Ein neues Start Up schickt sich an, die Internet-Welt zu revolutionieren: Gravity. Auf dem Web 2.0 Summit in San Francisco hat das von mehreren ehemaligen MySpace-Mitarbeitern gegründete Unternehmen am gestrigen Dienstag eine erste Kostprobe ihres Könnens präsentiert (dazu gleich mehr). Die zugrundeliegende Kernidee der von ihnen entwickelten Technologie ist die, den im Netz verfügbaren Content nach Relevanz zu strukturieren. Nachdem in einem ersten, sozusagen Netz-evolutionären Schritt Suchmaschinen jeglichen Content ausfindig gemacht haben und dieser in einem zweiten Schritt über Social Networks verteilt wurde, ist es nun an der Zeit für den dritten Schritt: Dem User denjenigen Content zu liefern, der seinen Neigungen und Interessen entspricht und daher individuell auf ihn zugeschnitten ist. Der Ansatz ist durchaus zeitgemäß und überzeugend, wenngleich nicht ganz neu (Stichwort „Pandora“ im Bereich Musik) – die Umsetzung weist aber noch große Defizite auf.
Das zeigt sich an dem ersten Produkt, das auf der Gravity-Technologie basiert und das die Macher auf oben erwähnter Konferenz vorstellten. „Twinterest“ präsentiert einem Users anhand dessen veröffentlichten Tweets eine Liste jener Dinge, die ihn in seinem Leben am stärksten interessieren. Ich habe mal den Test aufs Exempel gemacht…
Nachdem ich der Anwendung über oAuth den Zugriff auf mein Twitter-Account gestattet habe, lieferte sie mir innerhalb kürzester Zeit folgende Ergebnisse:
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Ich habe 628 Interessen in 30 Kategorien, von denen ihr auf dem obigen Screenshot die ersten zwölf sehen könnt. Von den genannten Interessen passen meiner Einschätzung nach gerade mal zwei, nämlich die unter „Popular Culture“. Mit allem anderen habe ich fast nichts am Hut. Sie sind als Schlagworte vielleicht in dem einen oder anderen Tweet oder auf einer der verlinkten Seiten vorgekommen, waren aber sicherlich nie Hauptgegenstand meines Posts. Mit dem Komiker Chevy Chase kann ich zum Beispiel gar nichts (mehr) anfangen. Möglich wäre aber durchaus, dass ich etwas über die volkstümliche Strophe gleichen Namens getwittert habe. Noch wahrscheinlicher dürfte aber sein, dass der Name im Zusammenhang mit Computern und der Firma Real Tech von mir benutzt wurde. Ähnliches dürfte für viele weitere vermeintliche Interessen gelten, die mir Twinterest aufzeigt.
Damit will ich den Dienst keineswegs schlecht machen, er steckt ja auch noch in den Kinderschuhen. Ich möchte nur aufzeigen, an welchen Kinderkrankheiten solche Angebote leiden und warum ich nicht glaube, dass sie in naher Zukunft wirklich zuverlässige Ergebnisse liefern werden. Probiert Twinterest doch mal selbst aus und sagt mir, was ihr davon haltet.
Die Gravity-Verantwortlichen dürften solche Herausforderungen jedenfalls sicherlich kennen und fleißig an ihnen arbeiten. Ihr Ergeiz treibt sie nämlich dazu, irgendwann weitere Angebote mit ihrer Technologie auszustatten und „massentauglich“ zu machen.
Neben dem erwähnten könnt ihr auch noch „Convo.io“ ausprobieren, das ich aus Zeitgründen nur kurz angetestet habe. Dort werden euch auf Basis einer kurzen von euch erstellten Selbstbeschreibung Vorschläge für gerade auf der Plattform stattfindende Diskussionen gemacht, die euch interessieren könnten.
Dann gibt es noch zwei Dienste, die sich bislang in Planung befinden. Zum einen „The Orbit„. Dabei handelt es sich um einen Newsfeed, der nach dem Motto „Wenn die News relevant ist, findet sie den Weg zu mir“ funktioniert. Zielkunden sollen vor allem Web-Publisher sein, die es den Besuchern ihrer Sites dann ermöglichen könnten, sich per Knopfdruck die für sie interessantesten Nachrichten individuell zusammenstellen und anzeigen zu lassen.
Das wohl langfristigste und vermutlich auf finanziell lukrativste Ziel, das die Jungs von Gravity verfolgen, dürfte aber die „G Plattform“ sein. Sie soll es Drittanbietern und Entwicklern ermöglichen, ihren Kunden anhand deren „Interest Graph“ die für sie passenden Services anzubieten. Der Graph ist eine Übersicht über die Interessen des Kunden, die auf den Spuren basiert, die er in Sozialen Netzwerken hinterlässt.
Zum Abschluss möchte ich euch noch ein knapp halbstündiges Video-Interview mit einem der Gründer präsentieren, das einmal mehr vom sehr umtriebigen und fleißigen Robert Scoble stammte:
(Marek Hoffmann)