Es ist wirklich erstaunlich, welche Kreise die aktuellen Wikileaks-Veröffentlichungen ziehen. Damit meine ich gar nicht mehr die weltweite Empörung und Diskussion über die Veröffentlichung der US-Botschaftsdepeschen, sondern sozusagen die „zweite Welle“. Hierzulande dürfte in diesem Kontext vor allem die Meldung erwähnenswert sein, dass die WAZ-Mediengruppe, genauer: ihr regional ausgerichtetes Onlineportal DerWesten nun ein eigenes Whistleblower-Portal startet.
„Wir wissen, dass es viele Menschen gibt, die Zeugen zweifelhafter Vorgänge sind. Wir wissen genauso, dass es viele Menschen gibt, die über Dokumente, Filme oder Verträge verfügen, die sie veröffentlicht sehen wollen, um Missstände zu offenbaren und Diskussionen anzuregen“, so David Schraven, Leiter des Ressorts „Recherche“. Und weiter heißt es: „Wenn Sie wollen, dass wir diesen Dingen auf den Grund gehen, dann rufen Sie uns an, schicken Sie eine E-Mail, ein Fax oder einen Brief. Melden Sie sich einfach“. Zu diesem Zweck wurde ein spezielles elektronisches Postfach geschaffen, das – vor allem auch – denen, die anonym bleiben möchten, diesen Schutz bietet. „Unsere Datenleitungen sind elektronisch gesichert. Niemand wird Sie enttarnen können“, so Schraven.
Offenbar versteht sich man sich bei DerWesten aber nicht als Wikileaks-Ableger, bei dem die eingereichten Dokumente (im Original) veröffentlicht werden, sondern als Service, der die Quellen für weitere Recherchen nutzt. Sollte doch mal in einem Artikel auf ein „geleaktes“ Dokument verlinkt werden, dann aber nur, wenn die Quelle nicht ausgemacht werden kann.
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Man könnte auf die Idee kommen, die investigativen Journalisten würden wieder ihrem Job nachgehen. Besonders kritische Beobachter könnten aber auch auf die Idee kommen zu behaupten, dass da jemand neidisch. Neidisch auf die Auflagenzahlen, die Spiegel und die anderen, in die Depeschen-Veröffentlichung involvierten Medien erreicht haben. Wie die Kollegen von MEEDIA berichteten, war der Wikileaks-Spiegel fast überall vergriffen, so dass der Verlag 80.000 Hefte nachdrucken ließ. Zudem durften diese eine Woche länger am Kiosk verweilen, als sonst üblich. Aber wie gesagt, das wären dann die Pessimisten unter den Kritikern, die hier finanzielle Überlegungen als Motivation sehen.
Verlassen wir Deutschland und blicken kurz rüber zu unseren niederländischen Freunden, bevor sich der Blick nach Nordamerika wendet. Der Programmierer Sebastiaan Moeys sieht den Rummel um Wikileaks offenbar etwas gelassener als viele Zeitgenossen. Anstatt sich an irgendwelchen Diskussionen, Protesten oder Hacks zu beteiligen, präsentiert er uns sein Statement in Form des Spiels „Wikileaks – The Game„. Ziel ist es dabei, geheime Dokumente vom Laptop des US-Präsidenten Barack Obama zu stehlen, während der ratzend in der Koje liegt.
Nun kann man von „Wikileaks – The Game“ (und anderen, von dem Vorfall inspirierten Spielen) halten, was man will. Wie auch immer das Urteil ausfallen mag, es ist und bleibt ein Spiel. Das allerdings gilt für das Hacken von Websites nicht, auch wenn es viele (möglicherweise aufgrund ihres oft noch jungen Alters) für ein ebensolches halten.
Es wäre spekulativ, bei dem jüngsten Amazon-Offliner von einem Hack der Wikileaks-Sympathisanten-Gruppe „Anonymous“ zu sprechen – und ich will mir diesen Vorwurf nicht schon wieder gefallen lassen müssen. Auch wenn der Verdacht naheliegt, dass es sich nicht um einen Hardware-Fehler handelte, der am vergangenen Wochenende zum zeitweiligen Ausfall führte, so wie der Online-Versandhändler behauptet. In einem anderen Kontext möchte ich aber zumindest die Meinung äußern, dass ich die Taten der Hacker-Gruppe als „Vorbild“ für ähnliche „Strafaktionen“ sehe.
Konkret geht es um den Fall „Gawker„. Der Betreiber der populären US-Blogs Gizmodo, Lifehacker und Gawker wurde ebenfalls am vergangenen Wochenende lahmgelegt – und damit regelrecht abgestraft. Wie das News-Blog Mediaite sehr detailliert nachzeichnet, sollte Gawker nämlich für seine Arroganz büßen, die es 4chan und anderen Hacker-Communities gegenüber äußerte, wie ein Sprecher der für den Hack verantwortlichen Gruppe mit dem Namen Gnosis verkündete. Weitere Details sollen an dieser Stelle nicht interessieren, ihr findet sie aber auf der oben verlinkten Seite.
Worum es mir nun geht, ist die Feststellung, dass hier – ähnlich wie im Fall Wikileaks – ein Unternehmen für ein vermeintliches Fehlverhalten bestraft wird. Und es würde mich nicht wundern, wenn in naher Zukunft noch weitere Unternehmen folgten. Nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit Gnosis oder deren Gründen, aber doch aus der gleichen Motivation heraus. Es scheint, als hätten die Anonymous-Hacker das Online-Punishment – beabsichtigt oder nicht – auf eine gewisse Art salonfähig gemacht. Ich will nicht auf Teufel komm raus Verbindungen herstellen, die nicht existieren oder die Sache überbewerten. Aber ich befürchte, dass es Trittbrettfahrer im Sog des Wikileaks-Rummels zusehends schwerer fallen könnte, zwischen Spiel und Realität zu unterscheiden. Zu unterscheiden zwischen einem Beschwerdebrief oder Bashing-Kommentar und einem kriminellen Angriff. Es kann ja wohl nicht angehen, dass künftig jeder Online-Content-Anbieter vor Angriffen auf seine Server Angst haben muss, weil er irgendwem auf die Füße tritt. Auch wenn die Wikileaks-Verteidiger ein anderes Ziel mit ihren Hacks verfolgt haben: Es könnte gut sein, dass sie die Büchse der Pandora geöffnet haben, die sich nun nicht mehr schließen lässt.
(Marek Hoffmann)