Im August dieses Jahres hat Twitter nach Zählung von Comcast die Marke von 3 Millionen Besuchern in Deutschland erreicht. Im Vergleich zum entsprechenden Monat des Vorjahres ist das eine Steigerung um 76 Prozent. Dieser Zahl stehen allerdings nur rund 275.000 aktive deutschsprachige Anwender gegenüber, die eigene Mitteilungen an ihre Follower versenden. Sogar wenn wir diese Zahlen, die ja auch die Mitglieder aus der Schweiz und aus Österreich beinhalten, der Gesamtzahl der deutschen Aufrufe gegenüberstellen, sind über 90 Prozent rein passive Leser. Nach Berechnungen von Google, die der Netzökonom Holger Schmidt zitiert, kommt die Plattform pro Tag auf 600.000 Zugriffe. Facebook hingegen kommt bei zwölf Millionen registrierten Nutzern auf acht Millionen tägliche Besuche.
An diesen Zahlen zeigt sich ziemlich klar, dass Twitter im Gegensatz zu Facebook nicht als soziales Netzwerk wahrgenommen wird, bei dem man Mitteilungen mit Freunden und Bekannten austauscht. Sondern als News-Medium, bei dem Inhalte eher konsumiert als produziert werden. Das ist an sich natürlich kein Problem, sondern wahrscheinlich sogar eher ein Vorteil, weil der 140-Zeichen-Dienst damit nicht direkt mit dem übermächtigen Unternehmen von Mark Zuckerberg konkurriert. Aber einem rasanten Wachstum in der neuen Rolle als sozialer Newskanal steht das eher puristische Bedienkonzept des Angebots im Wege.
Dabei ist es noch nicht einmal so, dass dem Netzwerk die interessanten Nachrichten fehlen würden. Im Gegenteil: Twitter kann eine große Anzahl prominenter News-Produzenten aus den unterschiedlichsten Themengebieten vorweisen. Aber der Durchschnittsuser hat Mühe, aus dem wenig übersichtlichen Geflecht die für ihn interessanten Anbieter herauszufischen. Schmidt hat deswegen einen Vorschlag für die Kurzmitteilungsfirma oder ein Geschäftsmodell für einen Drittanbieter parat: Mit entsprechenden Filtern könnte die Plattform aufgrund der persönlichen Interessen seiner Mitglieder automatisch die für ihn relevanten Nachrichten anzeigen. Dann wüsste auch Otto Normalanwender mit dem Dienst auf Anhieb etwas anzufangen und die Nutzerbasis würde womöglich deutlich ansteigen.
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Die neue Weboberfläche von Twitter, die nun Schritt für Schritt eingeführt werden soll, ist schon ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Denn statt spartanisch sieht sie schick aus und integriert automatisch die wichtigsten Medieninhalte. Das erspart dem User, sich durch verschiedene Seiten zu klicken. Und die „Who to follow“-Funktion sowie die Anzeige der Top-Tweets auf der Startseite zeigen, dass die Idee des Netzökonomen durchaus nicht abwegig ist. Ich jedenfalls würde mich für den imaginären Zukunfts-Dienst von Holger Schmidt sofort anmelden.
(Nils Baer)