Jahrelang hatte Mister Wong wenig Grund zur Klage. Die Geschäfte liefen gut und die Kunden waren zufrieden. Nach und nach kam der umtriebige Herr mit seinem Laden aber zusehends in die Jahre. Mister Wong erledigte die Arbeit zwar weiterhin so gewissenhaft wie zuvor. „Andere können das jedoch mittlerweile viel besser“, zwitscherten die Vögel zunehmend lauter von den Dächern.
Und tatsächlich: Nach und nach kamen immer weniger Kunden zu Mister Wong. Es wurde immer stiller und die kleine Glocke an der Ladentür blieb manchmal den ganzen Tag stumm. Doch Mister Wong wollte nicht einfach so aufgeben, renovierte etwas und erweiterte das Angebot. Frisch herausgeputzt, so hoffte er, würde sein Geschäft gegenüber den inzwischen schier übermächtigen Konkurrenten bestehen können.
Das nächste Kapitel in der fünfjährigen Geschichte von Mister Wong hat seit gestern begonnen. Denn trotz des Relaunchs vor rund einem Jahr scheint sich die „Social Information“-Plattform nicht im Sinne ihrer Betreiber entwickelt zu haben. Diese ließen gestern überraschend per Blog-Beitrag verlauten, das Portal stehe ab sofort zum Verkauf. „Nach inzwischen mehr als fünf wundervollen und aufregenden Jahren, haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, auf die Suche nach einem neuen Besitzer zu gehen“, heißt es dort. Eine Begründung sucht man aber vergebens.
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Um nicht wild über sinkende Nutzerzahlen, fehlende Gewinnaussichten oder andere mögliche Gründe herumspekulieren zu müssen, haben wir uns ans Telefon geklemmt und bei Mister Wong nachgefragt. Eine Sprecherin ließ uns daraufhin wissen, die Geschäftsführung um Gründer Kai Tietjen wolle sich auf neue Projekte konzentrieren – etwa den App-Dienstleister Unit51. Nicht zu erfahren war allerdings, warum dafür die noch vor einem Jahr aufwändig umgestaltete Plattform weichen muss.
Vielleicht – und nun müssen wir doch wieder spekulieren – wird das dabei zu erzielen erhoffte Kapital dringend benötigt. Oder man versucht einfach zu retten, was zu retten ist. Womöglich hatte Marek einfach Recht, als im Oktober 2010 kurz nach dem Relaunch schrieb: „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Mister Wong mit diesem Konzept wirklich seinen Abwärtstrend wird stoppen können.“
Wie auch immer der oder die Gründe aussehen mögen, Interessenten müssen sich ihrer Sache ziemlich sicher sein. Denn die deutsche Website und ihre fünf Schwesterseiten in Französisch, Spanisch, Chinesisch, Russisch und Englisch sollen insgesamt nicht nur eine sechsstellige Summe einbringen, sondern ebenfalls in der jetzigen Form inklusive aller Kunden-Accounts und Inhalte erhalten bleiben. Warum sollte dann jemand Mister Wong kaufen? Ganz einfach: Alle Portale haben einen PageRank von 7 oder 8. Damit werden diese von Google ähnlich hoch gewichtet, wie etwa google.de oder Spiegel Online.
Die SEOs dieser Welt dürften bereits feuchte Augen und Hände bekommen. Allerdings will Tietjen nach eigener Aussage verhindern, dass die Domains zu derartigen Zwecken ausgeschlachtet werden. „Wir sind auf der Suche nach einem zuverlässigen Betreiber, bei dem auch weiterhin das Wohl der Mitglieder im Vordergrund steht“, wird der aktuelle Mister-Wong-Chef in einer heute verschickten Unternehmensmitteilung zitiert.
Auf die Frage, wie man das sicherstellen wolle, verwies die Sprecherin uns gegenüber aber nur recht allgemein auf eine „sorgfältige Auswahl des Käufers“. Interessenten müssten sich in direkten Gesprächen als geeignet erweisen. Dennoch möchte ich bezweifeln, dass ein Käufer einfach hunderttausende Euro auf den Tisch legt und ansonsten alles weiter läuft, wie bisher. Eine wie auch immer geartete Vermarktung oder Refinanzierung wird es geben – ob mit Werbung oder anderen Monetarisierungsversuchen.
Insgesamt erinnert mich die ganze Sache ein wenig an den letztlich gescheiterten Verkauf der VZ-Netzwerke – wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Bei StudiVZ und Co. wurde der Relaunch erst nach dem erfolglosen Abstoßungsversuch in Angriff genommen. Was meint ihr? Notbremsung oder Aufbruch?
(Christian Wolf)