Sonstiges

Die schlechte Nachricht: Reichwerden mit dem Internet bleibt künftig Großkonzernen vorbehalten

Die gute: ihre Produkte werden immer besser.

Geht es euch auch so, dass euch die Entwicklungen in der IT in letzter Zeit mulmig machen? Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich fürchte, da braut sich eine Zukunft zusammen, die wenig Spaß machen könnte. Und ich hoffe, ich irre mich. Gestern war ich Berlin zu Gast, als Microsoft in seinem Mango-Update die Zukunft für sein mobiles Betriebssystem Windows Phone 7 vorgestellt hat. Und das konnte sich sehen lassen.

Wenn Mango im Herbst so kommt, wie gestern vorgestellt, dann wird Microsoft wieder im Geschäft sein und könnte zu alter Stärke zurückfinden. Der neue People Hub bietet ein intelligentes Nachrichtensystem, die Kamera kann Gesichter und Text erkennen und Kontakten zuordnen. Das kommt dem semantischen Web schon recht nahe und das wird die Konkurrenz von Apple bis Google nicht auf sich sitzen lassen können. Technisch gesehen wird es für uns als Kunden auf lange Sicht deswegen immer schöner: Die Anbieter pushen sich gegenseitig mit besserer Hard- und Software und die Entwicklungssprünge haben ein in der Geschichte einmaliges Tempo erreicht.


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Das ist das schöne an der Entwicklung. Die Schattenseite ist, dass das Web der nahen Zukunft zunehmend von einer Handvoll Großkonzernen beherrscht werden wird und wir nicht mehr viel dagegen machen können.

Neue Bing-Funktion macht Shazam obsolet

Eins der insgesamt 500 Updates an Windows Phone 7, die Microsoft gestern vorstellte, ist mir in besonderer Erinnerungen geblieben. Microsofts „Tech Evangelist“ Frank Prengel stellte eine Erweiterung für Bing vor, die mir irgendwie bekannt vorkam: ein Tool, das über Mikrofon des Smartphones Musik erkennen kann. Sucht man einen Song, weiß aber den Namen nicht, hört die mobile Bing-Suche also künftig zu, nennt den Titel des Songs und bietet die Möglichkeit an, ihn direkt im Zune Store zu kaufen.

Nur, Moment mal. Musik aufnehmen, analysieren und den Titel eines Stücks nennen: Ist das nicht das gleiche, was die beliebte App Shazam seit Jahren macht? Nach der Konferenz fragte ich bei Prengel nach, obwohl ich die Antwort schon kannte: Hat Microsoft Shazam in die Bing-Suche integriert? Die Antwort fiel recht klar aus: „Nein, das ist eine Eigenentwicklung“, sagte mir Prengel in einem Ton, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, altgediente Apps durch eigene zu ersetzen. Shazam bleibe als App für WP7 verfügbar, aber wer wolle diesen Weg noch gehen, wenn er viel leichter da heran käme, fragte mich nun Prengel rhetorisch.

Google will Mobile Payment alleine Kasse machen

Das entspricht Microsofts neuer Marschrichtung, die auf den ersten Blick in der Tat kundenfreundlich ist: Weg von dem Gedanken, von App zu App springen zu müssen, wenn man doch alles an einer Stelle (Microsoft nennt es „Hub“) finden kann. Die Redmonder haben damit das mobile Betriebssystem vier Jahre nach dem Start des App-basierten iPhones ein Stück weit neu erfunden: Mango bedeutet Erleichterung für den Anwender. Und Microsoft hat gerade in diesem Falle auch etwas davon: Wer einen Song findet, kauft ihn bei Zune, und daran verdient der Softwarekonzern mit.

Das reiht sich ein in den gegenwärtigen Zeitgeist der Großkonzerne, möglichst alles selbst anzubieten, von der Hardware, über die Software bis hin zu den Inhalten. Auf dass der Kunde das einmal gewählte Ökosystem so einfach nicht mehr wird verlassen können. Dazu passt, dass Google zwar morgen voraussichtlich eine eigene NFC-Plattform vorstellen wird. Externe App-Entwickler werden aber möglicherweise keine eigenen Mobile-Payment-Lösungen anbieten können, wie ich drüben bei Mobilbranche.de gelesen habe. Google hat für App-Entwickler lediglich NFC-„Spielereien“ wie Foto- und Filesharing vorgesehen. Das Geschäft mit Mobile Payment will Google für sich selbst behalten. Ähnlich wie auch Blackberry-Hersteller RIM.

Reich werden mit dem Internet bald nur noch Sache der Konzerne?

Und in der Art geht es weiter, so weit man schaut: Twitter mag keine Twitter-Clients mehr, die nicht zur Firma gehören, und macht ihnen zunehmend das Leben schwer. Externe Linkverkürzer werden etwa in der offiziellen Twitter-iOS-App nicht mehr unterstützt. Amazon, Apple und auch Google arbeiten an Cloud-Musik-Diensten, in den USA „Lockers“ genannt: Die Musik wird dem Kunden nicht mehr gehören, auch wenn er dafür bezahlt hat. Seine Daten sowieso nicht, wie im Falle von Facebook oder Twitpic. Immer weniger Firmen wollen immer unverhohlener mit unseren Daten Kasse machen.

Verlierer sind in erster Linie die App-Entwickler, jene modernen Glücksritter, und damit die Vielfalt. Shazam war hier nur beispielhaft genannt. Wenn die Softwarekonzerne zunehmend erkennen, mit welchen Apps sie Geld verdienen können, dann werden sie die Software entweder kaufen oder ersetzen. Kurz gesagt: Es wird für jeden von uns immer schwerer, mit dem Internet Geld zu verdienen. Den Reibach machen die Konzerne und wir haben nur noch die Wahl, uns für einen von ihnen zu entscheiden. Mal eben schnell aus einer guten Idee eine Internetseite oder eine App basteln und damit reich werden, wird vielleicht schon bald nicht mehr möglich sein.

(Jürgen Vielmeier, Grafik: Shazam)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • Aber hat doch Mark Zuckerberg erst „vor Kurzem“ gezeigt, dass auch ein Mensch mit wenig Startkapital durchaus noch schnell reich werden kann im WWW.

  • „Immer weniger Firmen wollen immer unverhohlener mit unseren Daten Kasse machen.“ Sicher, dass das „immer weniger“ heißen soll? Ich hätte eher auf „immer mehr“ getippt.

  • In Prinzip ist es immer der Anwender welcher Entscheiden kann was er Kauft oder was er Nutzt.
    Das Problem dabei ist eher das die Anwender heutzutage von der Software oder Web Industrie so „Eingelullt“ werden das sie immer Unselbstständiger werden.

  • hört sich fast so an, als könnte man im netz sofort zu millionen kommen, wenn man bloß mal die nase rein steckt. reich werden kann man im und mit dem netz nicht mehr oder weniger als vorher auch. vielleicht muss man in zukunft seine idee nur anders vermarkten. sprich den großen unternehmen vorschlagen. oder sie erst selbst umsetzen, mit zumindest einigen millionen bewerten lassen und dann an den meistbietenden verkaufen. scheint doch momentan ein kinderspiel zu sein.

  • Die Chance an sich, hat wohl jeder. Da ist Mark Zuckerberg das beste Beispiel. Aber es muss ja nicht gleich ein solches extrem wie Facebook sein. Einige Firmen verdienen viel viel Geld im Netz. Gibt eben Startups die lassen sich nach einigen Monaten kaufen, es gibt aber auch solche, die es nicht tun.

  • Ein wirklich guter Beitrag, zu einem wirklich bedrückenden Thema. Ich weiß auch nicht, wie man dagegen vorgehen kann und wie man sich als kleines Internetunternehmen gegen so eine extreme Marktmacht wehren kann / soll.

    Viele Grüße,

    Chris Wilhelm

  • Die Suchmaschinen machen das Geschäft mit den Kunden selbst wenn es sich anbietet. Die ganzen Affiliate-Seiten sind aus ihrer Sicht völlig unnötig, die meisten davon bieten auch für die User keinen Mehrwert, bleibt aber ein qualitativ guter Rest übrig, der dadurch auch unter die Räder kommt. Wenn ein Geschäftsmodel funktioniert, wird es von den Großen kopiert und gepuscht … das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!

  • @donjerman: Es gibt immer wieder ein paar überraschende Beispiele von Menschen, die es geschafft haben. Ich behaupte, das wird in Zukunft immer schwerer werden.

    @R. Kneschke: Ist bisschen missverständlich ausgedrückt, aber schon so gemeint. Natürlich wollen immer mehr Firmen mit unseren Daten Geld verdienen, aber immer weniger Firmen werden übrig bleiben. Deswegen… ^

  • Ist es nicht in der Offline-Welt genauso? Wir werden immer stärker von wenigen Großkonzernen beherrscht. Warum sollte es im Netz anders sein?

  • Es hat dann meiner bescheidenen Meinung nach dann doch maßgeblich etwas damit zu tun, ob man als „kleiner“ Anbieter/Entwickler/Lösungsfinder ausreichend Cojones mitbringt.
    Beispiel: Groupon und das Google Angebot.

    Bei vielen Geschäftsmodellen im Internet krankt es doch schlicht und ergreifend daran, dass sie – solange alleine betrieben – die Gewinnzone nie erreicht wird. Anders sieht es da aus, wenn man auf die Ressourcen der wenigen „Großen“ zurückgreifen kann.

    Oder um es anders zu formulieren: Wenn das eine neue Entwicklung ist, welcher Kleine ist denn in letzter Zeit wirklich reich geworden? (Auch wenn ich Reichtum als nur begrenzt gutes Kriterium erachte)

  • Das ist die Vorstellung von Microsoft, Google, Apple & Co.
    Aber wird es wirklich so kommen?
    Ob Microsoft mit Mango den „etablierten Markt“ von hinten aufrollt, bleibt abzuwarten. Ich glaube es nicht!
    Aber dass Microsoft plötzlich innovativ werden will, ist klar, waren sie aber noch nie. Gibt es da irgendetwas, was nicht ein anderer schon vorher hatte?
    Wir haben es doch in der Hand, wer im Internet Geschäfte macht.
    Die Masse ist behäbig und trottet irgendwelchen „Hypes“ hinterher.
    Erleben wir nicht gerade die schleichende Revolution an vielen Stellen?
    Bürger fangen an zu Demonstrieren, was sie nie zuvor taten. (>S21)
    Die Anti AKW Welle ist stärker als je zuvor.
    Die Demokratie Bewegung wächst und wächst …

    Ich habe keine Angst vor den Großkonzernen, denn sie sind nicht unsere Zukunft. Und schon gar keine amerikanischen „Intelligenzbestien“.
    Die nächste Blase ist schon da und platzen wird sie auch wieder.

  • Ich glaube eher das sich die Konzerne das Internet schon gerne „Aufteilen“ möchten, auch wenn sie aus naheliegenden Gründen anderes Behaupten.
    Wer möchte sich schon gerne ständiger Konkurrenz erwehren müssen?

    Wer in letzter Zeit die Nachrichten verfolgt kann wohl erkennen wohin die Reise soll mit Unterstützung der Politik gehen soll.
    Die Politik möchte das diese Globalen Player weitgehend das Netz beherrschen , daher ist es durchaus Interessant wer zum G8 Gipfel Eingeladen wurde.
    Der Rest wird einfach als das „Schmutzige Internet“ der Hacker und Terroristen bezeichnet welches „Staatliche Eingriffe“ verlangt , die Kampagnen laufen ja in den Medien und eines Tages wachen wir dann mit einem „klinisch reinen“ Disney Internet auf.
    Natürlich Kinder gerecht , Rechtssicher , mit „Internet Polizei“ und ein Urheberrecht gegen Unliebsame Blogger oder Dienste.

  • Ohne uns Kunden haben die großen Unternehmen nichts zu melden. Einerseits profitieren wir von deren Funktionen und Service und andererseits sind wir gewinnbringend für die Unternehmen.
    Es ist ein geben und nehmen. Ich würde mir wünschen das MS den Markt neu sortiert. Apple hat bereits seit 4 Jahren einen gewaltigen Zuwachs, was mir als überzeugter Apple User nicht gefällt. Vor allem nicht das ich eventuell bald ein Antivieren-Programm bräuchte.

  • Also ich finde die Aussage hier, dass man im Internet bald kein Geld mehr verdienen kann für total übertrieben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass einige wenige Firmen das ganze Internet ersetzen könnten. Wir haben doch bereits früher im Web 1.0 gesehen, dass einige wenige nicht so stark sind wie die große Masse im Web 2.0

  • Wichtig ist doch, kreative Ideen zu entwickeln, umzusetzen und, wir oben schon auf den Punkt gebracht, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und Großkonzerne sind langsam und behäbig, reagieren oft reaktiv und springen auf schon fahrende Züge auf. Leute wie unser Mark Zuckerberg sind direkt am Puls und haben deswegen einen Vorsprung, was Innovation angeht und geniale Ideen. Oder hat mal jemand versucht, einen Riesen wie Apple oder Microsoft von einer total genailen, kleinen Idee zu überzeugen, die erst mal kein Geld einbringt und eventuell mal supertoll wird? 🙂 Viel Spaß…