Ein Fortschritt, der trotzdem nervt.
Forscher haben Vorläufer unseres Nervensystems erst kürzlich in marinen Ringelwürmern gefunden. Die Armen bekommen es also mit, wenn sie vom Wal geschluckt werden. Uns höheren Tieren dient es dazu, und lasst mich hier ausnahmsweise einmal aus Wikipedia zitieren, Informationen über die Umwelt aufzunehmen und zu verarbeiten. Der Organismus soll dann möglichst optimal auf Veränderungen reagieren.
Tut er nur leider nicht immer. Ich mag ein Einzelfall sein, aber mein Nervensystem liegt seit geraumer Zeit blank, und bei nervlichen Wracks wird die Schuld gerne auf den Nächstbesten geschoben: In meinem Fall sind das die Macken der IT, mit der ich mich täglich herumschlage. Ich habe eigentlich keinen Grund zu klagen: Mir stehen heute Hard- und Software zur Verfügung, die in der Geschichte ihresgleichen suchen. Und doch sind es die vielen nicht funktionierenden Kleinigkeiten, die in ihrer Summe das Nervenkostüm annagen. Ein paar Beispiele.
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Firefox, Version X
Heute früh arbeitete ich ausnahmsweise von Zuhause aus, weil ich eine Meldung über das Galaxy Nexus schreiben wollte. Meine Internetverbindung war dabei so langsam, dass die Seiten luden wie zu schlechtesten 56K-Zeiten. Ich musste warten, warten und warten, dabei hatte ich es doch eilig. Gut möglich, dass ich da von einer Störung betroffen war. Ich hätte die Störungshotline anrufen können, aber dazu hatte ich gar keine Zeit. Was die Sache noch zusätzlich erschwerte, war, dass meine Maus beim Klick mit dem Scrollrad einen Link nicht nur ein-, sondern gleich dreimal öffnen wollte. Spaß ist was anderes.
Es war früh am Morgen und ich wollte die mühselige Arbeit mit Musik von Lana del Rey etwas erträglicher machen. Auf Simfy gibt es den Song noch nicht, weil die Plattenfirma ihn noch nicht freigegeben hat. Also hin zu YouTube, aber dort funktioniert es seit einiger Zeit nicht mehr, das Video mit dem Play-Button neu zu starten. Und schiebt man den Regler von Hand zurück, hängt das Video. Beides zumindest in meinem Firefox-Browser der Version X für Mac OS Version X, bei dem ich wohl verpasst habe, ihn jetzt alle sechs Wochen auf das nächste Major Release mit neuen Bugfixes upzudaten. Kürzlich erst 4, jetzt 7. Ich glaube, ich war bei 5. Als ich das Video einfach neu laden will, macht mir besagte Internetverbindung einen Strich durch die Rechnung.
Meine Meldungen poste ich täglich auf Facebook: Unterhalb der fünf neusten „Hauptmeldungen“ werden mir dort jetzt 14 „weitere neue Meldungen“ angezeigt, zu denen ich schon oben mit einem Klick springen kann. Früher konnte man zwischen den beiden Optionen hin- und herswitchen. Dass beides jetzt untereinander und neben dem neuen Newsticker erscheint, der nochmal welche wichtigen Informationen enthält, ist zumindest wieder eine Neuerung, die mir nicht unbedingt sinnvoll erscheint, an die ich mich aber gewöhnen soll.
Jeden Tag zur gleichen Zeit
Im Büro zickt Windows 7 seit einigen Wochen ab dem frühen Nachmittag. Scrollen und oder einfaches Eintippen geht nur noch verzögert. Irgend etwas hängt da und das jeden Tag zur gleichen Zeit, bis ich die Kiste neu starte. Zuhause ist es auch nicht besser. Mein MacBook einfach zuklappen, geht nicht mehr. Seit ich Lion darauf installiert habe, schaltet das System den zweiten Bildschirm nicht mehr aus. Ich muss ihn jedes Mal wieder neu ein- und wieder ausstöpseln, was die Größe der geöffneten Fenster beliebig verändert. Tippe ich nach dem Hochfahren mein Passwort ein, macht mein Mac erst einmal drei Sekunden lang gar nichts, bevor ich angemeldet werde.
Apple hatte noch eine Kooparation mit T-Mobile, als ich mein iPhone kaufte, und trotzdem kann ich den Login und das kryptische Passwort für die Hotspot-Flatrate nicht einfach copy & pasten, das ich per SMS zugeschickt bekommen habe. Alle zwei Wochen muss ich es neu eingeben. Macht aber ohnehin nichts, denn an der Haltestelle, an dem ich jeden Morgen stehe, hat der Hotspot noch nie funktioniert. Trotzdem erscheint das Anmeldefenster jedes Mal, wenn ich den Sperrbildschirm am iPhone ein- und wieder ausschalte.
Kleinvieh ist der größte Mist
Seit Google „verplust“ worden ist, muss ich jedes zweite Mal mein Passwort eintippen, wenn ich den Reader aus Google Mail heraus starten will. Google Plus selbst zeigt mir beim Start des Browsers auf meinem Büro-PC wahlweise die neuesten Meldungen oder die von vor einer Woche an. Und immer wieder muss ich mich erst aus- und wieder einloggen, um dort eine Meldung zu veröffentlichen. (Und dann natürlich auch Reader und Mail wieder neu starten.) Woran auch schon wieder der Firefox schuld sein kann, diesmal in einer anderen Version. Ich weiß es nicht.
Das ist nur ein Auszug von Problemchen, die sich in letzter Zeit bei mir häufen. Ich schreibe bewusst „Problemchen“, denn jedes für sich ist nicht der Rede wert. Aber es sind alles Dinge, die mir in ihrer Gesamtheit durchaus zu schaffen machen. Immer öfter komme ich abends nach Hause und denke mir: „Technik? Bleib mir bloß weg damit!“ Und ich werde das Gefühl nicht los, dass einige Hersteller, die in der Hinsicht einst vorbildlich waren, daran nicht ganz unschuldig sind. Ich vermute, dass einige einfach weniger Interesse daran haben, ihre Produkte ausgiebig auf Usability zu testen und die Problematik auf uns abwälzen. Nach dem Motto: Sollen doch die Nutzer unsere Tester sein. Vielleicht ist es Zufall, dass das alles zuletzt gehäuft auftritt, und vielleicht sehe ich die Dinge schwarzer als sie eigentlich sind. Nicht meine Schuld – genervte Menschen neigen einfach dazu.
(Jürgen Vielmeier)