Aus dem Karrierenetzwerk wird ein soziales: Xing hat auf der CeBIT nicht nur solide Finanzzahlen präsentiert, sondern auch neue Features für die Timeline, mit denen sich etwa Statusmeldungen kommentieren, liken oder mit anderen Netzwerken teilen lassen. Wir wollten mehr wissen und haben deswegen mit Xing-Chef Stefan Groß-Selbeck gesprochen. Vor allem wollte ich wissen, was Xing plant und ob man noch einmal den Sprung über den großen Teich wagt.
Bemerkenswert zunächst einmal: Groß-Selbeck nennt die Zahl der deutschsprachigen Xing-Nutzer „gering“: „Wir haben derzeit gut 4,5 Millionen deutschsprachige Nutzer. Das sind knapp fünf Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung. Verglichen mit unseren Mitbewerbern auf dem englischsprachigen Markt, haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf. Wir wollen bei der Kundenzahl mittelfristig in den zweistelligen Millionenbereich.“ Der Fokus liegt also erst einmal auf dem deutschen Markt. Zweistelliger Millionenbereich würde in Deutschland mehr als eine Verdopplung der Kundenzahl bedeuten. Da ist noch beachtliches Wachstum möglich.
Aber wie will Xing das schaffen? Vor allem im Bereich Jobs will das Portal sich weiter verstärken. Groß-Selbeck: „Nur wir haben die Möglichkeit, ein Profil mit einem passenden Job-Angebot zu verknüpfen. Wir wollen also auch im Bereich Jobs stärker wachsen.“ Für eine Kooperation mit weiteren Jobportalen als bisher sieht er keine Notwendigkeit.
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Mich interessierte auch die Einbindung der Ticket-Plattform Amiando, die Xing zum ersten kompletten Tool für Eventmanagement werden lässt. Mehr noch: Damit ist Xing dem derzeit stärkeren Mitbewerber LinkedIn ein großes Stück voraus. Auf meine Frage, ob es da nicht an der Zeit wäre, sich noch einmal auf den weltweiten Markt zu wagen, sagte Groß-Selbeck: „In den kommenden 12 bis 18 Monaten setzen wir keinen Fokus darauf.“ Sprich: eine erneute Auslandsexpansion wird es für Xing erst einmal nicht geben. Derzeit steht das Netzwerk zwar in mehr als 15 Sprachen zur Verfügung, darunter Englisch, stark ist man aber eigentlich nur in Deutschland, Spanien und der Türkei. Gerade auf dem chinesischen Markt hatte man sich eine blutige Nase geholt. Bevor Xing also wieder in den Ring steigt, will man sicher gehen, diesmal stark genug zu sein. Und das bedeutet einen starken Stand in den Kernmärkten.
Wachstum hat sich abgeschwächt
Und dort kann sich das aktuelle Ergebnis zumindest sehen lassen: Der Gesamtumsatz stieg im Geschäftsjahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent von 45,1 auf 54,3 Millionen Euro. Der Nettogewinn beträgt diesmal 7,2 Millionen Euro nach einem Verlust von 1,7 Millionen Euro im Vorjahr. 10,5 Millionen Nutzer hat Xing nun insgesamt; im Vorjahr waren es noch 8,75 Millionen. Das ist ein Zuwachs von 20 Prozent oder 1,75 Millionen Nutzern. Von 2008 auf 2009 betrug der Zuwachs an Nutzern noch 25 Prozent. Die 0,2 Millionen Mitglieder, die Xing im vierten Quartal hinzugewonnen hat, klingen also recht wenig, auch wenn Xing betont, dass das 30 Prozent mehr seien als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.
Xings Wachstum hat sich damit tatsächlich ein wenig abgeschwächt. Das war von den Marktforschern von Compass Heading im Januar bereits prognostiziert worden. Xing hatte das eifrig dementiert. Nun haben sich die Zahlen im Grunde bestätigt: Facebook hat Xing in Deutschland klar überholt. Aber ich bleibe weiterhin dabei, dass Facebook Xing nicht auffrisst, sondern beide friedlich nebeneinander existieren können. Der eine für den privaten Bereich, der andere fürs Geschäftliche. Wichtiger als größeres Wachstum ist für Xing im Moment, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Und da hat sich das Kontaktnetzwerk heute und in den vergangenen Wochen der Zukunft geöffnet.
(Jürgen Vielmeier)