Der deutsche Social Bookmarker Mister Wong hatte einen Relaunch angekündigt – und dieser ist nun seit dem heutigen Tage vollzogen. Das Ergebnis gleicht dabei einer Metamorphose, sowohl was das neue Design der Seite als auch die Ausrichtung der Plattform betrifft. Während mich das Erstgenannte aber noch durchaus zu überzeugen vermag, ist Letzteres ein in meinen Augen zum Scheitern verurteilter Versuch, sich gegen das Unausweichliche zu stemmen: den Tod der Social Bookmark-Dienste. Das Gemeine dabei ist, dass die Verantwortlichen im Grunde alles richtig machen.
Fangen wir mal ganz hinten an. Dienste wie Delicious, Digg, Yigg oder eben Mister Wong hatten ursprünglich den Zweck, ausgesuchte Bookmarks auch von unterwegs zugänglich zu machen und gleichzeitig den Zugriff auf die Link-Sammlung anderer User zu gewähren. Diese konnten dann – getreu dem „Social“ im Namen – kommentiert, bewertet, geteilt und was weiß ich noch alles werden. Mit dem Aufkommen von Twitter und Facebook wurden sie aber zunehmend überflüssig. Während nun die einen einfach den Kopf in den Sand stecken und so tun, als sei die Bookmarking-Welt weiterhin okay, krempeln andere ihre Plattformen um. Populärstes Beispiel dürfte hierbei Digg sein, wo allerdings der Relaunch einen gegenteiligen Effekt hervorrief und zur Massenflucht der User führte. Das wird in dem Ausmaß bei Mister Wong wohl nicht der Fall sein, ein Revival wird die Plattform aber auch nicht erleben. Und zwar aus folgenden Gründen.
1. Den Hauptgrund sehe ich in dem selbst verkündeten „Paradigmenwechsel“, weg vom klassischen Bookmarking hin zu „Social Information“ beziehungsweise der „Freien Bibliothek digitaler Dokumente“ beziehungsweise der „Freiheit für Dokumente“ (wohlgemerkt: nichts Links) beziehungsweise der „Vergesellschaftung von Wissen und Informationen“. Was so bedeutend klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als recht banal:
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Privatpersonen, Organisationen und Unternehmen können von nun an ihre Dokumente und Texte von ihren Festplatten befreien und mit der Öffentlichkeit teilen. Ab jetzt findet alles, was auf Rechnern schlummert, seinen Platz und seine Leser; ob Uni-Arbeiten, Referate, Schul-Aufsätze, Präsentationen, Broschüren, Studien, Rezepte, Bürgerinitiativen oder Kurzgeschichten. Die Dokumente können online auf Mister Wong betrachtet werden. Es ist keine weitere Software notwendig, alle Dateiformate werden automatisch zur Ansicht umgewandelt. Auch eine Einbindung auf anderen Seiten ist mit der Technologie möglich.
Es fällt mir schwer zu glauben, dass Mister Wong mit diesem Konzept wirklich seinen Abwärtstrend wird stoppen können. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass sich die Verantwortlichen quasi von ihrem ursprünglichen Kerngeschäft verabschieden, obwohl behauptet wird, „das Entdecken und Teilen von […] von nützlichen Bookmarks“ stünde weiterhin im Vordergrund. Manchmal ist das nötig und für sich genommen noch kein Fehler. Insofern ist ihre Risikobereitschaft zu loben.
Ein Fehler ist es meines Erachtens aber sehr wohl, die Zukunft eines Unternehmens von der Annahme (oder Hoffnung?) abhängig zu machen, dass die Möglichkeit jemanden interessieren könnte, bisher irgendwo vor sich hin dümpelnde Werke veröffentlichen beziehungsweise lesen zu können. Es wird schon seinen Grund haben, warum die Kurzgeschichten, Referate und Ähnliches bisher nicht öffentlich zur Schau gestellt wurden. Im Idealfall, weil sich der der Produzent selbst über ihren Wert im Klaren ist (sie möglicherweise nur einen Ideellen für ihn besitzen).
Ich überinterpretiere an dieser Stelle vielleicht, aber dieses Konzept erinnert mich stark an das von DSDS: Biete jedem eine Plattform, sich darzustellen, selbst den Untalentiertesten. Denn auch die können unter Umständen und auf die eine oder andere Art Unterhaltungswert haben. Heißt übertragen: Kramt alle euer Zeug hervor und veröffentlicht es auf Mister Wong. Vielleicht steckt in euch ja Talent oder etwas anderes, das die Besucher der Plattform interessieren könnte. Auf dem Mister Wong -Blog ist zu lesen: „Selbst wenn du denkst, deine Dokumente interessieren keinen, denk dran: Irgendwem hilft’s immer!“ Und umgekehrt: Besucht Mister Wong, den Flohmarkt für kreative Arbeiten. Hier wird sicherlich jeder fündig. Zugegeben, eine durchaus smarte Idee, die aber meines Erachtens nicht funktionieren wird. Womit ich zum zweiten Punkt komme.
2. Wenn es wirklich so sein sollte, dass da draußen Leute sitzen und ihre Werke veröffentlicht sehen möchten – warum haben sie das dann noch nicht getan? Es gibt doch mittlerweile einen ganzen Haufen Möglichkeiten, das zu tun. Angefangen beim eigenen Blog, über Facebook bis hin zu Diensten wie Scribd. Zugegeben, Letztgenanntes ist englischsprachig, für in Deutsch verfasste Werke daher vielleicht ungeeignet. Wer aber bei Google nach „Texte online veröffentlichen“ sucht, findet eine ganze Reihe Alternativen. Darunter auch Seiten wie Hausarbeiten.de oder von mir aus auch ciao.de, wo man mit seinen Texten sogar Geld verdienen kann (was bei Mister Wong wohl auch irgendwie gehen soll – und zwar mittels Flattr).
3. Die Hardcore-Mitglieder, von denen es angeblich noch 400.000 geben soll, könnten ob der Welle an „Eigengewächsen“ schnell die Lust verlieren, die Plattform weiterhin zu nutzen. Auch die Angleichung an Twitter (siehe Screenshot) – die Benutzung erfolgt über eine „Pinnwand, auf welcher die eigenen Dokumente und Bookmarks zu sehen sind, aber insbesondere auch alle Beiträge, die man bei Mister Wong von Freunden oder Organisationen abonniert hat“ – könnte für manchen zu viel des Guten sein. Es ist fast ein Gesetz, dass alteingesessene User ungern ihr Gewohnheiten ändern. Und wenn sie dazu gezwungen werden, können sie auch schon mal fix von dannen ziehen. Oben angesprochener Konkurrent Digg ist ein Paradebeispiel dafür. Und ob die Zahl der neuen User, die Mister Wong für sich gewinnen kann, jene der Abwanderer übersteigt, wage ich zu bezweifeln.
Tatsächlich wünsche ich es mir aber. Denn es wäre schade, ein weiteres deutsches Start Up / Web-Unternehmen verschwinden zu sehen. Besucht die Seite einfach mal und bildet euch euer eigenes Urteil. Vielleicht seht ihr es ja anders als ich.
(Marek Hoffmann)