Erwarten Hard- und Softwarehersteller eigentlich, dass wir bald nur noch gemütlich auf der Couch liegen und Medien konsumieren statt zu arbeiten? Zumindest einiges deutet darauf hin. Nur was wird dann aus dem Desktop-Rechner und ganz allgemein dem Arbeitsplatz?
Neues Twitter, neues Xing: Die wichtigsten News dieser Woche fanden im Browser statt. Das neue Twitter ist das bessere Facebook, zeigt Videos, Websites und Bilder gleich in der Seitenspalte an. Der Grund für den Neuaufbau laut Twitter: weil die meisten Anwender Twitter ohnehin im Browser nutzen und nicht in einem der zahlreichen Clients. Interessante Randnotiz: Das neue Twitter wurde dem Design des Twitter für iPad nachempfunden. Twitter ist dort ebenso wie auf dem iPhone mit einer wirklich netten Version präsent. Letztere geht aus dem runderneuerten Tweetie for iPhone hervor. Nicht erwähnt wurde bei dieser Gelegenheit, dass der Tweetie-Desktop-Client für den Mac seit Monaten nicht mehr aktualisiert wurde und wohl auch nicht mehr weiterentwickelt wird.
Tweetie für iPhone wurde einst von Atebis entwickelt und erschien zuletzt in einer Version 2.0, bevor Twitter den Dienst übernahm und nun unter dem schlichten, eigenen Namen „Twitter“ auf dem iPhone brandet. Aktuellste Version für Tweetie for Mac ist 1.2.8 und das schon seit Monaten. Tweetie-Erfinder Loren Brichter ist Twitters Entwickler-Team beigetreten; ein längst überfälliges Update der Desktop-Version wurde angekündigt, ist aber noch nicht erschienen. Na gut, möchte man hier jetzt einwerfen. Desktop-Clients haben eben für Twitter keine Priorität. Hat das schon allgemeingültigen Charakter?
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Ein „leichtes“ Betriebssystem für die meisten Anwendungen
Durchaus, denn Twitter steht damit nicht alleine da. Keine Desktop-Apps mehr, aber wohl welche fürs Smartphone und das Tablet – das scheint der aktuelle Trend zu sein. Denn die Anbieter von Social-Media-Software von Twitter über Facebook bis Xing beeilen sich, zusätzlich zu ihren eigentlich nur webbasierten Clients auch Apps für iPhone und iPad zu entwickeln. Wer bei der Arbeit am Schreibtisch sitzt, soll sich also mit einem Browserfenster herumschlagen, während der iPad-Nutzer auf der Kloschüssel hockend eine schmucke App bekommt? Ist das die Zukunft?
Orakelt wird das ja schon seit Jahren und zum Teil muss ich dem zustimmen. OpenOffice benutze ich nur noch, weil ein Kunde das so wünscht. Texte schreibe ich sonst direkt im WordPress oder bearbeite sie mit GoogleDocs. Aus ICQ und Skype wurden bei mir in letzter Zeit immer öfter Facebook- und Google-Chat, aus Thunderbird wurde Google Mail, aus der DVB-T-Software die Online-Mediathek. Die Idee ist, dass wir irgendwann ganz auf Desktop-Apps verzichten und nur noch im Browser arbeiten. Dann würde uns auch ein leichtes Cloud-Betriebssystem wie Google Chrome OS oder Jolicloud reichen.
Vergessen, dass wir nach wie vor mit PC und Mac arbeiten müssen?
Das legt den Verdacht nahe, dass der Desktop-Rechner ausgedient hat. Bei den Hardwareherstellern schon seit Jahren, jetzt also auch bei den Softwareanbietern. Mit Desktops und Laptops können beide Gruppen kein Geld mehr verdienen. Der ruinöse Preiskampf zwischen HP, Lenovo, Acer und Co. hat die Margen der PC-Hersteller praktisch aufgefressen. Geräte gibt es natürlich noch zu kaufen, aber sie genießen in der Entwicklung keine Priorität mehr, weil sich damit kaum noch etwas verdienen lässt. Und nachdem mit den niedrigpreisigen Netbooks trotz ordentlicher Verkäufe ebenfalls kein satter Gewinn eingefahren wurde, sind nun Tablets die neue Hoffnung. Kaum ein Hardwarehersteller, der nicht auf den Touchscreen-Zug aufspringt und einen Sofa-Rechner angekündigt hat.
Gleiches Bild bei den Software-Anbietern. Die Kunden sind es gewohnt, dass eine Software für Windows und Mac möglichst kostenlos ist. Das iPad ist jedoch Neuland. Fängt man hier von Anfang an an Geld für Software zu verlangen, so die Hoffnung der Anbieter, halten die Kunden das womöglich für selbstverständlich und sind bereit, etwas für Software zu bezahlen.
Nur eins scheinen die Anbieter nicht bedacht zu haben: Arbeiten wird die große Masse der Bevölkerung nicht mit einem Tablet, sondern mit Tastatur, Maus und 24-Zoll-Bildschirm am Schreibtisch. Und dafür braucht es nach wie vor leistungsstarke Rechner, moderne Betriebssysteme – und gute Anwendungen, von denen viele besser ohne Browser funktionieren als mit. Das bedeutet nicht, dass es nicht Spaß machen würde, hin und wieder einmal etwas unterwegs am Netbook oder zuhause mit dem Tablet zu erledigen. Aber lange Texte schreiben, Tabellenkalkulationen auwerten, Bestellungen annehmen, den Jahresabschluss machen. Wäre sowas auf dem iPad sinnvoll? Doch eher nicht. Die Anbieter sollten PCs noch nicht zum alten Eisen legen.
(Jürgen Vielmeier)