AOL waren einst die Guten. Sie wurden dann die Nervigen und bald darauf die Überflüssigen. Weil sie noch gute Kontakte zu Privatinvestoren haben, kaufen sie sich jetzt zurück ins Geschäft. Was schade ist, denn die Weichen, die sie stellen wollen, führen eher zurück in die Vergangenheit als in die Zukunft.
Seit AOL im Dezember vergangenen Jahres aus dem achtjährigen, erfolglosen Joint Venture mit Time Warner ausgestiegen ist, scheint sich wieder etwas zu bewegen: mit Übernahmen will AOL wieder an Bedeutung gewinnen, Content soll König werden. Der Kauf des Techblogs Techcrunch für einen Preis zwischen 25 und 40 Millionen US-Dollar war dabei noch eine eher kleine Übernahme. In dieser Woche wurde AOL Interesse an einem wirklich großen Fang der Internetbranche nachgesagt: Yahoo. Die Übernahme der Internetplattform, die zwar jeder kennt aber niemand braucht, würde AOL zusammen mit Privatinvestoren stemmen. Anders wäre das auch gar nicht möglich.
Denn schaut man sich das Gewicht beider Unternehmen an, fragt man sich unweigerlich, ob die Überschrift stimmt, die man da gerade gelesen hat: AOL will Yahoo kaufen, und nicht eher umgekehrt? Nachdem AOL von Time Warner im vergangenen Dezember nach unglücklicher Ehe geschieden wurde, ist der Marktwert des einstigen Internetschwergewichts nach aktuellem Börsenkurs nur noch 2,7 Milliarden US-Dollar wert. Yahoo bringt im Vergleich dazu einen Marktwert von 20,6 Milliarden Dollar auf die Waage. Das war auch schon einmal mehr: Im Jahr 2008, als Microsoft Yahoo übernehmen wollte, lautete das – bald darauf zurückgewiesene – Höchstangebot 45 Milliarden Dollar. Yahoos damaliger Chef Jerry Yang allerdings verzockte sich, ließ Microsoft zu lange warten und brachte sich mit anderen Unternehmen ins Gespräch, bevor der Riese aus Redmond schließlich das Interesse verlor. Yahoo seinerseits dürfte an einer Übernahme von AOL kein Interesse haben. Das einstige America Online ist einfach zu unbedeutend geworden.
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Eine Übernahme nur aus Trotz? Es ginge besser.
AOL hingegen, dem eigentlich nur noch das Geschäft mit Display-Werbung bleibt, könnte schon daran gelegen sein, sich mit Yahoo zusammen zu tun, um es noch einmal so richtig mit Google und Microsoft aufzunehmen. Wenn das denn wirklich das Ziel sein sollte. Denn es klingt nach einem verwegenen Plan: Ausgerechnet die beiden Konzerne, die im heutigen Internetgeschehen praktisch abgemeldet sind, wollen den Großen gefährlich werden. Einem Google, das immer noch den Markt für Online-Suche und Online-Werbung dominiert. Und einem Microsoft, das in dieser Woche durch eine Kooperation mit Facebook Bing zu einer relevanteren Suchmaschine macht als Yahoo es jemals war. Yahoo und AOL, zwei, die es nicht geschafft haben, die auch keine Ideen mehr zu haben scheinen, womit sie Geld verdienen sollen, die erst so langsam erkennen, wie wichtig Social Media geworden ist und dass die Zukunft des Internets im Mobilen liegt, passen natürlich ganz wunderbar zusammen. Auf der Seite der Verlierer. Denn ein Konzept, eine Handschrift oder auch nur ein Lösungsweg aus der schlechten Situation ist da bei einer Übernahme oder Fusion kaum zu erkennen.
Dabei hat AOL durchaus noch Überlebenschancen. Die zumindest namhaftesten Übernahmen der vergangenen Jahre neben dem Desaster um das 2008 für 850 Millionen Dollar ge- und in diesem Sommer für 10 Millionen Dollar wieder verkaufte Social Network Bebo waren die beiden Blogs Engadget (2005) und Techcrunch (2010). AOL-Chef Tim Armstrong hatte nach dem Ausscheiden aus dem Time-Warner-Jointventure das Ziel ausgehoben, eines der größten Blognetzwerke der Welt zu eröffnen. Die Idee, neue lokale Blogs zu erschaffen und bereits bestehende erfolgreiche zu übernehmen, ist dabei nicht dumm. So kauft man sich starke Medien ein, die nicht erst aufgebaut werden müssen, sondern es schon geschafft haben. Die Übernahme von Techcrunch für geschätzte 25 bis 40 Millionen US-Dollar ist da fast ein Schnäppchen. Womit also im Web noch Geld verdienen, wenn Display-Werbung auf dem absteigenden Ast ist, die Claims für Social Networks längst abgesteckt sind und Paid Content im Web wohl nie funktionieren wird? Mit Content, wie Tim Armstrong es immer wieder selbst formuliert? Warum eigentlich nicht!
Medientycoon der Zukunft
Wenn hinter AOL derart potente Geldgeber wie Blackstone und SilverLake stehen, dass sie gar 20 Milliarden für eine Yahoo-Übernahme zusammen bekämen, dann ließe sich das Geld auch besser investieren. Serienportale sind die Zukunft, und sie gehören noch keiner großen Firma. AOL würde also weit besser fahren, anstatt für Yahoo lieber für Hulu oder Netflix zu bieten. Die beiden Serienportale, die zum Teil im Besitz der großen US-Fernsehsender sind, wären noch (!) für einen Bruchteil dessen zu haben, was eine Yahoo-Übernahme kosten würde. Das ganze garniert mit einem Netzwerk aus erfolgreichen Blogs, Audiostreams und einem Bilderdienst, und fertig ist der erfolgreiche Medienkonzern des 21. Jahrhunderts.
Und würde sich AOL bei den möglichen Zukäufen dabei so dezent verhalten wie beim Techblog Engadget, dann könnte sogar die Sympathie zurückkehren. Bei Engadget fällt erst auf dem zweiten Blick auf, dass AOL überhaupt dahinter steckt. Die Redakteure haben praktisch freie Hand. Bei Techcrunch hat AOL ein ebensolches Auftreten angekündigt. AOL wäre also nur noch der Verwalter im Hintergrund, der entscheidet und besitzt und die eigentliche Arbeit anderen überlässt, praktisch ein Bertelsmann 2.0. Keine ganz üble Vorstellung.
An einem Yahoo kann sich AOL nur verheben und die Erfolgschancen wären – gelinde gesagt – begrenzt. Die Zukunft liegt nicht im Gestrigen. Wenn die Chefetage von AOL clever ist, stellt sie jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft. Dann würde sie dem Unternehmen zum ersten Mal seit den frühen 90er Jahren seine Coolness zurückgeben – und seine Bedeutsamkeit.