Der Name „TwtRoulette“ erinnert sicherlich nicht zufällig an den schon fast wieder vergessenen Kurzzeit-Internethit Chatroulette, inhaltlich haben beide Angebote aber so gut wie nichts gemeinsam. Der Twitter-Zusatzdienst bietet nämlich keinen Onlinechat mit Unbekannten, sondern ermöglicht jedem Interessierten, die aktuellen Timelines anderer User anzusehen. Wer also schon immer wissen wollte, wie der Kurznachrichten-Bildschirm des „Scobelizers“ Robert Scobel aussieht, kann sich genau das bei TwtRoulette ansehen.
Auf der Startseite zeigt die Plattform Name und Profilfoto von zwölf Top-Twitterern an, darunter neben Scobel auch Michael Arrington von TechCrunch. Nach einem Klick auf das gewünschte Konto erscheinen die Tweets, die das ausgewählte Mitglied aktuell selber zu sehen bekommt. Der einzige Unterschied liegt im Design: statt im gewohnten Himmelblau präsentiert sich der Zusatzdienst vorwiegend in Weiß und Grau. Wer das Glück hat, schon „New Twitter“ nutzen zu können, für den ist die Gestaltung von TwtRoulette natürlich zusätzlich noch ein Trip in die Vergangenheit.
Mehr als die vorausgewählten Zwölf finden sich hinter dem Menüpunkt „Full directory“. Aber auch diese längere Liste enthält nicht alle Anwender, die ihren Account der neugierigen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben. Wer darüber hinaus weitere User finden will, muss die Suchfunktion im Kopf der Seite bemühen (siehe Bild oben). Natürlich gibt es eine Zufallsfunktion, über die das System willkürlich zu der Nachrichtenübersicht eines beliebigen Mitglieds weiterleitet. Die kann dann auch einmal ausschließlich aus asiatischen Schriftzeichen bestehen (siehe Bild unten). Auch wenn der praktische Nutzen dieses Features eher gering sein mag, rechtfertigt sie immerhin den Namen TwtRoulette für das Angebot.
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Über die Plattform kann allerdings nicht auf die Timeline jedes beliebigen Twitterers zugegriffen werden. Der Blick auf den fremden Bildschirm ist nur bei den Anwendern möglich, die sich selbst zuvor für das Angebot angemeldet haben und dem System Zugriff auf das eigene Nachrichtenkonto gewährt haben. Jeder, der sich daran beteiligen möchte, kann sich schnell registrieren und findet sich dann sofort in der Datenbank der Plattform wieder. Wer allerdings nur die Mitteilungsübersicht der registrierten User sehen möchte, kann das auch ohne Anmeldung tun.
Und das war es im Grunde auch schon. Viel mehr kann der Besucher mit dem Angebot nicht anstellen. Fragt sich also, welchen Nutzen der Dienst haben kann, nachdem man seine voyeuristischen fünf Minuten in der Timeline fremder Menschen verbracht hat. Shervin Pishevar, der die Webseite zusammen mit dem fünfzehnjährigen Programmierer Stepen Ou erstellt hat, empfand die Möglichkeit, den Twitter-Bildschirm eines seiner Freunde zu sehen, als einen faszinierenden Blick in die Welt eines anderen Menschen. Das halte ich allerdings für etwas hochgegriffen. Allerdings ermöglicht es die Plattform schon, die komplett ungefilterte Nachrichtenansicht von einigen Top-Mitgliedern zu sehen, denen ich selbst folge. Dadurch kann ich eventuell neue für mich relevante Newsquellen entdecken. Andererseits fällt jetzt natürlich die Filterung durch den Kontoinhaber weg und ich muss in seiner Übersicht selbst herausfinden, welche Nachricht interessant ist und welche nicht.
Das Tool gewährt einen interessanten Blick auf die Timeline derer, die bereit sind, sich über die Schulter schauen zu lassen. Faszination und Nutzwert halten insgesamt aber nicht allzu lange an. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, dass Twitter selbst die Funktion „With Friends“, die TwtRoulette hier im Wesentlichen nachbildet, schon 2008 wieder eingestellt hat. Andererseits ist die Anwendung von den beiden Gründern innerhalb einer Woche entwickelt worden. Und dafür kann man eigentlich nicht meckern.
(Nils Baer)