AOLs neuer Chef Tim Armstrong ist ein Freund des Online-Journalismus. Das klingt selbstverständlich, ist aber erstaunlicherweise eher die Ausnahme. Zumindest was Investitionen angeht. Seit Armstrong im März 2009 bei AOL das Ruder übernahm, investierte er dutzende Millionen US-Dollar in AOLs Lokalnewsplattform Patch.com. Auch die Übernahme des US-Techblogs Techcrunch wurde maßgeblich von Armstrong initiiert. Die „New York Times“ betrachtet heute in einem interessanten Beitrag das Phänomen Patch. Das Projekt hat sich längst noch nicht überall durchgesetzt, aber in vielen Kommunen sei die Seite bereits anerkannt und generiere eine ernst zu nehmende Anzahl von Besuchen und Seitenaufrufen.
Das Projekt zeigt die Schwierigkeiten mit einem solchen Lokalprojekt. Bisherige Projekte ähnlicher Natur machen deutlich, dass Plattformen für Lokaljournalismus ohne Geld bisher nicht erfolgreich waren. AOL hat das Geld bislang maßgeblich in Personal investiert. So beschäftigt Armstrong vor Ort Lokalredakteure, die zwischen 38.000 und 43.000 Dollar im Jahr und damit ein anständiges Salär erhalten. Die Redakteure müssen dafür täglich bis zu fünf Beiträge liefern, seien es Nachrichten, Bildergalerien, Kommentare oder Videos. Daneben betreuen sie weitere Freischaffende vor Ort. Mehrere hundert Lokalredakteure sind im Einsatz, die AOL mit Laptop, Digitalkamera, Handy und Funkgeräten ausgestattet hat. Letztere, um den Polizeifunk zu verfolgen, was in den USA bis zu einem gewissen Grad erlaubt ist.
Hohe Anfangsinvestitionen, ohne Geld keine Chance
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Zurzeit hat Patch Lokalredaktionen in gut 800 Städten und Gemeinden in den USA. Bis Jahresende sollen es tausend sein. Einzelne Kommunen, die sich für unterversorgt halten, können sich bei Patch um den Aufbau einer Redaktion bewerben. Das Projekt sucht vor allem Städte mit einer Einwohnerzahl zwischen 15.000 und 100.000. Die bereits 2007 ins Leben gerufene Plattform hatte laut Comscore im Dezember 2010 drei Millionen eindeutige Besucher (Unique Visitors), achtzig (!) Mal so viel wie ein Jahr zuvor. Und doch kranken auf vielen Lokalseiten noch die Inhalte. Viele Unterseiten veröffentlichen Pressemeldungen von Unternehmen, oder Kolumnen machen den Großteil der Berichterstattung aus. Bei unserer Stichprobe scheint der Dienst aber seine Schuldigkeit zu tun: Aktuelle Berichte über die Schneelage der Haupteinkaufsstraße, Ergebnisse der örtlichen Basketballmannschaft, Bürgersprechstunde im Rathaus. Kurz: nichts, was auch nur eine Seele interessiert, die nicht in der Stadt wohnt. Lokalnachrichten eben. Test bestanden.
Darf die Frage erlaubt sein, wie AOL Patch langfristig finanzieren will? Denn stimmen die Gehälter und die Personalzahlen, die die „New York Times“ in den Raum wirft, dürften alleine die Lokalredakteure in diesem Jahr 30 bis 45 Millionen Dollar kosten. Zurzeit dürfte Patch noch kein Geld einnehmen. Es geht vornehmlich darum, konkurrenzlos bekannt zu werden. Dann dürfte Patch den Großteil des lokalen Werbekuchens verspeisen, den Borrell Associates in diesem Jahr auf 15,9 Milliarden US-Dollar schätzt. Es geht also um das Abstecken der Claims, noch bevor überhaupt Gold gefunden wurde. Die Frage bleibt bestehen, ob AOL mit Patch den Königsweg geht. Dass man ganz ohne Geld ein Netzwerk von Lokaljournalisten aufbauen kann, die dann täglich Qualität liefern, halte ich für schwierig bis unmöglich. Es dürfte aber auch auf andere Weise funktionieren als mit derart hohen Investitionen, die AOL tätigt. Das hieße: Ein Netzwerk von Journalisten und Werbevermarktern erst einmal passiv aufbauen und dann ins Leben rufen, sobald Einnahmen zu erwarten sind. Buzzriders, ich blicke in deine Richtung!
(Jürgen Vielmeier)