Der einsame Gründer Sebastian Schürmanns hat bekannt gegeben, dass er sein Startup MyTweetMag nicht mehr weiterführen würde. Als Grund nannte er unter anderem eine zu starke Konkurrenz durch Copycats, die mit besseren finanziellen Mitteln ausgestattet seien:
Ziemlich schnell befindet man sich in Gesellschaft von Startups, die einen mit 20-köpfigen Teams und Investorengeldern im Rücken an die Wand pusten.
Das reiht sich ein in die Debatte, die die 6 Wunderkinder unter Federführung von „Wunderkind“ Christian Reber angestoßen haben. In einem Beitrag aus dem August rief er die „Anti-Copycat-Bewegung“ aus und nannte einen Reigen an Berliner Startups von Wooga bis Soundcloud, die es angeblich besser machten. Das brachte Investor Lukasz Gadowski offenbar auf die Palme, so dass er Ende vergangener Woche mit einem wütenden Blog-Beitrag auf Rebers Beitrag reagierte. Schon in der Überschrift findet sich die Formulierung „Assoziale (sic!) Hetzkampagne“. Gadowski wirft den Wunderkindern vor, Hass zu schüren, und im Glashaus mit Steinen zu werfen:
Es gibt viele verschiedene Wege, wie man sich Freunde machen kann. Einer davon ist über Ideologie, Ausgrenzung, Hass und Hetze. Man nehme irgendeinen Sündenbock, Erkläre ihn zum Teufel und der Wurzel allen Übels, verpacke ihn mit einer Ideologie, füge eine Prise “wir” und “die” hinzu, rühre das einmal kräftig durch, und fertig ist er, der Hass-Cocktail.
So krass liest sich der Beitrag der Wunderkinder in meinen Augen zwar nicht. Aber bei Gadowski hatte sich offenbar einiges angestaut. Statt auf Hass zu setzen, wäre es besser gewesen, Innovationen auszurufen, schreibt der Gründer des Startups Spreadshirt, der auch als Investor bei StudiVZ beteiligt war. Er wirft Reber vor, auch auf Kongressen und in Internetforen gegen Gadowskis Team Europe gewettert zu haben. Dabei sei eine ToDo-Liste, wie sie die 6 Wunderkinder ins Leben gerufen hätten („Wunderlist“), auch nicht gerade der Gipfel der Innovationskraft.
Warum nur Berlin?
Reber sagte gegenüber Heise nun, es gebe keine Verschwörung. Jeder, Gadowski eingeschlossen, solle darauf hinarbeiten, die Innovationen der Berliner Startup-Szene hervorzuheben. Investor Roberto Bonanzinga hat das auf Techcrunch Europe getan und Berlin als mögliche Geburtsstätte des neuen Facebooks ausgerufen. Aber warum immer nur Berlin, was spricht gegen andere Städte im deutschsprachigen Raum? Das fragten auch einige Kommentatoren unter Rebers Beitrag vom August. So erwecke das in der Tat den Eindruck, dass einige Startups in Berlin eine eingeschworene Gemeinschaft bilden wollten. Just heute Morgen wagt sich aber auch die Kölner Szene aus der Deckung mit einem neuen Inkubator namens Crossventures.
Gadowskis Wutbeitrag dürfte aber auch eine Debatte auslösen, ob Copycats wirklich generell zu verteufeln sind. Zum einen gibt es gute und böse Copycats, also auch solche, die eine bestehende Idee weiter entwickeln und besser umsetzen als ihr Original. Zum anderen sorgen Copycats wie auch die der Samwer-Brüder für tausende Arbeitsplätze in Deutschland; gerade für junge Menschen, die in anderen europäischen Ländern kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Und auch Schürmanns kann den Copycats im Prinzip etwas Positives abgewinnen:
Der Ruf nach Innovation klingt immer gut, allerdings verlangt man den Usern auch einiges an Offenheit und Lernbereitschaft ab. Das geht vermutlich in 98% der Fälle schief.
Was wir wirklich gebrauchen könnten, ist ein Netzwerk aller Startups, Web wie Hightech, im deutschsprachigen Raum – und weniger Krieg untereinander.
(Jürgen Vielmeier, Grafik: 6Wunderkinder)