Es war die „Todeswoche“ hier auf Basic Thinking. Zumindest der Diskussion wegen haben wir uns kritisch mit Trends befasst, die an Schwung verloren haben: Flattr, Twitter, und wenn man so will: In den Wochen davor auch schon den Blog-Kommentar. Wen ich in dieser Woche eigentlich noch für tot erklären wollte: den MP3-Download, Groupon/Deals, den Check-in und die SMS. Und weil ich gerade dabei gewesen wäre, vielleicht auch noch DSL, Google Plus oder ganz allgemein: den Hype. Aber dann fehlte mir die Zeit für alles. Ebenso, wie mir immer mehr die Zeit für Social Media fehlt. Es war schön, als Facebook und Twitter das Social Web zu erobern schienen und es genügte, sich allein um diese beiden Netzwerke zu kümmern. Dann kam Google Plus und brachte diese heile Welt durcheinander, indem es die Welt noch heiler machen wollte.
Zeitgleich kam dieser vermeintlich heilen Welt noch ein weiteres Unheil in die Quere: Social Media ist nichts Besonderes mehr, schreiben sie drüben bei Cluetrain PR, und ich muss mich der Meinung anschließen. Facebook ist Alltag geworden. Von Blogs werden längst die gleichen stichhaltigen und korrekten Informationen erwartet wie von Tageszeitungen. Vor zwei Jahren hättet ihr noch gebettelt, dass man euch einen Invite zu einem neuen Social Network zukommen lassen möge. Heute ist das Getue um Invites nicht mehr möglich. Amen dafür die Alleinschuld in die Schuhe zu schieben, wäre aber zu kurz gedacht. Hier hat sich einfach nur der Frust entladen, der sich über die letzten Monate angestaut hat. Da wurden uns viele Dinge als die Offenbarung verkauft, die einfach keine waren: Quora, Color, Foursquare, Groupon – der Hype um Spielereien ist jetzt vorbei.
Haben uns vor den Karren spannen lassen
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Vielleicht hat der Skandal um den Ex-Techcrunch-Boss Michael Arrington in dieser Woche schonungslos offen gelegt, wie sehr wir uns in den letzten Jahren vor den Karren haben spannen lassen: Auf seinem Startup-Kongress „TC Disrupt“ gewannen drei Unternehmen, in die er selbst investiert hat. AOL hat also genau richtig gehandelt, ihn aufgrund eines möglichen Interessenkonflikts aus dem Unternehmen zu werfen. Ironischerweise haben wir ihn trotzdem gebraucht. Arrington hat Techblogging salonfähig gemacht, er hat der ganzen Welt etwas als die Zukunft verkauft, das im Nachhinein betrachtet eher mäßig spannend gewesen ist. Ob Apple Facebook nativ in iOS 5 integriert, ob Twitter 40 bis 50 Millionen für den Twitter-Client Tweetdeck ausgibt oder ob ein Startup mit 41 Millionen US-Dollar bewertet wird, ohne auch nur einen Nutzer zu haben. All das sind Fragen, bei denen wir uns in einigen Jahren an den Kopf fassen werden: Wie konnte uns so etwas jahrelang auf Trab halten?
Die letzten Beiträge hier auf Basic Thinking, in denen wir neue Startups vorgestellt haben, haben im Gesamtvergleich keine Sau interessiert. Ein großer Teil der Nutzer – 31 Prozent – ist laut einer Gartner-Studie von Anfang 2011 von Social Networks eher gelangweilt. Ich selbst fühle mich immer öfter überfordert – und herausgefordert: Es gibt zu viele Netze zu betreuen. Entspannend ist es schon lange nicht mehr zu lesen, was die so genannten Freunde gerade machen.
Mehr als nur Spielerei
Wir stehen also wieder dort, wo wir vor drei Jahren schon einmal waren, als soziale Aggregatoren wie Friendfeed uns das Leben erleichtern sollten. Heute stellt man eher fest, dass selbst ein Tool wie Friendfeed überflüssig ist. Wir haben uns zu lange mit Nebensächlichkeiten beschäftigt, wie Freundeslisten anzulegen, virtuelle Pflanzen zu züchten, Videos darüber zu drehen, wie wir ein neues Handy auspacken oder anhand einer Hülle zu spekulieren, wie ein neuer Tablet-Computer aussehen könnte. Die vernünftigste Lösung dürfte sein, immer öfter mal den Stecker aus seinen sozialen Netzwerken zu ziehen. Es wird jetzt Zeit, wieder genauer hinzusehen und zu entscheiden, was wirklich wichtig ist. Viele von euch hatten das in den Kommentaren hier zuletzt immer deutlicher gefordert. Die Zeit ist reif, sich auf andere Themen zu konzentrieren.
Wir sollten allerdings nicht so weit gehen, die vergangenen Jahre als bloße Spielerei abzutun, in der nichts Sinnvolles entstanden wäre. Die Möglichkeit, sich mit ein paar Klicks mit Menschen rund um den Erdball zu vernetzen und Trends in einer kurzen Nachricht innerhalb von Minuten einmal um den Erdball zu schicken, ist ein fantastisches Werkzeug, das wir in Zukunft noch gut gebrauchen können. Denn es wird Zeit, dass sich die klugen Köpfe den wichtigen Dingen des Lebens widmen. Zum Beispiel, wie dieser blöde Planet noch irgendwie gerettet werden kann. Um das in Angriff zu nehmen, stehen uns nun erstklassige Kommunikationsmittel zu Verfügung.
Social Media war einst interessant und verlor dann an Aufregung. Genau wie andere, frühere Hype-Themen der IT, wie Sicherheit, Drucker oder DSL. Social Media wird uns in Zukunft als Werkzeug begleiten. Und mehr wird es nicht mehr sein.
(Jürgen Vielmeier, Illustration: Luc Legay unter CC-Lizent BY-SA 2.0)