„Web 2.0“ ist ein Begriff, der im Dezember 2003 in einem Artikel von Eric Knorr zum ersten Mal eine breite Aufmerksamkeit erfuhr. Also kaum fünf Jahre nachdem die breite Masse sich überhaupt ins Web 1.0 gewagt hatte. Gemessen an dieser Zeitspanne lässt Web 3.0 erstaunlich lange auf sich warten. Das könnte damit zusammen hängen, dass die gleichen Theoretiker, die damals formulierten, was das Web 2.0 sei, sehr hohe, kaum erfüllbare Forderungen an die danach kommende Version stellten.
Wir sind heute ein ganzes Stück weiter als zu ursprünglichen Web-2.0-Zeiten, so weit, dass man bedenkenlos von einer neuen Generation des Webs sprechen kann. Vieles, was damals und in der Folgezeit als Charakter des neuen Webs beschrieben wurde, ist heute längst Standard, hat sich nicht durchgesetzt oder ist überholt. Der Schritt von Web 1.0 auf Web 2.0 war ungleich kleiner. Warum ich glaube, dass wir längst im Web 3.0 sind, soll euch dieser Beitrag verdeutlichen.
Was zeichnet das Web 2.0 aus? Auf der technischen Seite etwa Ajax, RSS, Breitband-Internet, offene Schnittstellen (APIs) und Mashups, allgemein Techniken, die die Webnutzung einfacher machten. Auf der Anwenderseite Blogs, Wikis, Webvideos und Podcasts. Allgemein die Möglichkeit, Webinhalte nicht mehr nur zu konsumieren, sondern selbst zu produzieren. Als Massenphänomene etwa Crowdsourcing, Flashmobs, Folksonomy, Long Tail und Usability.
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Charakteristisch wurde das Web zum Mitmachweb, der Nutzer vom Konsumenten (Consumer) zum Prosumer (Mischung aus Produzent und Consumer). Tim O’Reilly hatte dazu im September 2005 eine anschauliche Beispielliste aufgestellt, welche Dienste Web 1.0 und welche Web 2.0 charakterisieren. Ich habe einige Beispiele davon aufgenommen und die Liste um weitere Beispiele ergänzt:
Web 1.0 –> Web 2.0
Ofoto –> Flickr
DoubleClick –> AdSense
Mp3.com –> Napster
Geocities –> Friendster, MySpace, Facebook
Britannica –> Wikipedia
Homepage –> Blog
Veröffentlichung –> Beteiligung (Kommentar)
CMS –> Wiki
Verzeichnisse –> Tagging (Folksonomy)
Chat –> Social Network
Spaß-E-Mail –> Social Network, Blog
Newsportal –> Social News/RSS
Modem/ISDN –> Breitband (DSL, Kabelmodem)
E-Mail/Outlook –> Google Mail/Webmail
Software-Suite –> Webservice
PC –> Laptop
Websuche –> Echtzeit-Suche
Neue Möglichkeiten entstanden, etwa Podcasting, die Möglichkeit, sich mit RSS einen eigenen Newsreader zu bauen und damit alle Neuigkeiten an einer Stelle zu finden (Syndication) statt etliche Websites besuchen zu müssen. Auch riesige Datenfarmen und erste Anzeichen von Cloud Computung sind charakterisch für Web 2.0. Ein lustiges Video etwa verschickt man nicht mehr als E-Mail, sondern als verlinkt darauf oder stellt es bei YouTube hoch, wenn man selbst der Urheber ist. Viele dieser Möglichkeiten haben sich über die Jahre längst weiter entwickelt, andere haben sich nicht durchgesetzt. Eine ähnliche Entwicklung wie oben könnte man also auch heute skizzieren.
Web 2.0 –> xxx
Flickr –> Instagram/PicPlz
AdSense –> Behavioral Targeting, Facebook Deals
Filesharing –> 1-Click-Hoster, Streaming, legaler Download
Wikipedia –> Q&A-Portale (Quora)
Blog –> Twitter, Statusmeldungen
DSL –> UMTS/HSPA
Laptop –> Smartphone, Netbook, Tablet
Social News/RSS –> Google Buzz, Facebook Feed
Webmail –> Facebook Messages
Websuche –> Google Instant
Wordpress/CMS –> Tumblr, Posterous
Kommentieren –> Liken, Sharen, Retweeten
Webservices –> Apps
Es ist nicht das Web 3.0, das die Theoretiker etwa im semantischen Web sehen. (Obwohl ich mit Google Instant oder Ifttt schon gute Ansätze des ganzen sehe.) Aber es ist eine Weiterentwicklung in der Größenordnung einer Generation. Ein weiteres Indiz für einen Versionssprung ist, dass einige Hypes aus der Web-2.0-Zeit heute schon wieder vorbei sind. Podcasting etwa ist in der Nische verschwunden und findet heute noch Dasein als Zweitverwertung von Radiobeiträgen. Virtuelle Welten wie Second Life wurden überschätzt. Social News wie Reddit, Digg und Yigg sind auf dem absteigenden Ast. RSS hat sich – außer bei Online-Journalisten und Bloggern – nie wirklich durchgesetzt. Und auch Blogs sind eine Nische geblieben, aus der nur ganz wenige hervorgetreten sind und vom Massenpublikum wahrgenommen werden.
Dass der Begriff „Web 2.0“ inzwischen wieder vollkommen aus der Mode ist und von „Social Media“ abgelöst wird, dürfte ein weiterer Fingerzeig sein, dass Web 2.0 heute nichts Besonderes mehr ist. Das damals Neue hat sich etabliert, ist der Alltag geworden. Neue Dienste lösen die alten inzwischen ab. Wenn das Hier und Heute aber wirklich schon Web 3.0 ist, was zeichnet diese Version dann aus?
Das Follower-Prinzip ist Web 3.0, das heutige Facebook ein Paradebeispiel
Es ist eine Zeit, in der Kommentare Alltag sind und wir eher „Gefällt mir“ klicken statt selbst etwas zu produzieren oder eine E-Mail mit dem Inhalt „Wie geht’s dir?“ zu schreiben. Wir synchronisieren unsere Daten und Ideen über Dienste wie Dropbox, Instapaper und Evernote. Wir verwenden das Smartphone, um unterwegs speziell dafür angepasste Internetangebote zu nutzen. Die Vermischung von Diensten dank zweinulliger, offener Schnittstellen ist Alltag geworden: Statusmeldungen etwa werden mit Videos oder Fotos kombiniert, mit Geotagging versehen, mit Anzeigen verdrahtet, von Freunden kommentiert und gemocht und in einem gigantischen Lifestream von Bezugspersonen („Freunden“) gelesen.
Wenn Web 2.0 Aggregation und Syndikation bedeutet hat, dann bedeutet dieses Web 3.0 Vermenschlichung und Personalisierung. Nicht mehr Maschinen oder eine anonyme Masse stellen die Inhalte für uns bereit, sondern Menschen, die uns interessieren. Technisch gesehen ist dieses Web 3.0 das Follower-Prinzip: Wir hantieren und suchen nicht mehr auf Webseiten herum, bis wir einen RSS-Stream gefunden, kopiert und in unserem RSS-Reader eingefügt haben, sondern klicken dafür einfach einen Knopf. Das ist nicht mehr neu, werdet ihr sagen. Stimmt. Die Übergänge von einer Generation zur nächsten sind fließend. Begonnen hat dieses Web 3.0 deswegen in Teilen schon vor Jahren. Facebook, das sich über die Jahre hinweg kontinuierlich weiter entwickelt hat, bildet eine Brücke zwischen den beiden Generationen. Es war einst ein Paradebeispiel für Web 2.0; heute kann man dank der vielen Erweiterungen sehr gut an Facebook ablesen, wie dieses Web 3.0 aussieht.
Große Teile des Web 2.0 leben weiter
Bedeutet das das Ende von Web 2.0, das etwa Matthias Schwenk von Carta angesichts des Kaufs der Huffington Post durch AOL in dieser Woche heraufbeschworen hat? Nein, Web 2.0 ist nicht tot, einige Dienste werden weiterleben, so wie auch viele Web-1.0-Dienste nie ganz aufgehört haben zu existieren. Vieles, was Web 2.0 hervorgebracht hat, ist uns in Fleisch und Blut übergegangen.
Ebenfalls in dieser Woche entschloss sich die Mozilla Foundation, ein Ende der Versionsnummer 3.x einzuläuten. Die führt man seit einer Ewigkeit (2008) fort, obwohl mit Firefox 3.5 praktisch eine neue Browserversion entstanden ist und es für 4.0 nur noch an Details mangelt. Künftig sollen neue Versionen in Abständen weniger Monate erscheinen. Die Messlatte für die vierte Version, die man sich selbst gelegt hatte, war einfach zu hoch. Auch für die nächste Version des Webs wurde die Messlatte zu hoch gelegt, um sie in absehbarer Zeit zu überspringen. Machen auch wir Schluss mit der ewigen Version, obwohl wir doch längst weiter sind. Begrüßen wir Web 3.0.
(Jürgen Vielmeier)