Erinnert ihr euch noch an die Band Soul Asylum und das fantastische Lied „Runaway Train“ (Falls nicht, hier der Clip-Link). Darin beziehungsweise in dem dazugehörigen Video geht es um Kinder und Jugendliche, die in den USA täglich als vermisst gemeldet werden. Es sollte die Öffentlichkeit für deren Schicksale sensibilisieren und hatte in vereinzelten Fällen offenbar tatsächlich dazu geführt, dass Kinder wiedergefunden und zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten. Ich bin mir nicht sicher, ob es der Popularität des Songs geschuldet war. Aber im selben Jahr (1992) kam im deutschen Fernsehen zuerst die Sendung „Bitte melde dich„, dann „Spurlos“ und schließlich „Vermisst“ auf, allerdings ohne die Beschränkung nur auf vermisste Minderjährige. Und jetzt, so viele Jahre nach „Runaway Train“ scheint das Internet sich für das Thema zu interessieren – namentlich in Form der Personensuchmaschinen 123people und Yasni.
Beide haben am heutigen Dienstag fast zeitgleich entsprechende Pressemitteilungen verschickt, in denen darauf hingewiesen wird, dass die „größte Personensuchmaschine […] den Verein ‚Hilfe für Opfer von DDR-Zwangsadoptionen e.V.‘ bei der Zusammenführung von zerrissenen Familien“ unterstützt beziehungsweise „Unter www.vermisste-finden.de […] ab sofort 15.000 Vermisstenanzeigen nach Name und Stichwort durchsucht werden“ können. Toller Service, möchte man meinen. Immerhin kennen wir ja Fälle wie den von John Watson oder Dirk Pratt, in denen die Väter über 20 Jahre nach ihren Töchtern suchten – und sie schließlich auf oder besser über Facebook fanden. Man kann das Ganze aber auch etwas kritischer sehen.
Auf Zuckerbergs Social Network gibt es kein entsprechendes Angebot für die Suche von Vermissten. Die beiden oben genannten Personen wurden selbst aktiv und fündig. Natürlich wäre Facebook für ein Angebot, wie es nun die beiden Personensuchmaschinen anbieten, prädestiniert: das Netzwerk umspannt den Globus, hat über eine halbe Milliarde Nutzer, die ihr Profil meist mit einem persönlichen Foto schmücken, es hat ein sehr gut funktionierendes Kommunikationssystem… – an einer öffentlichen Pinnwand als vermisst gemeldete und gleichzeitig bei Facebook registrierte User würden bestimmt schnell gefunden.
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Aber warum bietet Facebook solch einen Service nicht an? Vermutlich aus dem gleichen Grund, warum 123people und Yasni es hätten bleiben lassen sollen: weil es nicht zu ihrem Geschäftsmodell passt. Beim Erstgenannten wirbt man damit, eine Personensuchmaschine zu sein, „die das Internet in Echtzeit nach Informationen zu Namen durchsucht“ und der hauseigene Suchalgorithmus den User dabei unterstützt, „Bilder, Videos, Telefonnummern, Email-Adressen, Soziale Netzwerke und vieles mehr zu Namen zu finden“. Und der Konkurrent schreibt: „Die Suche nach Personen, um alte Freunde wiederzufinden, mehr über Geschäftspartner, Nachbarn und Bekannte zu erfahren sowie neue Kontakte zu knüpfen“. Es sind Suchmaschinen für Informationen zu einer oder über eine Person. Keine Maschinen, die Detektivarbeit leisten und vermisste Personen finden sollen. Auch wenn der Name dies vielleicht nahelegt.
„Jedes Mal, wenn ein User den Namen einer vom OvZ-DDR e.V. gesuchten Person auf www.123people.ch oder einer der übrigen elf Länderdomains eingibt, erscheint ein Banner mit dem Hinweis, dass es sich bei der betreffenden Person möglicherweise um jemanden handelt, der vom OvZ-DDR e.V. gesucht wird“ heißt es bei 123people. Dazu wird einer der besten Werbeplätze auf der Einstiegsseite zur Verfügung gestellt. Ich gestehe, dass dies ein Grund für mich wäre, die Seite nicht mehr zu besuchen. Ich möchte schließlich auch nicht bei der Online-Telefonauskunft eine Nummer nachgucken und in etwaigen Fällen entsprechende Vermissten-Hinweise erhalten. Es hängt wohl mit etwas zusammen, das ich „spezifische Einkaufsverfassung“ nennen möchte. Wenn ich nach Infos zu einer Person suche, dann befinde ich mich in einer Art positiver Grundstimmung und oder wegen der Erwartung, fündig zu werden. Habe ich im Hinterkopf, dass ich dabei auf Vermisste stoßen könnte, wirkt der Gedanke negativ auf mich und stößt mich, vielleicht nur unbewusst ab. Ähnlich den Berichten aus der Dritten Welt, die sich wohl kaum einer gerne anschaut, wenn er gerade vor seinem prächtigen Mahl sitzt.
Yasni begegnet diesem Umstand etwas klüger, indem die Vermissten-Suchmaschine quasi outgesourced wird. Sie wird nicht als Feature, sondern als Zusatzangebot des Unternehmens Yasni präsentiert. Das ist auch grenzwertig, aber immerhin muss sich hier der User bewusst dafür entscheiden, die Seite aufzurufen. Andererseits handelt es sich bei dem Service von 123people offenbar nur um eine zeitlich begrenzte, keine dauerhafte Kampagne (Falsche Annahme, siehe Kommentare).
Beiden Angeboten haftet aber noch ein weiterer Makel an: nämlich, dass sie kommerziell ausgerichtet sind. Damit meine ich nicht unbedingt in Form von Premium-Accounts oder Werbung auf den entsprechenden Seiten des Angebots. Sondern vielmehr die grundsätzliche wirtschaftliche Ausrichtung der Unternehmen, im Gegensatz zu einer karitativen. Denn hierdurch schwingt unterschwellig immer der Gedanke mit, dass die beiden Personensuchmaschinen-Betreiber zwei Dinge beabsichtigen: Die Menschen, die auf der Suche nach Vermissten sind, zu Nutzern des Kernangebots zu machen (wenn sie es nicht vorher schon waren). Das bringt Page Impressions, die wiederum für höhere Werbepreise genutzt werden können… – ihr kennt die Story.
Und zum anderen, dass sie die Not der Menschen ausnutzen, eine Art Spiel mit der Angst, der Hoffnung der Betroffenen treiben, die sicherlich jede sich ihnen bietende Möglichkeit nutzen, um ihre geliebten Angehörigen wiederzufinden. Und somit auch diese, bei 123people oder Yasni Nachforschungen anzustellen. Versteht mich bitte nicht falsch – ich habe größtes Mitgefühl mit den Menschen, die im Ungewissen über das Schicksal ihrer Angehörigen leben müssen. Und wenn ihre Recherchen über die Personensuchmaschinen erfolgreich sind, dann freut mich das. Ich finde das Angebot bloß von Seiten der Betreiber grenzwertig.
(Marek Hoffmann)