Neuerdings lohnt es sich immer mal, beim Bundesverbraucherministerium vorbeizuschauen, um herauszufinden, was in Sachen Technik und Social Media gerade angesagt ist. Den Datenschützern missfiel in den letzten Monaten zum Beispiel Google StreetView oder Facebook – zwei häufig genutzte Dienste unserer Leser. Was Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner heute für bedenklich hält, dürfte das nächste, große Ding werden: Spielzeugdrohnen.
Drohnen sind ein zweifelhaftes Instrument der „modernen“ Kriegsführung geworden. Statt Soldaten in einen Einsatz zu schicken, erledigen immer häufiger Drohnen die Drecksarbeit: unbemannte, ferngesteuerte Flugkörper, die entweder selbst Waffen in sich tragen oder zur Aufklärung dienen. Das Risiko für den Angreifer ist beim Einsatz von Drohnen lediglich noch finanzieller Natur. Gleichwohl sinkt die Hemmschwelle abzudrücken, und die Gefahr, „die Falschen“ zu töten, erhöht sich.
Zivile Drohnen gehen derweil eher in Richtung Spielzeug. Sie erlauben es, einen Nahbereich auszukundschaften und – mit virtueller Realität unterlegt – interessante Netzwerkgames zu spielen. Dazu gehören die Drohnen, die Aigner nun im Visier hat, vor allem die des Herstellers AR.Drone. Diese lassen sich mit einem iOS-Gerät steuern (iPhone, iPad oder iPod touch) und dadurch mit einem Game wie AR.Flying Ace verbinden.
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Der Quadrocopter ist neben vier Propellern mit zwei Kameras ausgestattet und für knapp 300 Euro zu haben. Das Game hat eigentlich alles, was dem Spieler von heute gefallen dürfte: Anfassbare, bewegliche „Waffen“ mit einer virtuellen Zusatzschicht (Augmented Reality) überblendet. Da sich die Systeme sehr genau steuern lassen und viel Geschicklichkeit erfordern, haben solche Spiele die Chance, zum Hit der kommenden Jahre zu werden. Zumal preislich noch viel Spielraum nach unten ist.
Wenn aber bald jeder Zweite mit einer ferngesteuerten Drohne vor Nachbars Schlafzimmerfenster Privatdetektiv spielt, könnte das durchaus Ärger und Probleme mit sich bringen. Zumal sich die Drohnen dank offener Schnittstellen auch für andere Dinge als Spiele verwenden lassen. Die AR.Drone hat eine Reichweite von 50 Metern, was natürlich nicht ausreicht, um in fernen Straßen oder Städten vorbeizuschauen. Aber an der Machbarkeit sollten weitere Reichweiten sicher nicht scheitern, sobald jemand den Preis dafür zahlt. Dies ist das Szenario, vor dem Aigner warnt.
Ungebetene Besucher vor dem Schlafzimmerfenster
Fluggeräte, die weniger als 5 Kilogramm wiegen, und eine Flughöhe von weniger als 30 Metern erreichen können, dürfen in Deutschland ohne Aufstiegserlaubnis fliegen. Laut einer Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ist es unter Umständen sogar erlaubt, Nachbarn auf der Straße zu fotografieren, solange dies nicht im kommerziellen Umfang geschieht. Die Abgrenzung zu kommerziellen Diensten sei dabei schwierig. „Eine Grauzone“, sagte die Sprecherin. Aigner hingegen nennt einen Kameraausflug in Nachbars Garten „zumindest problematisch. Die Aufnahme von Personen, die sich in einer Wohnung aufhalten, wäre ohne deren Einwilligung sogar strafbar.“
Drastischer formuliert es Jan Korte, Datenschutzexperte der Linksfraktion im Bundestag: „Es besteht das Risiko, dass der öffentliche Raum weiter ausverkauft wird, die Privatsphäre durch Nachbarschafts-Schnüffeleien und staatliche und private Ausspähung eingeschränkt werden.“
Datenschutzrechtlich erinnert das an Google StreetView. Und auch technisch könnte es in die Richtung gehen. Eine Häuseransicht ließe sich durch den massiven Einsatz crowdgesourcter Drohnen noch um beliebige Details erweitern: Frontalansicht des 10. Stockwerks, Aufnahmen von Garten, Schlafzimmer, Esszimmer, Badezimmer. Ein Szenario, wogegen Google StreetView wie Kindergeburtstag klingt. Anders als bei Google StreetView hoffe ich deswegen diesmal, dass die Politik das Drohnen-Schnüffeln schnell unterbindet. Spielzeug-Drohnen sind eine feine Sache – aber ich wäre sehr glücklich, wenn sie eben nur das blieben: Spielzeug.
(Jürgen Vielmeier)