Wie schafft es ein Kultregisseur wie David Fincher eine eigentlich langweilige Nerd-Story zu verfilmen? Für den Facebook-Film „The Social Network“, der am Donnerstag in Deutschland in die Kinos kommt, durfte er sich einer Romanvorlage bedienen. Dass diese überspitzt ist, fällt in dem Film leider auf. Unterhaltsam ist der Streifen dennoch, schon alleine dank seiner Karikatur der US-Eliteuniversität Harvard.
„The Social Network“ ist ein Film über Freundschaft. Gleich zu Beginn schickt Fincher den Zuschauer durch eine minutenlange Unterhaltung zwischen dem nerdigen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (gespielt von Jesse Eisenberg) und Erica Albright (Rooney Mara), dem Mädchen, das danach die längste Zeit seine Freundin gewesen sein wird. Dem nerdigen Zuckerberg, der es da noch für wichtig hält, in die elitären Netzwerke der Harvard-Universität aufgenommen zu werden, bleibt danach eigentlich nur noch ein echter Freund: Eduardo Saverin (gespielt von Andrew Garfield), der ihm den entscheidenden Algorithmus für eine Seite namens FaceMash liefert.
In einer der stärksten Szenen des Films sieht man Zuckerberg anschließend FaceMash programmieren und sich per Blogeintrag an seiner Ex-Freundin rächen, während gleichzeitig in einer Studentenverbindung elitäre Harvard-Studenten mit extra per Bus angereisten Studentinnen eine orgienartige Party feiern. Es sind zwei Netzwerke, die sich duellieren: der exklusive Studentenklub hier, das bürgerliche Portal da. Der Filmtitel „The Social Network“ ist also durchaus doppeldeutig zu verstehen.
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Immer eine halbe Bootslänge voraus
Zuckerberg, dessen Bestreben es anfangs ist, dieser elitären Klasse beizutreten, tritt sie schon bald mit Füßen. Zwei der Harvard-Advokaten, die Winklevoss-Zwillinge Cameron und Tyler (beide Armie Hammer), treten mit dem Wunsch an ihn heran, das Netzwerk ihres Studentenclubs zu verbessern. Weiter als bis in den Fahrradraum ihrer Verbindung lassen die Ruder-Olympioniken den nerdigen Außenseiter aber nicht. Zuckerberg stimmt zu, hat dann aber eigentlich schon entschieden, dass ihm die exklusive Klasse zuwider ist. Während er die Software innerhalb weniger Wochen programmiert, hält er die Zwillinge mit Ausreden hin und startet TheFacebook.com schließlich ohne sie.
Die Website wird über Nacht zum Erfolg. Die Zwillinge sehen sich einem Ehrencodex unterworfen und schrecken deswegen anfangs davor zurück, Zuckerberg vor Gericht zu zerren. Erst ein Besuch beim Universitätspräsidenten, der sich über ihre Vorwürfe lustig macht, bringt sie zur Einsicht, Zuckerberg „zu schlachten“. Da ist der Nerd aber längst im Silicon Valley angekommen und den Verführungen des Dotcom-Veteranen und Napster-Mitgründers Sean Parker (Justin Timberlake) unterlegen, der ihm den ersten Großinvestor verschafft. Nicht erst von da an sind es die Winklevoss-Zwillinge, die stellvertretend für die Harvard-Elite geschlachtet werden. Zucks einziger Freund und Facebook-Mitgründer Eduardo Saverin versucht sich derweil in New York erfolglos im Klinkenputzen, um Werbekunden zu finden, und wird schließlich von Parker und Zuckerberg um seine Anteile betrogen.
Kein sexbesessener Halbautist
Die Botschaft ist klar: Die einen bleiben in ihrem Netzwerk-Denken stecken und liegen letztendlich immer eine halbe Bootslänge zurück, die anderen durchbrechen die Tradition und bringen den Netzwerkgedanken in die heutige Zeit. Fincher ist hier ein besonderer Film gelungen, dem man seine 120 Minuten nicht anmerkt und der seine ganze Wirkung erst Stunden nach dem Kinobesuch entfaltet. Für den Regisseur, der Kultfilme wie „Sieben“ und „Fight Club“ erschaffen hat, bleibt der Film aber dennoch ein wenig blass, was der Geschichte geschuldet ist. Man merkt dem Drehbuch an, dass der Realität noch ein paar Schaufeln obendrauf gesetzt wurden, um die Story spannender zu machen, was leider nicht immer gelingt. Es ist nun einmal nur mäßig unterhaltsam, wenn die Geschichte im Grunde darin besteht, dass ein verschrobener Computerfreak eine hübsche Software programmiert und ein paar Leute dabei über den Tisch zieht.
Anders als es in Unkenrufen zuvor zu hören war, kommt Zuckerberg in dieser Filmvorlage des Romans „The Accidental Billionaires“ aber nicht als sexbesessener, gewissenloser Halbautist weg. Das Porträt seiner Figur erinnert eher an den jungen Bill Gates im Film „Pirates of Silicon Valley“: sozial inkompatibel, aber durchaus clever und bereit, für seine Idee sehr, sehr weit zu gehen. Im Vergleich zu den teils vergnügungssüchtigen, teils erzkonservativen übrigen Figuren der Geschichte kommt das nicht einmal unsympathisch rüber.
Und so zeigt zumindest die Filmfigur des Zuckerberg am Ende Reue, als sein einziger Freund ihn vor Gericht zerren will, während im Firmengebäude die Vorbereitungen für die große Party wegen des millionsten Facebook-Nutzers laufen. Zuckerbergs Verteidigerin, die einzige, die während der Auseinandersetzung mit der Gegenseite ein wenig Zugang zu dem Nerd bekommt, findet am Schluss des Films schließlich die ersten warmen Worte für ihn: „Sie sind kein Arschloch, Mark. Sie geben sich nur die größte Mühe, eins zu sein.“
(Jürgen Vielmeier, Fotos: Columbia Pictures)