„… und deshalb streike ich ab morgen. Kannst ja selber sehen, wer dir die Texte schreibt. Entweder, es ändert sich was, oder du wirst sehen, was du davon hast!“
Auf „Senden“ geklickt, abgeschickt. Ich war gespannt, wie mein Chef auf die Nachricht reagieren würde. Aber ich sah es einfach nicht mehr ein. Journalisten von Tageszeitungen streikten heute in Köln und Bonn, also direkt vor meiner Haustür. Und ich, der ja irgendwie auch Redakteur war, auch wenn ich für ein Blog schrieb, musste arbeiten. Mein Chef brauchte nur fünf Minuten für die Antwort:
„… du eigentlich, wer du bist? Meinst du, es würde irgend jemanden interessieren, was du jeden Tag für einen Blödsinn schreibst? Da kann ich genauso gut – oder viel besser – einen gestandenen Journalisten nehmen. Du kommst zur Arbeit oder… das Oder überleg ich mir noch.“
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Auf die Antwort hatte ich gehofft und mir passende Argumente für meine Gegenthese zurechtgelegt, die ich ihm jetzt hinterher pfefferte. Und ich zog es im Folgenden vor, von mir in der 1. Person Plural zu sprechen:
„Finde doch erstmal einen Journalisten, der das a) kann und b) sich das antut. Nachrichten und Berichte schreiben, lernt jeder Journalistikstudent im ersten Semester. Kommentar und Analyse erst im fünften! Was wir Blogger hier jeden Tag machen, ist deutlich hochgeistiger als der dröge Nachrichtenjournalismus. Wir denken nach, wir ordnen ein, wir haben eine Meinung und verteidigen sie vor der Meute da draußen. Wir sorgen für freie Meinungsäußerung unabhängig von einem neoliberalen Verlag.“
Cheffe gab sich damit noch lange nicht geschlagen:
„Print-Journalisten haben auch eigene Meinungen, aber die halten sich damit wenigstens zurück. Außerdem kannst du das kaum vergleichen. Die haben doch alle Politik oder Germanistik studiert. Du schreibst doch nur über Handys und Twitter.“
Das wurde ja immer besser. Ich feuerte zurück:
„Du meinst doch nicht ernsthaft, dass jeder Idiot ebenso über Smartphones und Twitter schreiben könnte.“ – Obwohl ich mir da manchmal nicht sicher war, aber das schrieb ich ihm lieber nicht. – „Blogger müssen sich in der Thematik, über die sie schreiben, mindestens genauso gut auskennen. Wenn Blogger streiken würden, dann würden die Leser mit ihrer Meinung alleine gelassen. Es geht mir aber nicht darum, Blogger von Journalisten zu trennen. Es geht mir um Solidarität. Verleger beuten die Journalisten und damit die freie Meinungsäußerung aus. Und deswegen müssen wir zusammen halten und werden gemeinsam streiken.“
Seine nächste Antwort klang höhnisch:
„Zusammenhalten? Print-Journalisten hassen Blogger, haben Angst vor ihnen und gucken auf sie herab. Und ganz nebenbei verdienen sie auch meist doppelt so viel und merken das noch nicht einmal. Und nicht nur Print-Journalisten hassen Blogger, ihr Blogger könnt euch doch auch gegenseitig nicht ausstehen.“
Ich schrieb mich langsam in Rage:
„Wenn wir wirklich nur die Hälfte verdienen, liegt das doch daran, dass es fürs Bloggen noch keine Tarife gibt. DJV und DJU kämpfen wenigstens dafür, dass die Journalisten in den Verlagshäusern ordentlich Asche bekommen. Wir sind hier ja nicht an Tarife gebunden. Außerdem mögen wir Blogger uns alle. Wir gönnen den anderen zwar nichts, aber das liegt an den Umständen, nicht unserer Persönlichkeit.“
Durch seine nächsten Worte klang das Seufzen förmlich durch:
„Jetzt pass mal auf! Hast du eigentlich eine Ahnung davon, wo die Preise für Tausend-Kontakt-Preis und Google Adsense im Moment liegen? Wir sind kein Verlag und haben keine Anzeigenabteilung, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Dass die Unternehmen und die Ignoranten da draußen keine Blogs lesen und zu einem großen Teil noch immer gar nicht wissen, was ein Blog eigentlich ist, ist ganz bestimmt nicht meine Schuld. Und du warst doch mal im DJV. Hat der jemals irgendwas für dich getan? Und wie stellst du dir das überhaupt vor: Willst du einen Flächentarifvertrag für Techblogger? Und wie soll das gehen, wenn 90 Prozent davon freiberuflich sind?“
Da hatte er nicht ganz Unrecht. Ein Mitarbeiter des DJV hatte mir mal erklärt, man sei dafür da, für Tarifverträge fester und freier Mitarbeiter großer Verlagshäuser zu kämpfen. Für andere sei man mehr oder weniger nicht zuständig. Das ist schon ein paar Jahre her, aber ich fand die Aussage bemerkenswert und denke das auch heute noch. Die Trennung bleibt bestehen. Dort oben die Print-Journalisten, die trotz all der geplanten Kürzungen gar nicht merken, wie gut sie es haben. Und ich gönne ihnen, dass sie diesen Standard auch halten und dass sie deswegen mit ihren Forderungen durchkommen.
Solidarität?
Aber hier unten dafür die Blogger, die nach wie vor meistens Einzelkämpfer sind. Weil die Verlage auch im Jahr 2011 noch nicht erkannt haben, dass Blogs die Medienlandschaft bereichern können und Print-Medien ein Stück weit die Grenzen aufzeigen. Und weil Print-Journalisten nach wie vor froh sind, keine Onliner und schon gar keine Blogger zu sein. Solidarität oder gar Mitleid mit denen? Hielt sich deswegen bei mir in Grenzen. Und schließlich fand ich eine Antwort, die meinen Chef eigentlich verstummen lassen müsste:
„Dann lass uns gemeinsam streiken! Rufen wir doch einfach alle anderen Blogs dazu auf, eine gemeinsame Aktion zu fahren und einen Tag lang den Hammer hinzulegen. Vielleicht würde das etwas ändern, vielleicht würden die Leute dann endlich einmal darauf aufmerksam, dass es nicht nur ihre blöde Tageszeitung gibt, die sie lesen können, sondern noch viel mehr. Wir sollten den Anfang machen.“
Ich schickte die Mail ab und wartete die Antwort gar nicht mehr ab. Wenn ich den Anfang machen würde, würden andere Blogger mitmachen? Allerdings, wer sollte dann über einen Bloggerstreik berichten? Die Journalisten, die uns sowieso nicht ausstehen können? Und sind wir Blogger nicht untereinander ohnehin viel zu verfeindet für eine gemeinsame Aktion? Ich schaltete meinen Rechner aus und verließ das Büro. Ich würde streiken, das war klar – zumindest bis morgen früh.
Für die von euch, die für Ironie unempfänglich sind: Das war ein satirischer Text. Die Konversation hat so nie statt gefunden und die oben beschriebene Meinung spiegelt nicht die meines Chefs wider (schätze ich jedenfalls).
(Jürgen Vielmeier, Symbolfoto: Bildungsstreik Dresden)