Wir haben viel diskutiert in den vergangenen Tagen und es herrscht weiterhin Gesprächsbedarf. Dmitry Shapiro hat mit Altly eine „saubere“ Alternative zu Facebook angekündigt. Darüber haben wir am Freitag berichtet und viele von euch haben in den Kommentaren das Projekt einerseits herbeigewünscht, aber andererseits in Zweifel gezogen. Ähnliches beim Messagedienst MySMS, den Hayo am Samstag vorgestellt hat. Mobiles Instant Messenging wie mit WhatsApp begeistert viele und hat doch Nachteile. Immer steht im Mittelpunkt die Frage, warum ein Unternehmen immer all unsere Daten hosten muss.
Irgendwann inmitten all dieser Diskussionen kam mir eine Idee, über die ich gerne einmal mit euch diskutieren würde: Warum baut man nicht das altgediente Medium E-Mail zu einem Social Network aus? Ich behaupte, dazu bedarf es nur einer ansprechenden Software-Oberfläche und ein wenig Fantasie. Google hat vergangene Woche mit dem People Widget eine Oberfläche vorgestellt, die in etwa in die Richtung geht. Ankommende E-Mails werden mit Informationen über den Absender verknüpft und im Posteingang angezeigt. Doch da ist noch deutlich mehr möglich: Facebook-Inhalte ließen sich zu großen Teilen aus E-Mails zusammenbauen.
Mails werden zu Statusupdates
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Lösen wir uns einmal von dem Gedanken, dass Google dahinter steckt, also wieder ein Anbieter, der all unsere Daten hosten will. Etwas wie das People Widget könnte auch eine runderneuerte und deutlich aufgehübschte Version einer Desktop-Software bieten. Zum Beispiel Mozilla Thunderbird. Hier müsste man nur die Eigenschaften erheblich aufbohren, aber es ist möglich. Betreffzeile? Wer sagt denn, dass man sie zwingend immer anzeigen muss. Posteingang? Kann man so umgestalten, dass Mails nicht mehr chronologisch oder nach Betreff gethreaded werden, sondern – wie in Facebooks neuem Nachrichtensystem – nach Personen. Signaturen? Könnte man zu einem Profil über sich ausbauen. Freunde und Geschäftskontakte? Werden identisch mit dem Adressbuch.
Und wer hostet all diese Daten? Die Mails unser jeweiliger Mailprovider, seien es GMX, Web.de, Yahoo Mail oder, im Falle von klaus@meier.de, auch der jeweilige Domainhoster. Die Visitenkarten der Freunde kann ein Rechner lokal speichern. Wenn man sich an den Gedanken einer E-Mail als Instant Messenger nicht anfreunden kann, kann ein solches Programm zusätzlich ein Chatprogramm mit dem XMPP-Protokoll („Jabber“) integrieren, wie Facebook und Google Talk das machen. Und das Pendant zur Facebook-Pinnwand? Hier erscheinen einfach Mails, die man als Statusmeldung gekennzeichnet hat. Mails, die Bilder, Videos oder Links zu Websites enthalten, werden wie bei Facebook einfach chronologisch in einer Liste dargestellt, mit dem Inhalt ihrer Links im Vordergrund.
Und wer sollte diese Software anbieten? Es könnte eine Open-Source-Lösung sein wie eben ein vollkommen runderneuertes Thunderbird. Die Firma dahinter: eine Non-Profit-Organisation wie die Mozilla Foundation. Wem unsere Daten dann gehören? Uns selbst. Wer daran verdient? Niemand. Keine Werbung, keine Datenkraken, keine absurden und verstecken Einstellungen der Privatsphäre. Trotzdem das Potenzial für 700 Millionen und noch mehr Nutzer. Ein E-Mail-Programm als das neue Facebook. Wie wär’s?
(Jürgen Vielmeier, Screenshots: Google)