Die US-Technikpresse feiert zur Zeit einen Trend namens Foodspotting. Das ist im Grunde nichts Weltbewegendes, aber beeindruckend sind die Zahlen. Zur Anwendung selbst: Man nimmt Bilder von Gerichten auf, idealerweise bevor man sie gegessen hat, und stellt sie online. Das ganze geht über einen Web-Client oder eine iPhone- oder Android-App. Foodwatching integriert sich nahtlos in den Geolocationdienst Foursquare, über den man seit einigen Wochen auch Fotos posten kann. Für die Gastwirtschaft sind die Bilder beste Werbung oder – je nachdem – Anti-Werbung.
Nutzer der Community können die Fotos kommentieren und bewerten, die natürlich per Geolocation verortet sind. Auf Foodspotting.com werden die bestbewerteten Fotos in einem Stream vorgestellt. Man kann anderen Essenspottern folgen und Punkte sammeln, wenn sie ein vorgeschlagenes Gericht mögen. Fertig ist das Facebook fürs Essen. Weil man nebenbei auch noch Bewertungen der Lokalitäten abgeben kann, greift Foodspotting auch Dienste wie Yelp oder Qype an. Und weil das ganze aus den USA kommt, sieht man dort zuallererst die Chancen des ganzen. Restaurants können damit auf sich aufmerksam machen und so Kundschaft anlocken. Auch ein paar neue professionelle Restaurantkritiker wird die Seite schon hervorgebracht haben.
Starker Binnenmarkt hilft Gründern
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Foodwatching ist vor bald genau einem Jahr online gegangen und hat gestern drei Millionen US-Dollar Wagniskapital erhalten. Das ist nicht einmal viel dafür, dass die erst um die Weihnachtstage gelaunchte Android-App vom Fleck weg über 500.000 Mal heruntergeladen wurde. Die Zahl der Unique Visitors beträgt nach dem ersten Jahr monatlich 300.000, kein Wunder bei über 275.000 präsentierten Gerichten. Das sind keine berauschenden Zahlen, aber offenbar genug, dass Foodwatching sich finanzieren kann und für Investoren interessant ist. Die Anschubfinanzierung vor gut einem Jahr betrug 750.000 Dollar. Foodspotting ist zwar weltweit verfügbar, konzentriert sich aber zurzeit fast ausschließlich auf den US-Markt.
Das ist deswegen ein schönes Beispiel dafür, was der US-Markt dem deutschen voraus hat. Bisher konnte man leicht sagen, Startups aus den USA hätten es deswegen leichter, weil ihre Sprache Englisch ist und damit praktisch die ganze Welt sie benutzen kann. Am Beispiel Foodwatching sieht man aber auch, dass etwas anderes als die Sprache mindestens genauso wichtig ist: eine starke Unterstützung am Binnenmarkt. Woran liegt es, dass man in den USA so viel internetaffiner ist als in Deutschland? Weil man dem Internet gegenüber positiv eingestellt ist.
Verkaufen sich Horrorgeschichten wirklich besser als Erfolgsgeschichten?
Dass die breite Masse das in Deutschland nicht ist, kann man in dieser Woche sehr schön an seinem renommiertesten Nachrichtenmagazin ablesen. Pünktlich zum Jahresbeginn warnt der „Spiegel“ vor den kriminellen Machenschaften von Facebook, ein Jahr davor kam Google in einem ähnlichen Bericht genauso schlecht weg. Richard Gutjahrs treffenden Beitrag dazu habt ihr sicher inzwischen gelesen. Natürlich verkauft sich Panikmache selten schlecht – aber ginge das nicht auch anders? Die meisten von euch werden den „Spiegel“-Artikel nicht weiter ernst genommen haben. Anders dürfte sich das bei den ohnehin verunsicherten Menschen vornehmlich etwas älterer Generation verhalten, die längst der Meinung sind, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist, der nur aus Kinderpornos, Viren und Trojanern besteht und von Hackern und Phishern regiert wird.
Medien sollten sich ihrer Rolle bewusst sein. Natürlich haben sie einen Einfluss auf eine breite Leserschaft, die es nun einmal nicht besser weiß. Und leider schadet das auch dem Standort Deutschland und seiner Start-up-Szene. Solche Geschichten tragen sicherlich nicht dazu bei, dass eine breite Masse sich nun ins Internet stürzt. Versteht mich nicht falsch. Ich mag längst nicht alles, was Facebook und Google machen und planen. Aber alles schlecht reden, was mit dem Internet zu tun hat, ist unkonstruktiv. Stellt euch nur einmal die Möglichkeiten vor, was hier los wäre, wenn die Masse keine Angst mehr vor dem Internet hätte, sich sogar begeistert darauf stürzen würde. Ein starker, internetfreundlicher Binnenmarkt könnte jungen Unternehmen dazu verhelfen, die nötige Basis aufzubauen, um weltweit zu expandieren. Oder einfach nur Menschen dazu motivieren, überhaupt ein Startup zu gründen. Profitieren könnten davon alle – sogar die Presse. Statt einer Horrorgeschichte über Facebook hätte der „Spiegel“ ebenso gut eine Erfolgsgeschichte schreiben können, wie seine US-Konkurrenz es angesichts der Bewertung von 50 Milliarden Dollar vielfach getan hat. Hätte die sich schlechter verkauft? Kann ich mir kaum vorstellen.
(Jürgen Vielmeier)