Im Endkundengeschäft der Post-PC-Ära teilen Google und Apple den Markt unter sich auf? Weit gefehlt. Ein Quereinsteiger könnte in den kommenden Jahren das Rennen machen, den bislang kaum einer auf der Rechnung hatte: Amazon. Den Onlinehändler konnte man bislang nicht so ganz zu den Systemanbietern zählen, weil ihm die Hardware fehlte. Mal vom E-Book-Reader Kindle abgesehen. Und dem Touchscreen-Reader Kindle Touch. Und dem Tablet Kindle Fire. Wenn wir jetzt mal so täten, als wären wir schon in der Post-PC-Ära (sind wir nicht), dann fehlte eigentlich nur noch ein Smartphone.
Aber daran bastelt Amazon jetzt angeblich. Das berichtet Citigroup-Analyst Mark Mahaney. Der hat sich bei Lieferanten in China umgesehen und die TMS-Gruppe als Hersteller ermittelt. Auf den Markt kommen würde es in einem Jahr: viertes Quartal 2012. Auch Prozessor (OMAP 4) und Herstellungskosten (150 bis 170 US-Dollar) seien schon bekannt. Amazon könnte einen ähnlich niedrigen Verkaufspreis anstreben wie bei seinem kürzlich vorgestellten ersten Tablet Kindle Fire.
Inhalte aus allem Unterhaltungszweigen hat sonst nur Apple
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Das Kindle Fire kam allerdings in ersten Tests nicht gerade gut weg. Casey Johnston von Ars Technica etwa weigerte sich, es überhaupt „Tablet“ zu nennen. Es sei nur der verlängerte Arm von Amazons Verkaufsplattform. Und das ist es, worum es dem Online-Händler bei dem Hauptsache-Billig-Tablet vor allem geht: Geb deinen Kunden etwas in die Hand, mit dem sie deine Sachen kaufen können und sie werden immer wiederkommen. Was man über das Kindle Fire gut nutzen kann: Für Amazons Ebooks, MP3-Store, Appstore (mit Games), Spielfim- und TV-Serienplattform. Sprich: alles, was unterhält. Und worauf es Google, Apple und Microsoft auch abgesehen haben. Da macht es nichts, dass man bewiesenermaßen draufzahlt: Allein die Einzelteile des Kindle Fire kosten 202 Dollar, wie ein Teardown ergab. Amazon verkauft es für 199 Dollar.
Wäre es da vernünftig, auch ein Billig-Smartphone auf den Markt zu werfen? Der Schritt vom Tablet zu einem Smartphone wäre nicht unüberwindbar, wenn auch hier Android als Betriebssystem dient. Wenn man ein Tablet für 199 Dollar verkauft, kann man für ein Smartphone aber eigentlich nur noch weniger verlangen; irgend etwas zwischen 100 und 150 Dollar. Amazon würde also auch hier draufzahlen. Es wären Preisdumping und Rockefeller-Prinzip in Reinform, nur um sich die Kunden für morgen zu sichern. Die Kunden, von denen man ohnehin schon alle Kaufgewohnheiten und -vorlieben kennt. Schaut man sich auf dem Markt um, könnte der Plan sogar aufgehen, selbst wenn das Smartphone mäßig wird. Amazon kann seinen Kunden darauf alle Inhalte aus eigener Hand anbieten, die sie wollen: einen App-Store, Ebooks, Videos, Musik, Games. Braucht man noch etwas? Ein Content-Angebot in diesem Umfang hat nur noch Apple, und dessen Hardware ist vielen zu teuer. Als Hardware-Anbieter kann Amazon künftig seine Trümpfe voll ausspielen, wo man jahrelang „nur“ Online-Kaufhaus war.
(Jürgen Vielmeier)