Annika Jost aus Berlin hat uns eine E-Mail geschickt und ein paar Fragen für ihre Bachelor-Arbeit gestellt. Ihr Thema ist: „Analyse von ausgewählten Blogs unter dem Aspekt journalistischer Methoden und Techniken“. Wenn ihr auch eine Mail von ihr bekommen habt, unterstützt sie! Die Fragen, die sie uns gestellt hat, klingen eigentlich nach Standard-Fragen: „Warum bloggen Sie“ und „Wie sieht die Zukunft des Bloggens aus“. Und während ich da saß und sie beantwortete, zwang mich das natürlich unweigerlich darüber nachzudenken, was wir hier eigentlich machen. Ich bin Blogger seit inzwischen zehn Jahren, regelmäßig seit gut sechs Jahren. Was hat sich in dieser Zeit eigentlich verändert?
Auf der anderen Seite des Ozeans: eine ganze Menge. Hierzulande leider eher weniger. Ich hab meine Antworten noch einmal etwas für das Blog hier angepasst und ansonsten so eingestellt, wie ich sie auch Annika zurückgeschickt habe. Wie haben Blogs die deutschen Medien verändert, wie ist der momentane Stand der Bloggens und wie sieht die Zukunft aus. Wenn euch meine Überlegungen dazu interessieren, lest weiter und teilt mir anschließend eure mit!
1. Warum bloggen Sie?
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Ganz klar aus zwei Gründen: a) Weil Bloggen die einfache Möglichkeit bietet, unabhängig von einem großen Verlag etwas zu veröffentlichen und damit zumindest theoretisch ein Massenpublikum zu erreichen. Dreht man die Zeit 10 bis 20 Jahre zurück, bedeutete „Veröffentlichen“ noch: finde einen Verlag oder vergiss es. Heute macht man es einfach und lässt das Publikum entscheiden, ob es ihm gefällt. Das ist ein Filter weniger als früher und damit auch ein Hemmnis weniger, etwas zu veröffentlichen. b) aufgrund der Textform des Bloggens: direkte Ansprache des Lesers, Einbauen eigener Erlebnisse, die Möglichkeit, selber Expertenwissen einzubringen, statt irgendwelchen vermeintlichen „Experten“ für Statements hinterherlaufen zu müssen.
2. Würden Sie das Bloggen für eine Form des Journalismus halten? Wenn ja, aus welchem Grund?
Ja. Zunächst einmal ist jede Form der Meinungsäußerung ja im Grunde Journalismus. Alltagsgeschehnisse und Meinungen in Privatblogs nähern sich den Werken von Kolumnisten an. Gerade im Bereich der Technikblogs sehe ich aber auch viele Profis am Werk, die genau wie Journalisten Themen recherchieren, Fakten checken, einordnen, gewichten und formulieren wie Journalisten. Außerdem gibt es hier viele Blogger, die bereits vorher als Journalisten gearbeitet haben. Ein Blogbeitrag ist für mich nichts anderes als eine weitere journalistische Darstellungsform wie eine Reportage, ein Kommentar oder ein Feature.
3. Wie sieht die Zukunft des Bloggens aus?
Private Alltagsblogs dürften immer mehr aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwinden. Deren Funktion haben Twitter, Facebook und Tumblelogs wie Tumblr weitestgehend übernommen. Auf der anderen Seite zeichnet sich im Moment eine Professionalisierung ab. In den USA sind Techblogs, Technikmagazine (wie Cnet) und Technikressorts wie die der „New York Times“ praktisch kaum noch voneinander zu unterscheiden. Dort ist bei den meisten Technikblogs inzwischen auch die Finanzierung kein Problem mehr. Blogs wie der „Business Insider“ haben über 50 Mitarbeiter, die bloggen, Anzeigen akquirieren oder programmieren.
Ob wir in Deutschland jemals dahin kommen, wage ich inzwischen zu bezweifeln, leider. Das gegenwärtige Nummer-1-Blog in Deutschland etwa, Stadt Bremerhaven von Carsten Knobloch, ist im Vergleich dazu One-Man-Show, wenn auch eine gut gemachte. In einem Interview mit t3n im Januar gab er indirekt zu, vom Bloggen alleine nicht leben zu können. Das sehr gut gemachte Mehrautorenblog Carta ist vor kurzem für einen noch nicht näher bekannten Zeitraum in die Pause gegangen, weil der Gründer Robin Meyer-Lucht noch immer keine gute Möglichkeit gefunden hat, es zu refinanzieren. Es wird sich mit Sicherheit ein wenig bessern, aber die Dimensionen, die Bloggen in den USA angenommen hat, wird man in Deutschland insgesamt wohl nicht mehr erreichen.
4. Welche Vorteile hat der Weblog gegenüber dem Journalismus?
siehe 1.
5. Können Weblogs und Printmedien nebeneinander bestehen?
Hier muss man sich überlegen, inwiefern Print überhaupt noch eine Zukunft hat. Der „harte“ Nachrichtenjournalismus und Weblogs mit etwas „weicheren“ Themen können nebeneinander bestehen. Gute Zeitschriften werden bestehen bleiben, die meisten gedruckten Tageszeitungen langfristig meiner Meinung nach eher nicht. Wohl aber der Lokaljournalismus als solcher, den man künftig eher im Web oder auf Tablets und Smartphones lesen und sehen wird.
6. Sehen Sie das Bloggen als Konkurrenz zu den klassischen Medien oder als Bereicherung?
Der Stil des Bloggens ist ganz klar eine Bereicherung. Dass Themen wie Social Media und Gadgets ins Interesse der Öffentlichkeit geraten sind, ist ein Verdienst von Blogs. Inzwischen sehe ich hier eher eine Konkurrenz für Blogs durch etablierte Medien als anders herum. Magazine wie Heise Online, Golem und auch Spiegel Online widmen sich zunehmend Social-Media-Themen und bewegen sich da thematisch auf ähnlichem Terrain wie wir von Basic Thinking. Das Ressort Netzwelt von Spiegel Online ist in meinen Augen sprachlich und inhaltlich so gut wie nicht mehr von gut gemachten Technikblogs zu unterscheiden.
7. Lesen Sie eine/mehrere Zeitungen oder Magazine? Wenn ja, wie häufig?
Meine letzte Zeitschrift habe ich vor mehreren Monaten gekauft, meine vermutlich nächste wird die geplante, erste deutsche Ausgabe des Technikmagazins „Wired“ sein, die im September erscheinen soll. Tageszeitungen lese ich nicht, auf die Schlagzeilen der Boulevardpresse werfe ich aber täglich einen Blick. 98 Prozent lese ich online, weil ich dort alle Informationen bekomme, die ich suche. Ich weiß aber auch nicht, wie repräsentativ ich bin: Ich bin Berufsblogger und verfolge den ganzen Tag über den Nachrichtenstrom. Da weiß ich mit meiner knappen Freizeit weiß Gott etwas Besseres anzufangen, als auch noch Zeitungen und Zeitschriften zu studieren.
Wünsch dir was
Ein eigener Wunsch für die Zukunft der deutschen Blogosphäre vielleicht noch zum Abschluss: Wann kommt endlich einmal ein Verlag, der etwas mutiger ist und ein Team von guten Bloggern zusammen stellt. Die Mannschaft schreibt dann ein täglich gefülltes Mehrautorenblog zu einem bestimmten Thema. Man bezahlt die Blogger genauso anständig, wie man fest angestellte Redakteure bezahlen würde, bewirbt das Magazin wie eine neue Zeitschrift und setzt dabei die Vorschläge der Blogger am Konzept konsequent um. Wenn ich mir anschaue, wie viele Zeitschriften jedes Jahr auf den Markt geschmissen und wenig später wieder beerdigt werden, frage ich mich, ob es für einen Verlag wirklich so viel risikoreicher wäre, es einmal mit einem Blog zu versuchen. Aber das wird wohl vorerst ein Wunschtraum bleiben.
(Jürgen Vielmeier, Foto: Sepblog via Flickr)