Wir wollen nicht gemein sein, aber ein wenig Schadenfreude muss einem reinen Online-Magazin ohne Leistungsschutzrecht gestattet sein. Angesichts dieser Meldung: Die Europäischen Verleger sind enttäuscht von Apple und fordern einen freien Zugang zum iPad. Jenes Gerät, das sie vor einem Jahr noch gepriesen haben, wegen dem Apple sich bei ihnen nur noch einer minder kritischen Berichterstattung unzerziehen musste. Und wegen dem sich Springer-Chef Mathias Döpfner gar zu der peinlichen Aussage hinreißen ließ: „Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.“
Mit dieser Rettung der armen, unter dem Internet leidenden Verlage (Ironie) durch Apple ist es jüngst etwas unwahrscheinlicher geworden. Denn der gepriesene Engel könnte sich als Satan entpuppen und künftig auch für In-App-Käufe der Verlags-Apps 30 Prozent Provision verlangen. Mehr noch: Die Abwicklung der Verkäufe würde über den iTunes-Store laufen statt bislang über die Server der Verlage. Im Falle der Verleger würde das bedeuten: Für jede einzelne Ausgabe der iPad-Version von „Spiegel“, „FAZ“ oder „Bild“ würde Apple sich 30 Prozent abzweigen. Eine stolze Summe, gemessen etwa daran, dass eine „Spiegel“-Ausgabe für das iPad derzeit 3,99 Euro kostet. Zuletzt kam Sony das zu spüren, als Apple den Sony Reader nicht in den App Store ließ, über den Käufer provisionslos Bücher von Sonys eigenen Servern kaufen konnten.
Kundengeschäft selbst abwickeln, Provision behalten
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Deswegen hat sich der europäische Zeitungsverlegerverband ENPA heute an die Öffentlichkeit gewandt: Verleger sollten ihr Geschäftsmodell auf dem iPad frei bestimmen können und sich nicht Apples Geschäftspolitik beugen müssen. Auch das Endkundengeschäft wollen sie selbst abwickeln. Der iPad-Hersteller verlangt seine übliche Provision von 30 Prozent des Verkaufspreises nicht nur für Apps, sondern auch für In-App-Käufe. Diese Praxis wurde nicht immer streng gehandhabt. Amazon und Netflix etwa konnten die Praxis umgehen, bis zum 30.6. hat Apple eine Übergangsfrist verhängt. Und auch die Verlagsbranche kam bis jetzt davon. Bis jetzt.
In-App-Käufe sind seit vergangenem September möglich und von Apple gewissermaßen vorgeschrieben. Das war ein halbes Jahr nach der Lobhudelei für das iPad. Erst im Januar hatte Apple angekündigt, die Praxis strenger zu handhaben. Die Verlage fühlen sich übergangen. Vor der ENPA hatte sich vergangene Woche erst die International Newspaper Marketing Association (INMA) gemeinsam gegen Apple echauffiert.
Verlage waren völlig ahnungslos
Ist Apples Praxis gierig? In diesem Fall scheint es so. 30 Prozent für Songs, Filme und Apps aus dem iTunes-Store gehen in Ordnung, weil die Medien im leicht durchsuchbaren iTunes Store gefunden und direkt auf gewünschte Apple-Geräte geladen werden können. Bei Zeitungen und Zeitschriften allerdings hat Apple bis auf das Einstellen der App im iTunes-Store keinen Mehraufwand. Hier sollte Apple über einen geringeren Prozentsatz von 10 oder 5 Prozent nachdenken.
Die wichtigste Frage, die sich aber für mich stellt, ist: Hätten die Verlage das ahnen können, ehe sie dem Rattenfänger von Cupertino blauäugig folgten? Ich behaupte: Ja. Es war schon damals absehbar, dass Apple bei seiner 30-Prozent-Politik bleiben und diese nicht nur auf Apps anwenden würde. Wer 30 Prozent von jeder App und jedem Song einstreicht, der will auch am Kuchen der Verlage mitnaschen. Gemeinsam haben die Verlage vielleicht sogar Erfolg damit, Apple umzustimmen und geringere Provisionen herauszuschlagen. Vorzuwerfen haben sie sich das Dilemma selbst. Wären sie von Anfang an etwas weniger unterwürfig aufgetreten, hätten sie sich eine stärkere Verhandlungsposition erschaffen und wären von Apple ernst genommen worden. Den Stand müssen sie sich jetzt erst erarbeiten. Wären wir gemein, würde wir ihnen fast gönnen, dass sie damit scheitern. Aber das sind wir ja nicht.
(Jürgen Vielmeier)