Einem Apple-Nutzer sein iPhone wegzunehmen, hat den gleichen Effekt, wie einem Säugling sein Fläschchen zu stibitzen. Es gibt Geschrei, Zeter und Mordio. Man fühlt sich unwohl, irgendwie nicht mehr ganz man selbst. Ich weiß, wovon ich spreche: ich musste kürzlich mein iPhone für eine knappe Woche zur Reparatur bringen und war in der Zwischenzeit völlig hilflos dem Alltag und einem anderen Fabrikat ausgeliefert. Und so einer wie ich soll jetzt ein Nokia-Smartphone testen, eins mit dem alternden aber immer noch verwendeten Betriebssystem der Finnen: Symbian.
Zunächst hagelt es natürlich den Spott der Kollegen: Wie soll der ohne iPhone überhaupt leben und dann auch noch ein Gerät testen, das rein gar nichts mit dem iPhone gemeinsam hat. Kein iTunes, nicht das gewohnte App-Store-Konzept (zumindest keins, das so heißt), keine Apple-Experience – aber immerhin eine Art Home-Button. Der ist beim E7, dem Gerät, das ich testen soll, an der gleichen Stelle platziert wie beim iPhone. Und er bietet eine Orientierung für das etwas gewöhnungsbedürftige, dann aber gar nicht einmal so rückständige Bedienkonzept. Ein Vergleich mit dem iPhone muss sich Nokia allerdings gefallen lassen. Beide Systeme sind sich höchst unähnlich: Während man mit dem iPhone unterwegs schnell mal eben was online erledigt, ist das E7 mit Symbian^3 etwas nostalgischer und unaufgeregter. Wie wenn man sich gemütlich mit einer Pfeife und einen Whisky im Kaminzimmer in den schweren Lehnstuhl fallen lässt, während es draußen regnet und stürmt. Es geht alles einen gemächlicheren Weg, aber es geht.
Nur über Umwege ins Netz, dafür Bürosoftware
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So kommt man mit dem E7 nur über Umwege ins Web. Nokia versteckt im aktuellen Browser bislang zum Beispiel Adressleiste und Suchfunktion, die sich nur über einen Button aufrufen lassen. Das geplante Update Symbian Anna soll dieses Problem beheben. Der Startbildschirm des Business-Smartphones E7 besteht aus Apps und Widgets. Praktischer als beim iPhone finde ich hier, dass die neuesten Mails etwa direkt in einem Widget kurz angeteasert werden. Hier hat sich Nokia an Android orientiert. Mit Ovi bietet Symbian ein gar nicht so übles System, um alle Social-Media-Aktivitäten (Facebook, Twitter und weitere) in einem Widget zu bündeln. Darüber hinaus gibt es eine Bürosoftware mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation. Damit zu arbeiten, ist ungewohnt; die sehr ordentliche, ausziehbare physische Tastatur macht es aber möglich.
Ungewissheit gibt es immer über den Verbindungsstatus. So zeigte das E7 bei mir im Test keine verfügbaren WLANs an, wenn ich nicht explizit danach gefragt habe. Trifft man ein klitzekleines Symbol neben dem Akku-Ladestand mit seinen Wurstfingern, darf man sich dann doch in ein Netzwerk einwählen. Manchmal aber behauptet das Telefon, man wäre offline, selbst wenn man sich gerade eingewählt hat. Dann kann man zum Beispiel ohne UMTS oder EDGE keine Verbindung zu Ovi herstellen. Während man die Widgets auf den insgesamt drei Startbildschirmen relativ leicht verschieben oder entfernen kann, ist ein Austauschen der Apps eine schwere Fummelei. Um es einmal exemplarisch darzustellen: Alte App gedrückt halten, „Einstellungen“ wählen, Schnellzugriff 1, 2, 3 oder 4 aussuchen, Schnellzugriffstyp „Programm“ antippen, neues Programm in einer trüben Drop-Down-Liste auswählen, bestätigen. Ich behaupte: das ginge einfacher.
SIM-Karten-Schublade, Schieberegler: Clevere Hardware-Details
Überraschend leicht zu bedienen dafür: der Ovi Store, Nokias Pendant zu Apples App Store. Einmal angemeldet, kann man dort Programme mit ein bis zwei Klicks herunterladen, was bei Apple auch nicht einfacher funktioniert. Geladene Apps erscheinen allerdings leider nicht auf einem der Startbildschirme, sondern in einem Programm-Menü, das man über den Home-Button erreicht. Die Benutzerfreundlichkeit hinkt. Ständig schwebt eine latente Angst mit, man könne aus Versehen ein falsches Symbol antippen und dann nur schwer dorthin zurückfinden, wo man war. Gut gefällt mir dafür die Hardware, die noch immer Nokias Steckenpferd zu sein scheint: Die ausklappbare Tastatur macht Spaß, solange man keine Zahlen und Großbuchstaben über die schwer erreichbare Hochstell- oder Sonderfunktionstaste eingeben muss. Die Halterung des hochschiebbaren Displays wirkt wertig.
Die SIM-Karte ist über ein Schubfach am Gehäuse sehr leicht zu wechseln und nicht wie bei den meisten anderen Smartphones noch immer unter dem Akku versteckt. Die Freigabetaste befindet sich ebenso am Gehäuse wie der Auslöser der (8-Megapixel-)Kamera, die man durch einen Druck auf denselben einschaltet. Lauter oder leiser stellt man die Musik über einen praktischen Schieberegler an der Gehäuseseite. Das E7 verfügt über einen HDMI-Ausgang, um das Gerät an einen Fernseher oder Monitor anzuschließen. Was dafür fehlt, ist die Möglichkeit, den Akku herauszunehmen oder den internen Speicher mit einer SD-Karte zu erweitern. A propos Akku: Der hält beim Nokia E7 recht lange und lässt sich erstaunlich schnell aufladen.
Nichts für junge Leute
Nokia punktet beim E7 also vor allem mal wieder über die Hardware, während ich der Software nicht mehr als ein „Voll Ausreichend“ ins Zeugnis schreiben kann. Der gute Wille war teilweise zu erkennen; viel weniger hat die momentan noch aktuelle Symbian-Version (das Update „Anna“ kommt in Kürze) nicht verdient. Mehr aber auch nicht, denn dafür macht das System einfach zu wenig Spaß, obwohl es zumindest im Prinzip alles kann, was iPhone und Android-Handys auch bieten. Für wen eignet sich das E7 also? Vor allem für gemütliche Geschäftsleute, für die Nokia das Handy mit einem Preis um 500 Euro auch vorgesehen hat.
Gerade den Erwartungen junger Leute dürften das E7 und vor allem die aktuelle Symbian-Version nicht entsprechen. Wer schnell ins Netz will, ist mit einem iPhone oder Android-Gerät sicherlich besser bedient. Und wie war nun die Erfahrung eines Symbian-Geräts für einen iPhone-Fan? Es war wie ein interessanter Ausflug in ein fernes Land: alles ist irgendwie anders, vieles kommt einem ungewohnt vor, einiges findet man deutlich besser als im Heimatland – und am Ende ist man doch froh, wenn man wieder zuhause ist.
(Jürgen Vielmeier)