Eigentlich mochte ich Google News. Etwas in die Jahre gekommen ist der Dienst, die Gewichtung der Quellen nicht immer nachvollziehbar, aber davon abgesehen war der Newsaggregator für mich eine gute und eigentlich faire Recherche-Quelle. Doch dann passierte etwas, was mich überraschte: Meldungen von unserer Schwesterredaktion Onlinekosten.de sind von einem auf den anderen Tag bei Google News herausgeflogen. Der Suchriese hat die Redaktion vor einigen Wochen ohne Vorwarnung darüber informiert, dass ihre Beiträge ab sofort nicht mehr dort erscheinen würden. Es sei denn, man würde eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um wieder bei Google News aufgenommen zu werden.
Auch die Redaktion von Teltarif scheint aus dem Verzeichnis von Google News gerutscht zu sein. Von den Kollegen tauchen seit gut einem Monat keine Beiträge mehr dort auf. Waren beide Redaktionen klaglos für Jahre bei dem Newsaggregator gelistet, entsprechen nun einige Beiträge der beiden Redaktionen offenbar nicht mehr Googles Richtlinien. Ich habe versucht herauszufinden, warum.
[Update, Montag 2.5.: Die Redaktion von Teltarif hat auf unseren Beitrag reagiert und ebenfalls bekannt gegeben, dass man bei Google News ausgelistet wurde. Redakteur Ralf Trautmann zitiert darin eine fast identische Mail, die auch Onlinekosten.de bekommen hatte und fragt sich, ob Google große Medien bevorzugt behandelt.]
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Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin als Redakteur bei Basic Thinking bei der Onlinekosten.de GmbH angestellt und habe natürlich auch deswegen ein Interesse an dem Fall. Die Anzeigenabteilung von Teltarif ist für das Marketing von Basic Thinking zuständig. Beides muss hier erwähnt werden. Doch je mehr ich über die Auslistung in Erfahrung zu bringen versuchte, desto mehr war ich auch als Journalist an dem Thema interessiert. Ihr werdet im Folgenden verstehen warum.
Ausgelistet wegen Werbung, die keine ist
Auf Nachfrage unseres Geschäftsführers teilte Google ihm mit, es habe eine Beschwerde gegeben. Daraufhin habe man die Seite überprüft. Und dieser Prüfung hielten die Inhalte von Onlinekosten.de angeblich nicht mehr stand. Google schrieb, und ich würde euch bitten, diese Zeilen einmal ganz genau zu lesen:
In Google News können nur Artikel aufgenommen werden, die über aktuelle Ereignisse berichten. Wir erfassen demnach keine Artikel mit Informationen, Tips oder Anweisungen, keine klassifizierten Anzeigen, Ratgeberseiten oder Seiten, die hauptsächlich andere Produkte/Unternehmen bewerben.
Informationen? Ratgeber? Bewerben? Obwohl Redaktion und Werbung klar getrennt sind? Würde man auf die Ratschläge von Google eingehen, „nicht nachrichtenspezifische Inhalte auf einen anderen Host oder in einem anderen Verzeichnis“ abzulegen, würde Onlinekosten.de nach einer Frist von 30 Tagen erneut geprüft und dann eventuell wieder aufgenommen, hieß es. Als Beispiele für anstößige Beiträge nannte der Google-Support unter anderem folgende Artikel:
Aldi: Neues Medion Notebook mit Wechselgrafik
Hetan@speed: 6 Mbit/s Sat-Internet für 29,90 Euro
oder
Crash-Tarife wieder da: All-Net-Flat zum Sonderpreis
Berichte über neue Produkte sollen Werbung sein?
In den Beiträgen wird in der Tat über Produkte oder Tarife berichtet – allerdings durchaus kritisch. Im Beitrag über das Aldi Notebook etwa bemängelt meine Kollegin Saskia, dass Intels Sandy-Bridge-Generation darin noch nicht Einzug gefunden habe. Vor allem die Beanstandung dieses Beitrags ist in meinen Augen ein wahnwitziges Beispiel, denn solche Produktvorstellungen sind das, woraus IT- und Computermagazine zum Großteil bestehen. Wäre das generell ein Problem, dürfte niemand mehr über das neue iPhone, ein neues Samsung-Handy oder eine Spielekonsole von Microsoft schreiben. Und nun bestraft Google ein paar Redaktionen für das, was alle tagtäglich tun?
Ich fragte bei Google-Pressesprecher Stefan Keuchel nach. Er hakte beim zuständigen Google-Support nach, wofür ich ihm dankbar bin. Einen triftigen Grund für die Auslistung konnte er mir danach jedoch auch nicht nennen. Er antwortete mir auf die Frage, warum Teltarif und Onlinekosten nicht länger bei Google News auftauchen würden, wie folgt:
Ohne auf Details eingehen zu können, haben sich Nutzer über Artikel bei den beiden genannten Diensten beschwert, die gegen die Nutzungsbedingungen von Google News verstossen haben. Wir gehen solchen Nutzer-Beschwerden selbstverständlich nach und haben bei der Überprüfung festgestellt, dass einzelne Artikel tatsächlich gegen die Nutzungsbedingungen verstossen haben. Beide Webseitenbetreiber wurden darüber informiert und Beispiele von Artikeln die gegen die Nutzungbedingungen verstiessen, wurden beiden genannt.
„Bei uns werden alle Quellen gleich behandelt“
Ist das die feine englische Art, eine Redaktion wegen ein paar beanstandeten Beiträgen einfach so rauszuschmeißen? Ohne Vorwarnung, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, etwas zu ändern? Ohne ins Detail zu gehen, was genau eigentlich an den Beiträgen nicht stimmen soll? Mir kam die Sache spanisch vor, denn sucht man bei Google News nach ähnlichen Themen, springen einem Beiträge ins Auge, die erheblich von den oben genannten Kriterien abweichen, aber nicht aussortiert wurden. „Artikel mit Informationen, Tips oder Anweisungen, (…) Ratgeberseiten oder Seiten, die hauptsächlich andere Produkte/Unternehmen bewerben“, wie Google uns schrieb. Mir schien es, als habe sich der Suchmaschinenanbieter hierbei kleinere Redaktionen vorgenommen und große unbehelligt gelassen. Ich schrieb Keuchel zurück:
Warum traf es andere, augenscheinlich größere, Redaktionen wie Computerbild nicht? Diese werben sehr offen in ihren Beiträgen, was man leicht sieht, wenn man auf Google News zum Beispiel nach „Computerbild“ sucht. Aktueller Top-Treffer ist die „Meldung“: „Nur heute Gutschein-Aktion: 50 Euro im Medion-Shop sparen!“
Keuchel antwortete mir, dass sich an den Richtlinien nichts geändert habe und alle Redaktionen gleich behandelt würden:
„Wir gehen jedem Hinweis nach Verstössen gegen die Richtlinien nach – völlig unabhängig von der Größe der Redaktionen. Bei uns werden alle Quellen gleich behandelt und auch nach gleichen Maßstäben überprüft.“
Dem Eindruck kann ich mich nicht anschließen. Redaktionen, die einmal bei Google News ausgelistet worden sind, müssten nun also ihre Beiträge auf Basis schwammiger Richtlinien in verschiedene Verzeichnisse ablegen, um wieder aufgenommen zu werden. Schwammig deswegen, weil es bei den von Google genannten Kriterien grobe Überschneidungen gibt. Es können nur Artikel aufgenommen werden, „die über aktuelle Ereignisse berichten“, aber keine mit Tipps oder Anweisungen, keine Ratgeber und keine, die Produkte bewerben. Wenn ich diese Forderung richtig verstehe, hätten also folgende Artikelarten bei Google News nichts zu suchen (fiktive Beispiele):
- Fünf Tipps, wie ihr euer iPhone schneller macht (Tipps, Anweisungen, Produktbewerbung, kein Ereignis)
- Google bietet das Samsung Galaxy S II künftig mit NFC-Chips an (Werbung, kein Ereignis)
- HP stellt neues Smartphone vor (Produktwerbung)
- So schützt ihr euch vor Facebook-Scam (Ratgeber)
- ARD und ZDF planen Online-Videothek für 2012 (Werbung, nur Ankündigung eines Ereignisses)
Ein Ereignis wäre meinem Verständnis nach ein Beitrag mit einer Überschrift wie „Kanzlerin trifft US-Präsidenten“. Die einzigen Web- und Technikmeldungen, die ich mir darunter überhaupt noch vorstellen kann, wenn sie keine Marke bewerben dürfen und gleichzeitig ein Ereignis sind, wären etwas wie: „Bundesregierung hält runden Tisch zum Thema Vorratsdatenspeicherung“. „Apple-Chef Steve Jobs im Krankenhaus“ würde ich diesen Kriterien nach schon wieder als Werbung verstehen.
Google ist zu mächtig geworden
Jetzt übertreibe ich aber? Mag sein, aber aufgrund derart unscharf formulierter Kriterien aus Google News zu fliegen, während andere drin bleiben, die die Kriterien ebenfalls verletzen, erscheint mir nicht fair. Und es ist in meinen Augen ein Beispiel dafür, dass Google inzwischen eine Marktmacht erreicht hat, die man ausnutzen kann und eben auch ausnutzt. Google ist bei den Nachrichtenaggregatoren in Deutschland ein Quasi-Monopolist; einen ernsthaften Konkurrenten gibt es nicht. Bislang fand ich das durchaus in Ordnung, denn Google News ist der beste Aggregator auf dem Markt. Aber nun ist der Internet-Konzern zu mächtig geworden. Es reichen also eine Beschwerde, ein paar weitläufig gefasste Kriterien und schon ist man draußen aus Google News? Dann kann die Inquisition ja losgehen!
Unser Geschäftsführer hat Google mehrfach gefragt, was an den genannten Beiträgen denn genau nicht den Richtlinien entspräche, und stets die Antwort erhalten, da könne man nicht genau drauf eingehen. Aber würde die Onlinekosten-Redaktion die genannten Ratschläge umsetzen, würde man nach einer Frist von 30 Tagen erneut geprüft und eventuell wieder aufgenommen. Ja, und dann? Wer entscheidet dann bei Google als nächstes, welche Beiträge in Ordnung sind und welche nicht? „Wir erfassen demnach keine Artikel mit Informationen“ ist ein sehr ungenaues Kriterium, bei dem man immer wieder Gefahr läuft, erneut bei Google News aussortiert zu werden.
Schaut man sich heutige Schlagzeilen in der Technikrubrik bei Google News an, muss man befürchten, dass es dort sehr bald sehr leer werden könnte, wenn die Leute erst einmal anfangen, sich zu beschweren. Ein paar Beispiele, von mir so kommentiert, wie ich Googles Kriterien verstehen würde:
- Computerbild: Nach Datenklau im PSN: Das sollten Sie jetzt tun! (Ratgeber, Produktbewerbung, Informationen)
- Computerbild: Traumhochzeit: Fünf Minigames zum königlichen Großereignis (Werbung)
- Computerbild: Schnäppchen-Tipp: „Der Stammbaum 6 Premium“ für 25 Euro (Werbung)
- Heise: Sony plant Neustart des Playstation Network (Werbung für ein Unternehmen)
- Bild.de: Das kann der neue Google-Browser (Ratgeber, Produktbewerbung)
- Zeit Online: Wann fällt der Apfel? (kein Ereignis)
- Focus Online: Porsche 911 GT3 RS 4.0: Finale Vollgas-Variante (Werbung)
- FR-Online: Wie kann ich meine Daten besser schützen? (Ratgeber, Informationen)
Die Ironie des Ganzen zeigt sich, wenn man auf Google News einmal nach „Teltarif“ sucht. Beiträge der Redaktion tauchen dort ja nicht mehr auf. Wohl aber Meldungen bisher unbehelligter Redaktionen wie Sueddeutsche.de und Golem.de. Sie zitieren darin die Redaktion von Teltarif als Experten.
(Jürgen Vielmeier)