Oft ärgert man sich als Social Median, wenn andere sich dem Thema gegenüber verschließen. Diesmal habe ich mich aber köstlich amüsiert: Christoph Steegmans, stellvertretender Regierungssprecher, hatte vergangenen Freitag auf der Bundespressekonferenz eine Auseinandersetzung mit Journalisten über das Thema Twitter. Altmodisch scheint in diesem Fall aber nicht der Sprecher, sondern einige Parlamentsjournalisten zu sein, die Steegmans wegen Twitter in die Zange nehmen – zumindest auf den ersten Blick. Das deutsche Web lacht gerade über die Ignoranz dieser Journalisten. Schaut man aber etwas genauer hin, klingen nur einige ihrer Nachfragen und Aussagen technisch rückständig. Andere provozieren den Sprecher der ungeliebten Regierung nur mit deren gewollter Kontrolle des Internets und nehmen Twitter als Anlass, um ihr eins auszuwischen.
Steegmans jedenfalls vertrat an jenem Tag Regierunssprecher Steffen Seibert, der seit Ende Februar unter @regsprecher twittert. In seiner Vertretung bewies Steegmans den Journalisten gegenüber Humor. Die Mitschrift der Konferenz steht online. Thomas Wiegold, der das Bundeswehrblog Augengeradeaus.de betreibt, hat den Teil der Mitschrift, in dem es um Twitter ging, in seinem Privatblog veröffentlicht.
Hier einige Auszüge:
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FRAGE: Herr Dr. Steegmans, muss ich mir in Zukunft einen Twitter-Account zulegen, um über relevante Termine der Bundeskanzlerin informiert zu werden? Ich beziehe mich konkret auf die Ankündigung des Regierungssprechers, dass die Bundeskanzlerin in die USA reist.
SRS DR. STEEGMANS: Im Informationsgeschäft wissen Sie: Viel hilft viel.
Ich glaube nicht, dass wir bislang Ihnen gegenüber mit Informationen geizig gewesen sind und dass jemand, der von Ihnen an eine Information herankommen wollte, am Ende überrascht wurde, dass wir irgendwelche anderen Kanäle bevorzugt bedient hätten. Als professioneller Kunde unseres Hauses gehen wir natürlich davon aus, dass Sie alle bei Twitter eingeloggt sind. Sagen wir es umgekehrt: Wir fänden es nicht schlecht, wenn Sie bei uns Kunde wären.
ZUSATZFRAGE: Diese Twitter-Nachrichten haben einen Nachrichtenwert. Sie sind auch durchaus schon in Mitteilungen aufgegangen. Der Nachrichtendienst Twitter ist nicht sicher. Ich habe vorhin im Internet nachgeschaut. Es gibt zahlreiche Beispiele für Fälschungen von Schauspielern, so Beispiel Martina Gedeck bis hin zum Dalai Lama. Kann ich davon ausgehen, dass das, was dort getwittert wird, wirklich sicher ist? Das kann ja durchaus Folgen haben.
Wenn es mir gestattet ist, darf ich einen Satz des ehemaligen Bundesinnenministers zitieren, der in einem Interview sagte: „Wer mit Twitter seine stündlichen Bewegungen der Öffentlichkeit mitteilt, kann nicht erwarten, dass der Staat ihn vor der Erstellung von privaten Bewegungsprofilen schützt.“ Es ist also auch eine Frage der Sicherheit. Ist die Sicherheit in diesem Fall gewährleistet?
Schon an dieser Stelle muss man kurz dazwischen hauen. So muss sich niemand einen Twitter-Account anlegen und sich dort einloggen, um die Informationen des Regierungssprechers zu erhalten. Seiberts Twitter-Account ist wie eine offene Webseite ohne Login ansteuerbar, alle Informationen frei verfügbar. Die falschen Accounts, von denen der Journalist spricht, die praktisch jeder über jeden anlegen kann, gibt es natürlich. Es ist aber nicht ohne Weiteres möglich, einen bestehenden Account zu übernehmen und beliebige Nachrichten dort zu veröffentlichen.
Würde Twitter gehackt, wäre es auch theoretisch möglich, auf dem Account des Regierungssprechers falsche Informationen zu verbreiten. Vor der Gefahr ist aber keine Website gefeit. Gerade Seiberts Twitter-Account aber wird zum Beispiel auf der Website der Bundesregierung eingebunden und verlinkt. Nachvollziehen kann ich dafür den Einwand des Journalisten hinsichtlich des fragwürdigen Zitats des ehemaligen Innenministers und jetzigen Verteidigungsministers Thomas de Maizière. Aber auch hier gilt: Die Seite des Regierungssprechers auf Twitter kann ohne Login so angesteuert werden, dass für den Accountinhaber nicht nachvollziehbar ist, wer sie besucht hat. Weiter im Text:
FRAGE: Offen ist ja noch die Frage, ob die Sicherheitsanforderungen überprüft wurden. Hat Herr Seibert das gemacht, weil er ein junger tougher Typ sein will? Wurde das durch diesen ganzen BND-, BKA- und sonstigen Apparat „durchgerattert“, und am Ende stand, das können wir machen, da können wir auch Regierungs-, Kanzlertermine herausgeben, das ist eine sichere, seriöse Quelle, oder ist das einfach nur mal aus Lust und Laune heraus erfolgt?
SRS DR. STEEGMANS: Die technischen Abläufe, soweit wir die Informationen von unseren Geräten aus einspeisen, sind so weit sicher, dass wir sichergehen können, dass nicht irgendwie umgekehrt, während wir Informationen einspeisen, fremde Daten in unser Netz gelangen. Das ist die Sicherheitstechnik, die sich in unserem Zuständigkeitsbereich befindet. (…)
Auf der einen Seite gefällt es mir, dass die Journalisten den Sprecher einer Regierung in die Zange nehmen, gerade hinsichtlich der Überwachung unserer Kommunikation, die in Teilen bereits Praxis ist und einigen Kabinettsmitgliedern noch nicht weit genug geht. Herzlich gelacht habe ich deswegen über die Frage des Journalisten/der Journalistin über die Überprüfung der Sicherheit des Twitter-Accounts durch Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundeskriminalamt (BKA). Die Frage entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Insgesamt scheint es mir auf der anderen Seite allerdings, als schössen die Journalisten hier mit Kanonen auf Spatzen. Man muss das Unternehmen Twitter kritisch betrachten, als Journalist aber auch einsehen, dass der Zwitscherdienst zu einem wichtigen Nachrichtenmedium geworden ist. Sich dem zu verschließen würde bedeuten, sich der Zukunft zu verschließen und das sollte nicht Herangehensweise eines Journalisten sein.
Wiegold weist darauf hin, dass er selbst Mitglied der Bundespressekonferenz ist und nicht alle deren Mitglieder pauschal Twitter-Ignoranten sind. Das wird meines Erachtens oben deutlich. Man muss hier also – wie immer im Leben – differenzieren. Insgesamt liest sich die Debatte für mich aber sehr lustig. Ich habe nicht geahnt, dass es auf einer Bundespressekonferenz mit so viel Humor und Ironie zugeht.
(Jürgen Vielmeier)