Neben dem Karriere-Netzwerk Xing, dem Suchgiganten Google und dem Social Network-Verbund der VZ-Netzwerke habe ich mir auf der Marketing-Messe „dmexco“ auch deren großen US-amerikanischen Konkurrenten Facebook angeschaut. Joanna Shields, Vize-Präsidentin für EMEA, war angereist, um einen Vortrag über „Beziehungsmarketing im digitalen Zeitalter“ zu halten – beziehungsweise darüber zu referieren, was man bei dem Network-Riesen darunter versteht. Im Mittelpunkt stand daher dessen – ihrem Bekunden nach – stärkstes Marketing-Tool: der Social Graph. Kurz zum Begriff: Mark Zuckerberg hatte ihn im Jahre 2007 auf der f8-Konferenz genutzt, um die Besonderheit von Facebook zu beschreiben. Er bezeichnet im Kern das Beziehungsgeflecht eines Users zu seinen Freunden, Bekannten und Verwandten in der On- und Offline-Welt und liefert für Werbetreibende wichtige Informationen für ihre Kampagnen.
Nun aber zu dem Vortrag, der vermutlich als Musterbeispiel für alle Marketing-Schüler genutzt werden könnte. Shields begann mit der These, dass es in der vergangenen Dekade um „Suche“ ging, die maßgeblich von Google geprägt wurde. Die kommenden Jahre werden aber unter dem Motto „Sozial“ stehen und hauptsächlich von Facebook beeinflusst werden. Schon jetzt würden die über 500 Millionen User im Monat mehr als 700 Milliarden Stunden auf der Plattform damit zubringen, alles was ihnen wichtig ist – Musik, Fotos, Videos, insgesamt fast 30 Milliarden verschiedene Medien – untereinander auszutauschen. Zuckerbergs Plattform verändert die Art und Weise, wie wir heute miteinander in Kommunikation treten und künftig treten werden. Und daraus ergeben sich viele Möglichkeiten für Werbetreibende, die darauf warten, genutzt zu werden, so Shields. „Und das ist eine der wichtigsten Innovationen seit der Erfindung des Fernsehens.“ Wie ich bereits an anderer Stelle angemerkt habe, wurde dem Publikum auf der „dmexco“ Marketing vom Feinsten geboten. Und es ging noch weiter.
Laut Shields werden die digitalen Fragen nicht mehr über die Parameter „Technologie“, „Skalierung“, „Software“ oder „Algorithmen“ beantwortet, da sie in Anbetracht dessen, wie die Technologie heutzutage das menschliche Verhalten verändert, immer unwichtiger werden. Die User, die sich bei Facebook registrieren, stellen dort ihre eigene, wirkliche Identität dar – keine Avatare, Nicknames oder Ähnliches, das ihr wahres Ich verdeckt. Das macht Facebook für Shields in dieser Hinsicht so einzigartig und dadurch zu einem „authentischen Ort, wo Menschen ihre Phantasien, Ideen und Hoffnungen miteinander teilen“. Im wahren Leben sehen wir Dinge oft nicht klar, bis jemand der uns nahe steht, teilnimmt an dem, was uns wichtig ist, so Shields – und unterstreicht das in typisch amerikanischer Manier mit einem Beispiel aus der eigenen Familie. Es folgt eine Lobrede darauf, wie sinnvoll und mit wie viel Spaß ihr 74- jähriger Vater mit seinen Freunden die Plattform nutzt… Moral von der Geschichte: Facebook ist nicht nur für jüngere, sondern auch für ältere Semester das passende Soziale Netzwerk. Und damit natürlich auf für die Werbetreibenden, die damit weit streuen können.
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Es folgen Ausführungen zur Verweildauer der User auf Facebook („Ältere Nutzer sind die aktivste Nutzergruppe, die es je gegeben hat“), der Bedeutung von Smartphones für unser Leben („Sie sind wie Verlängerungen von unseren eigenen Persönlichkeiten“) und der Feststellung, dass wir ohne sie nicht mehr nur einen Telefonanruf verpassen: „Wir sind nicht mir unseren Freunden verbunden, wissen nicht, was abgeht.“ Um dieses im positiven Fall behagliche Gefühl noch weiter auszubauen, hat man in den USA daher den Service „Places“ gelauncht, so dass man seine Freunde nun praktisch an jeden Ort mit sich nehmen kann, so Shields. Und wieder folgte das typische Beispiel aus dem privaten Bereich: ein Restaurant-Besuch und wie ihre Freunde daran über „Places“ teilhatten. Marketing im Grenzbereich.
Als Marketeer, so Shields, muss man verstehen, was sich Menschen wünschen und wie man es ihnen anbieten kann. Marketing wird von den Verantwortlichen oft als „One-Night-Stand“ missverstanden: Es steht ein Budget zur Verfügung, wird für eine Sache ausgegeben und danach ist dann Schluss. Auf Facebook hingegen entwickelt sich eine anhaltende Kommunikation, eine bestehende Verbindung zwischen den Unternehmen und den Usern. Hierdurch ändert sich die Art, wie Marken wahrgenommen werden, so Shields. Und unterstreicht diese Aussage in der Folge anhand erfolgreicher Kampagnen, mit denen dieses Ziel erreicht wurde. Unter anderem der von Tipp Ex:
Ich gebe es zu: Am Ende verließ ich den Raum mit gemischten Gefühlen: fasziniert davon und darüber entsetzt zugleich, welche Überlegungen hinter solchen Kampagnen stecken und welche Faktoren zum Erfolg führen. ich hoffe, durch meinen Bericht konnte ich euch dieses schizophrene Gefühl halbwegs verständlich machen.
(Marek Hoffmann)