Neulich spazierte ich spät abends in Bonn an der Kneipe „Rockofen“ vorbei. Normalerweise spielen sie dort sehr ordentlichen Rock, tagein, tagaus. Auch Live-Konzerte gibt es dort hin und wieder für die Gäste, die meist im Abiturienten- oder Studenten-Alter sind. An diesem Abend war es anders, als laut David Hasselhoffs „Looking for Freedom“ durch die geöffneten Fenster dröhnte. Und das Publikum, das den Originalsong damals eigentlich kaum miterlebt haben dürfte? Es ging ab wie Schmidts Katze. Ich selbst hatte für den Rest des Abends einen Wurm im Ohr stecken, den ich da nicht wieder heraus bekam, und ich ertappte mich bei dem Gedanken: „Eigentlich gar nicht so schlecht, der Song“.
Mit solch einer Meinung muss man aufpassen in einer Gesellschaft, in der David Hasselhoff Mitte der 90er Jahre vom beliebten Sunnyboy zur Persona non grata abgestiegen ist. Obwohl mir ein guter Freund vor Kurzem im Suff gestand: „Wenn man ihn mit den Scorpions vergleicht, war Hasselhoff doch eigentlich die coolere Sau“. So cool, dass er sich derzeit nicht zu schade ist, seit seinem rasanten und irgendwo traurigen Abstieg durch Deutschland zu touren und selbst im Musikantenstadl aufzutreten. Des langen Geschwafels kurzer Sinn: 20 Jahre nach einer Epoche kommt selbige wieder in Mode und die Kleidung und Songs von damals werden wieder beliebt. Das dachte sich offenbar auch der Hobbymusiker Alex Becker, der in diesen Tagen eine Coverversion von „Looking for Freedom“ veröffentlicht, eine Art Discoversion der Mauerfall-Hymne. Und die, ich muss es gestehen, geht wieder verdammt gut ins Ohr.
„Will mir meine Augen ausmeißeln und ein Ohr abschneiden“
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Und mit der Meinung stehe ich nicht alleine da: Becker hat Größen der Rockgeschichte dazu gewonnen, den Track zu rezensieren. Und jetzt wird es wirklich interessiert. Ron „Bumblefoot“ Thal aus der aktuellen Guns N’Roses-Mannschaft etwa schreibt:
„Ich war nie ein großer Fan des tanzbaren Euro-Pop. Und der Song ist der Grund dafür. Nein, im Ernst, wegen dem Song will ich mir eins meiner Ohren abschneiden und mir meine Augen ausmeißeln.“
(Zehn Minuten später)
„Oh oh, ich bekomm den Song nicht mehr aus dem Kopf. Er könnte an mir fest gewachsen sein.“
Baard Torstensen von Clawfinger:
„In den 50ern kam Elvis, die 60er hatten die Beatles und Hendrix. Die Revolution in den 70ern kam durch die Sex Pistols und Metallica in den 80ern. David Hasselhoffs Veröffentlichung von „Looking for Freedom“ 1989 war, bis jetzt, der Höhepunkt der Popmusik. In den vergangenen zwei Dekaden haben viele Künstler versucht, dieses Level zu erreichen, aber sind kläglich gescheitert. Alex‘ neue Version desselben Songs ist, als würde man aus David Hasselhoffs Song 11 machen. Er bringt die Perspektive des Menschen auf das Universum von 3D zu 4D. Der Planet Erde wird danach nie wieder derselbe sein.“
Elwood Francis von ZZ Top:
„Gerade, als alle dachten, der Modetanz wäre vorbei, veröffentlicht Alex Becker den ansteckendsten, klopfendsten Groove, der je aufgenommen wurde. Die Frauen werden auf der Tanzfläche dahin schmelzen und die Typen wollen genau wie er sein. (…) Sperrt eure Freundinnen ein, denn wenn sie das hören, werden sie ein Flugzeug nach Deutschland besteigen.“
Und was sagt Becker selbst dazu, der Musiker, den Evil Jared von der Bloodhound Gang als den Mann beschreibt, „der Britney Spears wie Albert Speer aussehen lässt“? Er verweist auf seine Kindheit mit dem Hoff und wie er sich damals durch das Austragen von Zeitungen die 33 Mark für das Hasselhoff-Konzert zusammen gespart hat:
Bis zum heutigen Tag ist David Hasselhoff davon überzeugt, sein Song habe zum Fall der Mauer beigetragen. Und auch wenn es nicht so gewesen ist, dank seines legendären Auftritts auf der Berliner Mauer Silvester 1989, ausgestattet mit seiner berühmten, blinkenden Lederjacke – dem Ergebnis kapitalistischen High-Techs – hätte er im Alleingang die Sowjetunion einnehmen können.
„Aus einer Bierlaune heraus“
Beckers Coverversion soll am Samstag in allen gängigen Download- und Streaming-Portalen den Handel kommen, darunter iTunes, Amazon und YouTunez. Becker hat extra auf mein Drängen hin ein Video mit der kommenden Hit-Single auf YouTube hochgeladen. Ich erwische ihn am Telefon beim Kinderhüten: „Das Ganze ist aus einer Bierlaune heraus entstanden. Ich bin zwar im Musikbusiness tätig, aber kein Musiker. Ich hab den Song aus Spaß geschrieben.“ Becker wuchs in der 15.000-Einwohner-Gemeinde Süchteln auf und ließ sich als Kind wie so viele Deutsche in den Bann des Hoffs ziehen. Heute ist er von Beruf Artist Relation Manager. Für einen Hersteller von Musikinstrumenten findet er berühmte Musiker, die Instrumente promoten, damit Nachwuchsmusiker darauf aufmerksam werden. Dadurch gelang er auch an die vielen Rezensionen, die, wie er schwört, garantiert echt sind.
Und hier nun endlich die Neufassung von „Looking for Freedom“. Hört rein, wartet zehn Minuten wie Bumblefoot Thal – und verurteilt mich erst dann:
Und wer sich nicht mehr an den legendären Auftritt von „The Hoff“ auf der Berliner Mauer erinnern kann, will oder dafür noch zu jung oder gar nicht auf der Welt war, der kann sich hier einen Ausschnitt noch einmal anschauen. Dabei verfehlte eine Feuerwerksrakete den Hoff nur um wenige Zentimeter. Au Backe…
(Jürgen Vielmeier)