[Update:] Simfy-CEO hat im Unternehmensblog eine Stellungnahme veröffentlicht, die allerdings nicht viel Neues enthält. [/Update]
Es wird immer Nostalgiker und Spätumsteiger geben, aber die große Masse wird in wenigen Jahren Musik digital und datenträgerlos hören. Dahin zeigt der Wegweiser und zwei Wege bieten sich uns an: Wir können Musik bei iTunes, Amazon, Google Music oder ähnlichen Anbietern kaufen und auf Wunsch in der Cloud speichern. Oder wir können die Musik, die wir hören wollen, für einen monatlichen Pauschalpreis bei Diensten wie Napster, Juke oder Simfy mieten. Gerade diese Abodienste lockten Kunden bislang mit kostenlosen, werbefinanzierten Zugängen. Aber diese Zeit neigt sich jetzt dem Ende zu.
Der Kölner Musikabo-Dienst Simfy hob sich eine Zeitlang dadurch von seinen Konkurrenten ab, dass er in der Dektopversion einen kostenlosen und werbefinanzierten Zugang zu allen 13 Millionen Tracks anbot. Den beschnitt man schon im September auf nur noch 20 Stunden im Monat, was erst einmal nur moderate Proteste auslöste. Damit konnte die Mehrheit noch gut leben. Dass man den Kostenloszugang aber nun, nur zwei Monate später, auf nur noch 5 Stunden drosselt, verwundert. Und auch der Dienst Grooveshark kämpft seit dem Wochenende mit massiven Problemen. Spotify hat seine Seele an Facebook verkauft. Was ist los bei den Streaming-Diensten?
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Universal zerrt Grooveshark vor Gericht
Da Simfy die 5 kostenlosen Stunden weiter eingrenzt, indem es die Songs einzelner Labels als „Premium-Songs“ markiert, die man nur noch 30 Sekunden lang vorhören kann, kommt das fast einem Ende des Kostenlos-Angebots gleich. Die Kommentare im Simfy-Blog zur Ankündigung sind entsprechend wütend, zumal Simfy zunächst keine Erklärung mitgeliefert hat, warum es jetzt die erneute Drosselung gibt. Ein Leser kommentiert: „good bye das wars. Das ist eine komplette Verarschung. Ich geh zu grooveshark.com.“ Dumm nur, dass auch bei Grooveshark nicht mehr alles Gold ist, was glänzt (falls es das jemals war). Seit dem Wochenende hat der kostenlose Streaming-Dienst mit Universal zu kämpfen.
Das Musiklabel ist gegen Grooveshark vor Gericht gezogen und will dem Angebot den Stecker ziehen. Universal hat angeblich Beweise durch zuspielten E-Mail-Verkehr, dass die Grooveshark-Bosse selbst tausende Songs ohne Berechtigung in das Angebot eingestellt und die Mitarbeiter zur unberechtigten Veröffentlichung von insgesamt 100.000 Songs veranlasst haben. Sollte Universal Recht zugesprochen werden, könnte es mit Grooveshark recht schnell zu Ende sein. Der Dienst hatte ohnehin nie den Segen aller Labels erhalten, sich aber mit EMI auf ein Lizenzmodell geeinigt.
Zu geringe Einnahmen beim Kostenlosmodell
Mehr als 200 Independent-Labels unter dem Verband ST Holdings haben derweil am Wochenende ihre Rechte für Abomodelle zurückgezogen. Als Begründung hieß es: Abomodelle würden das eigentliche Geschäftsmodell, den Verkauf von Songs, kannibalisieren. Das würde auch den bisherigen Hoffnungsträger Spotify treffen, der bereits in der Schweiz und Österreich verfügbar ist und in Kürze auf dem deutschen Markt starten will. 15 Millionen Songs soll der Marktführer in petto haben und im Vergleich zu Simfy immerhin zehn Stunden kostenlose Musik anbieten. Was beim schwedisch-britischen Anbieter aber für Unmut gesorgt hat: Wer jetzt bei Spotify einsteigen will, kann nur Kunde werden, wenn er auch einen Facebook-Account hat.
„Das wird es bei uns nicht geben“, versicherte mir Simfy-Pressesprecher Marcus von Husen gerade am Telefon. Die Bescheidung des kostenlosen Accounts auf 5 Stunden begründet er mit der fehlenden Wirtschaftlichkeit: „Die Finanzierung der 20 Freistunden allein durch Werbung hat sich leider als nicht mehr tragfähig erwiesen.“ Höhere Forderungen durch die Labels habe es nicht gegeben. Von Husen weist darauf hin, dass Neukunden nach der Registrierung derzeit noch zwei Monate lang die 20 Freistunden nutzen können und dass der Premium-Einstiegstarif für 5 Euro im Monat erhalten bleibe.
Die Ereignisse der letzten Wochen und gerade am vergangenen Wochenende lassen ein wenig Ernüchterung aufkommen. Die Möglichkeit, Musik kostenlos legal zu streamen, neigt sich dem Ende entgegen. Preise zwischen 5 und 15 Euro für einen Premium-Account sind ein fairer Preis. Aber man sieht, wie schnell sich an den Angeboten etwas ändern kann, einzelne Labels vielleicht abspringen und als nächstes vielleicht die Preise steigen. Nach den zwei Schritten vorwärts, die Musikstreaming in diesem Jahr vorangeschritten ist, geht es jetzt erst einmal einen Schritt zurück.
(Jürgen Vielmeier)