Irgendwann in dieser Woche haben wir mal aufgehört, täglich über Facebook zu berichten. Aber nicht deswegen, weil es nichts Neues gegeben hätte. Sondern, weil wir kurz schlucken mussten. Es war genug los: Facebook hat das Frage-Antwort-Tool Questions nutzbarer gemacht, Facebook hat die Tochtergesellschaft Payments für ein besseres Bezahlsystem gegründet. Facebook liest die Meldungen von 1 Prozent der Nutzer schon beim Schreiben mit, um personalisierte Werbung live einzublenden. Facebook sperrt täglich 20.000 Accounts von Kindern unter 13, die auf Facebook nicht erlaubt sind. Facebook könnte Google schon bald mit einer Websuche Konkurrenz machen. Fußball-Zweitligist Hertha BSC verkauft 2.500 Tickets für ein Heimspiel exklusiv an seine Facebook-Freunde. Felix Magath hat sein Facebook-Profil jetzt endlich Wolfsburg-fähig gemacht, Hitler hat keine Facebook-Freunde. Facebook, Facebook, Facebook. Ich hatte irgendwann genug davon, immer nur von Facebook zu berichten. Besteht denn die Webwelt aus nichts anderem mehr?
Das ist genau der Punkt: Das Web besteht immer mehr aus Facebook. Die Vision von Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist es ja seit Jahren, dass das Web zu Facebook wird. Daran arbeiten er und seine Mitarbeiter fleißig. Was ist, wenn er damit Erfolg hat? So hat das Netzwerk mit seinem Gefällt-mir-Button auf fremden Websites schon viele Webinhalte auf seine Seite gebracht. Die Nutzer sind ohnehin dort und viele Startups ermöglichen den Login zu ihren Diensten via Facebook. Neue Social Networks wie das neue Shazam und OpinionAided versuchen es gar nicht mehr auf eigene Faust, sondern integrieren Facebook und seine hunderte Millionen Nutzer tief in ihr System. Auf die gleiche Weise will StumbleUpon, einer der letzten noch starken Social-Bookmark-Dienste sein Geschäft retten. Von Web 2.0 wurde viel geschrieben, Web 3.0 eher ziemlich schwammig skizziert. Was aber ist, wenn die nächste Webgeneration, ob 3.0 oder 4.0, ganz anders wird als geplant und einfach „Facebook“ heißt? Und jetzt kommt der Witz: Es deutet sich bereits an.
Ein Web, das uns löschen kann, wann immer es will
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André Vatter spricht im Blog ZBW Mediatalk bereits über den Tod der klassischen Website. Er bezieht sich dabei auf eine Studie (PDF) von Webtrends, nach der 40 Prozent von 44 Fortune-100-Unternehmen in den USA signifikante Besucherrückgänge auf ihrer Website verzeichnen. Bei eben diesen Unternehmen stiegen gleichzeitig die Besucherströme auf der Facebook-Seite stark an. Es sind erste Anzeichen dafür, dass das Web immer mehr zu Facebook wird. Nicht jeder mag das Netzwerk und schon gar nicht das Design einer Facebook-Seite. Aber was, wenn sich auch das ändert? Wenn Facebook seine Seiten aufhübscht, für Unternehmen anpassbarer macht und die Nutzer irgendwann das Standard-Design als angenehm empfinden. Einfach, weil sie keine Lust mehr haben, auf jeder Website an anderer Stelle nach dem Impressum, den Neuigkeiten oder den gewünschten Produkten zu suchen. Vor allem aber könnten Unternehmen ein Interesse daran haben, viel Geld für eine eigene Website zu sparen und alle Infos über sich nur noch bei Facebook anzubieten.
Wie sähe ein Web aus, das nur noch aus Facebook besteht? Der bereits erfolgte Test, unsere Nachrichten mitzutracken, um uns personalisierte Livewerbung anzuzeigen, bietet bereits einen Vorgeschmack. Es wäre ein Web, das alles über uns weiß, eins in dem wir jederzeit gelöscht werden können, wenn wir dem Unternehmen, dem es gehört, aus irgend einem Grund nicht mehr in den Kram passen. Ein Web, in dem wir technisch recht leicht daran gehindert werden können, frei nach Schnauze zu reden oder Wörter zu verwenden, die Facebook nicht mag. Das ist ein Szenario, das vielen nicht gefällt. Die Frage aber ist, ob wir das überhaupt noch aufhalten können. Wenn unsere Lieblingswebsite nicht mehr frei im Web verfügbar ist, sondern nur noch auf Facebook. Wenn wir uns für eine angesagte neue App nur noch via Facebook anmelden können. Wenn unsere Freunde keine E-Mails und freien Instant Messenger mehr benutzen, sondern nur noch Facebooks Nachrichtensystem. Dann werden wir uns dem Ganzen gar nicht mehr entziehen können. Keine schöne Vorstellung.
(Jürgen Vielmeier)