchen.“

    Es gab aber kein Limit und so musste die Konditorei 25 Hilfskräfte einstellen um die Bestellungen bearbeiten zu können.
    (Quelle: http://www.dailymail.co.uk/femail/article-2064208/Cupcake-calamity-Website-discount-deal-leaves-baker-swamped-orders-102-000-cakes-wipes-profits.html)

    Die Behauptung das Groupon bei der Planung ähnliche Deals aus der Historie mit einbezieht scheint auch falsch zu sein. Bei Techcrunch gibt es eine Videointerview mit ebenfalls einer kleinen Konditorei die auch Cupcakes über Groupon angeboten hatte und am Ende des Deals 72.000 davon produzieren musste.
    (Quelle: http://techcrunch.com/2011/10/19/a-restaurant-dive-shop-and-bakery-share-their-groupon-experience-tctv/)

    Schlussfolgerung: Starker Bullshit-Sprech Alarm bei der Pressesprecherin und (in dieser Form) kein nachhaltiges Geschäftsmodell für Groupon.

  • Was Groupon da macht ist schlicht Betrug. Auch in meinem Bekanntenkreis wurde das Angebot „aus Versehen“ ohne Limit eingestellt. Die Folge: Viel mehr verkaufte Gutscheine die ein kleines Unternehmen nicht mehr handeln kann. Groupon jedoch verdient an jedem eingelösten Gutschein.

    Und die Krönung: Das auf 2 Tage limitierte Angebot wurde „aus Versehen“ dreimal wieder eingestellt, trotz anwaltlicher Mahnung das Angebot endlich rauzunehmen.

    Wer so arbeitet zeigt worum es geht, nämlich rein um den Profit auf Kosten der beteiligten Unternehmen. Ich sage Boykott!

  • Also sicherlich sollten die Kundenbetreuer so etwas besser erklären oder abschätzen. Aber jeder Unternehmer hat ein Risiko zu tragen, jedes Unternehmen sollte genau überlegen in welche Marketing Aktione investiert wird. Man kann doch nicht einfach ein Angebot bei Groupon aufgeben und es einfach laufen lassen, dann – das tut mir leid – darf man sich danach auch nicht beschweren.

    Groupon ist auch nicht da um irgendwie Gewinn für die Firmen zu erwirtschaften, zumindest nicht kurzfristig. Groupon ist eine Marketing Maßnahme, die ganz klar Geld kostet. Ob man mit einer Radiowerbung mehr Erfolg hat?

    Überlegen, überlegen, kalkulieren, anpassen etc… Groupon sollte hier und da sicherlich einiges besser machen, aber die ganze Schuld auf Groupon zu laden halte ich für falsch.

  • Ich halte auch nicht mehr all zu viel von Groupon, aus persönlicher Erfahrung. Ich habe zusammen mit einer bekannten, die einen Friseur-Salon besitzt, eine „Bewerbung“ bei Groupon eingesendet. Zwei Wochen später kam die telefonische Ansprache in Ihrem Laden, dass ein Angebot für sie erstellt wird. Sie fragten was sie anbieten wolle und ohne weitere Information stand am nächsten Tag ein Angebot für Ihren Laden – ohne weitere Einwilligung – mit fiktiven Texten und Bildern. Das ganze sah sehr nach „schnell abgefrühstückt aus“, also eher Geldmacherei von Groupon Seite. Eine wirkliche Beratung hat nicht stattgefunden. Auch hier gab es keine Limitierung bzw. ein Hinweis, dass es keine gibt.

  • Nicht alles bei Groupon ist auch gut. Ich stehe dem ganzen eher skeptisch gegenüber, klar mag es gute Angebote geben aber teilweise wird da verramscht.

  • Hätte sie die aktuelle Berichterstattung über ihr Unternehmen bezahlen müssen, wäre es eindeutig teurer geworden. Sie hat also alles richtig gemacht.

    Ob Groupon eine Zukunft hat, steht auf einem anderen Blatt.

  • Man muss vorher sich gut informieren und vor allem RECHNEN! Allerdings möchte ich hier mal auch was positives schreiben:
    „Sie und ihre Mannschaft mussten 102.000 Törtchen backen und konnten nicht mehr die gleiche Qualität liefern, weil es sonst nur etwa 100 Torten im Monat sind. Weil sie für jede Bestellung draufzahlte, Überstunden bezahlen und zusätzliches Personal anheuern musste, um die Nachfrage zu decken, machte sie einen Verlust von 12.500 Pfund (14.500 Euro)“
    Nicht Verlust, sondern für 14.500€ Werbung gemacht auf der UK #60 Seite getargeted auf ihr Wohngebiet.
    Man muss vorher rechnen, sonst wird Groupon zum Flop. Und ich denke in vielen Geschäftsgebieten kann es sich auch gar nicht lohnen. In anderen aber schon.

  • Auf Dauer kann es keine gute Kundenbindung nur über die Rabatte geben. Das ist ein ruinöser Preiskampf, bei dem nur Groupon verdient. Wenn sich dann keine Anbieter mehr dafür finden, ist Groupon auch am Ende. Wer kann denn auf Dauer mit 1/4 der Einnahmen je verkauftem Artikel leben? Da bleibt doch kein Gewinn übrig, oder?

  • Die Dealportale haben eines alle Gemein; nämlich das nur das Portal selbst einen guten Deal macht. Die Unternehmen verramschen ihre Produkte und erhalten dafür keine versprochen Kunden, sondern nur Schnäppchenjäger, welche nie wieder kommen. Diese Schnäppchenjäger scheinen aufgrund der hohen Nachfrage dann auch nicht mehr die gewünschte Qualität zu erhalten. Ein Geschäftsmodell, welches ausschließlich auf Angst von Unternehmen und Egoismus von Kunden aufbaut. Nachhaltig ist anders.

  • Ich habe mir über Groupon mal eine eZigarette geordert und musste ca. 2 Monate auf die Lieferung warten. War vermutlich der gleiche Effekt wie bei den Törtchen-Bäckern.

    Bei mehreren Mails täglich von dem Laden war es mir aber irgendwann zu blöd und das landet ab sofort im Spam-Ordner. Abonnieren war zwar kein Problem aber das abbestellen durchaus.

    Als ich von dem geplanten Börsengang hörte und den utopischen Wert den das Unternehmen darstellen sollte, musste ich mir heftig an den Kopf fassen. Groupon braucht entweder wirklich Stammleser die sich täglich durch den Angebotwust kämpfen und regelmäßig bestellen – das wird aber bestimmt den meisten auf Dauer zu viel, oder so viele Neukunden, dass die abgenervten Kunden ausgeglichen werden –> unmöglich

    In einem Jahr spätestens sind die weg vom Fenster, jede Wette.

  • Mit Pfennigfuchser und Geizhälsen die jedem Bon und Rabattmarke hinterlaufen lässt sich kein Reibach machen. Die meisten würden wohl billigend in Kauf nehmen, dass ihr günstiges Törtchen auf dem Ruin anderer gebacken wurde. Mir ist der Laden auch sehr unsympathisch, wie diese ganze die geiz-ist-geil Stimmung.

  • Wir haben mit unserem Unternehmen mal bei Groupon angefragt und halten alle gerne auf dem laufenden was bei rauskommt. Manche Anfängerfehler werden wir versuchen zu vermeiden, falls Sie uns tatsächlich nehmen.