Ein Pariser Gericht hat gegen Google ein Urteil wegen Verleumdung verhängt, weil die Suchmaschine den Namen des Klägers automatisch um die Vorschläge „Vergewaltiger“ und „Satanist“ ergänzte. Der betroffene Mann war wegen sexuellen Kindesmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Zur fraglichen Zeit war die Entscheidung aber noch nicht rechtskräftig. Deswegen wertete die Kammer die Anregungen der Software als üble Nachrede und verpflichtete das Unternehmen zu einem symbolischen Schadenersatz von einem Euro und zur Übernahme der entstandenen Kosten. Außerdem wurde der Webgigant angewiesen, die Anzeige der beanstandeten Kombinationen zu unterbinden. Für jeden Tag Verzögerung veranschlagte die Kammer ein Bußgeld von 500 Euro.
Die Suchfirma verteidigte sich mit dem Einwand, die automatischen Vorschläge seien keine eigene Stellungnahme. Sie gäben vielmehr nur die Worte wieder, die auf den durchsuchten Webseiten im Zusammenhang mit dem fraglichen Namen am häufigsten zu finden seien. Das Gericht ließ diese Argumentation aber nicht gelten, weil das Unternehmen durchaus in der Lage sei, die Anzeige bestimmter Ergebnisse manuell zu verhindern.
Diese Behauptung ist offensichtlich richtig, wie die Versuche beweisen, bei Google Instant die zufällige Anzeige anstößiger Resultate zu verhindern. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der Kammer sind aber falsch. Denn die Suchmaschine verknüpft die einzelnen Begriffe automatisch miteinander. Nur dieses Vorgehen ermöglicht dem System, uns im unvorstellbar großen Dschungel der weltweiten Webseiten eine Orientierung zu bieten. Auch ein tausendköpfiges menschliches Redaktionsteam wäre von dieser Aufgabe völlig überfordert. Ein manueller Eingriff ist deswegen erst dann möglich, wenn sich gezeigt hat, dass bestimmte Verbindungen zwar den Regeln der Logik entsprechen, aber nicht denen der Gesellschaft.
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Es widerspricht dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn jemand als Vergewaltiger bezeichnet wird, bevor er rechtskräftig verurteilt ist. Auch dann, wenn sich später herausstellt, dass der Vorwurf berechtigt war. Deshalb ist es sinnvoll, dass Angeklagte das Recht haben, gegen eine solche Vorverurteilung anzugehen. Hier ist die Sachlage meines Erachtens nach aber anders. Die Suchmaschine gibt in diesem Fall keine eigene Wertung ab, wie es vielleicht der Reporter einer Zeitung machen würde. Sondern das System zeigt nur die Schlüsselwörter an, die in seinem Index am häufigsten mit den gesuchten Begriffen verbunden sind.
Durch die weltweite Dominanz des Angebots ist es aber durchaus nachvollziehbar, dass eine selbständige Ergänzung der Wörter „Satanist“ und „Vergewaltiger“ nach der Eingabe des Namens eine ehrverletzende Wirkung haben. Insbesondere, da viele Nutzer das Gefühl haben, Google sei irgendwie allwissend und irre sich nie. Diese Ergebnisse kommen aber eben nicht durch die Entscheidung eines Redakteurs zustande, sondern aufgrund von Wortverknüpfungen in einer Datenbank. Deswegen kann das Unternehmen erst dann verantwortlich gemacht werden, wenn es über die problematische Kombination informiert wurde. Auch wenn es nur um einen symbolischen Euro geht.
(Nils Baer)