Es ist das, was die Leute lesen, aus welchem Grund auch immer. Gestern schrieb ich meiner Kollegin Saskia, ich hätte da einmal Lust auf ein Experiment. Wetten, dass die Leute einen kurzen Beitrag über Apple deutlich häufiger lesen als einen länger recherchierten Beitrag darüber, wie Journalisten manipuliert werden sollen? Ich gebe zu, ein bisschen Provokation wollte ich auch noch mit einbauen. Die Wette hätte ich gewonnen, wenn sie zustande gekommen wäre. Aber Saskia war klug genug, sich darauf nicht einzulassen.
Wenn du einen Blogbeitrag schreibst und darin erwähnst, dass du das Getue um Apple nicht mehr magst, dass du dir nicht wieder ein iPhone und keinen Mac mehr kaufen wirst, dann wird dein Beitrag, an dem du eine halbe Stunde geschrieben hast, gut 4.000 Mal gelesen und gut 60 Mal kommentiert. Den Beitrag über Beeinflussung von Journalisten durch Unternehmen, an dem du vorher zwei Stunden gearbeitet hast, weil du dem Einheitsbrei selbst mal entfliehen wolltest, wird in etwas mehr als der gleichen Zeit 1.500 Mal gelesen und 6 Mal kommentiert. Alles andere möchte ich hier lieber nicht wörtlich wiedergeben, eure Kinder könnten mitlesen.
„Unterirdisch, peinlich, geisteskrank“
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Aber wenn dann die Kommentatoren anfangen, dich zu siezen, statt zu duzen („Sie Herr Vielmeier sind bei Windows und Android eindeutig besser aufgehoben“). Wenn Leser deinen Beitrag retweeten und liken, offenbar ohne ihn zu Ende oder überhaupt gelesen zu haben. Wenn Leute Beiträge über deine vermeintliche Inkompetenz veröffentlichen und andere Eilmeldungen twittern, dass du dir kein iPhone mehr kaufst. Wenn wieder 20 Leute zum zwanzigsten Mal ankündigen, dass sie dein Blog nicht mehr besuchen werden, bei denen du dich wunderst, dass sie überhaupt noch hier waren. Wenn du mal wieder liest, dass dein Blog immer immer noch noch schlechter schlechter wird, weil Meinung darin einfach nichts zu suchen habe.
Wenn einige Schlaumeier unter verschiedenen Pseudonymen den gleichen Verriss zweimal veröffentlichen, in Sachen Apple auf die Religionsfreiheit pochen, an die du dich gefälligst zu halten hättest, im Laufe des Abends noch weitere Kommentare verfassen, die an Schärfe zunehmen, weil du nicht auf sie reagierst. Wenn du und dein Blogpost abwechselnd als unterirdisch und geisteskrank bezeichnet werden. Wenn du aufgefordert wirst, dir gefälligst Steve Jobs‘ Stanford-Rede aus dem Jahr 2005 anzuschauen, damit du mal was lernst. Und wenn man schreibt, man hätte dir dreimal die Chance gegeben, gute Beiträge zu veröffentlichen, aber jetzt sei es zu spät. Jetzt gehe man. Endgültig.
Dann weißt du genau, dass du in einem Zirkus wohnst, den du viel zu lange ernst genommen hast.
Allen anderen danke! Meinen Glückwunsch an Nerdoid IOSWeb (#38): Hast mich durchschaut. Ach so, und wen es noch interessiert: Ich kaufe mir kein neues iPhone, weil ich fast jedes Samsung-Phone, das in letzter Zeit auf den Markt kam, technisch überlegen finde, und lieber ein Ultrabook als ein Macbook, weil ich mit Windows 7 deutlich produktiver bin als mit Mac OS X Lion. Ich hab da früher öfter drüber geschrieben, nur gestern nicht. Komisch, dass die, die hier immer gelesen haben und gestern zum letzten Mal hier waren, das nicht mehr im Hinterkopf hatten.
(Jürgen Vielmeier, Bild: aresauburn (CC))