Wenn ich mir vor Augen halte, wie vielen Menschen die „BILD“ in ihrer Print- und Online-Version schon ohne Rücksicht auf Verluste auf die Füße getreten ist, dann kann ich mir ein schelmisches, etwas schadenfrohes Lächeln nicht verkneifen. Ich gebe es zu. Da der Anlass aber keineswegs lustig ist, wische ich es mir schnell aus dem Gesicht und möchte die Sachlage völlig objektiv und unvoreingenommen wiedergeben.
Wie auf einer BILD.de-Seite heute zu lesen ist, beschwert sich die Redaktion der Zeitung darüber, dass sie von dem deutschen Landesminister Rainer Speer beziehungsweise dessen Anwälten und wiederum in Folge dessen vom Landgericht Berlin mundtot gemacht werden soll. Die Richter aus der Hauptstadt haben den Journalisten per Einstweiliger Verfügung (Aktenzeichen 27 O 729/10 und 27 O 742/10) untersagt, in jeglicher Form weiterhin über Speer im verhandelten Kontext zu berichten, obwohl jene behaupten, Dokumente vorliegen zu haben, „die ein strafbares Verhalten des Politikers nahelegen“. Ein klarer Fall von Zensur! „Ein beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit!“ So tönt es zumindest aus dem „BILD“-Lager.
Die Redaktion argumentiert:
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BILD überprüfte die Unterlagen und kam zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf schlüssig ist. BILD konfrontierte – wie es der journalistischen Sorgfalt entspricht – den Minister mit den wesentlichen Inhalten der Dokumente. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme – doch er wollte sich zu dem Vorwurf nicht äußern. Er behauptete, das sei Privatsache und ginge die Öffentlichkeit nichts an.
Nun behaupten die Richter aber, das von ihnen vorgelegte Beweismaterial sei „zu dünn“, zudem „von zweifelhafter Herkunft“ und daher „seine Echtheit fraglich“. So ist es bei den Kollegen von Kress zu lesen. Die Juristen argumentierten daher in ihrem quasi „Im Zweifel für den Angeklagten“-Urteil, dass in solch einem Fall das öffentliche Informationsinteresse hinter dem Schutz der Privatsphäre anstehen müsste.
Bei dem Streit geht es darum, ob der Axel-Springer-Verlag weiterhin recherchieren und darüber berichten darf, ob die ehemalige Partnerin des SPD-Politikers und Innenministers des Landes Brandenburg zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und ob Speer von dem Betrug wusste oder gar selbst daran beteiligt war.
Weil es hier um eine mögliche Einschränkung der Pressefreiheit geht, erhält die BILD bei ihrem Protest ungewöhnlich viel Unterstützung, und zwar von allerhöchsten Stellen. Neben zahlreichen Chefredakteuren beklagen auch Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands und Thomas Leif, Vorsitzender der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“ das Urteil aus Berlin aufs Schärfste (Zitate findet ihr auf der oben verlinkten BILD.de-Seite).
Nun kenne ich einerseits nicht die gesamte Sachlage und bin andererseits kein Jurist. Und Letzterer müsste ich wohl sein, um im vorliegenden Fall eine qualifizierte Aussage darüber treffen zu können, wo die Pressefreiheit endet und der Schutz der Privatsphäre beginnt. Dass die Grenze oft nicht klar gezogen ist und in vielen Fällen nicht von Journalisten, sondern von Rechtsanwälten und Richtern entschieden wird, dafür gibt es ja zahlreiche Belege. Sollte es nun aber tatsächlich so sein, dass die Richter in Fall Speer Unrecht haben ergehen lassen – und es spricht in meinen Augen einiges dafür -, dann hoffe ich, dass die BILD-Redaktion nichts unversucht lässt, um das auch zu beweisen.
(Marek Hoffmann / Screenshot)